Erstürmung der Tuilerien den 10. August 1792.

Damit sich der Leser von den folgenden Begebenheiten einen desto deutlichern Begriff machen könne, wird es nöthig seyn, die Gegend um das Schloß der Tuilerien etwas genauer zu beschreiben.

Das Schloß der Tuilerien bestand aus fünf Haupt-Pavillons, welche durch Zwischengebäude mit einander verbunden waren. Das Ganze machte einen der prächtigsten Palläste in der Welt aus. Eine Gallerie von außerordentlicher Länge verband das Schloß der Tuilerien mit dem Schlosse des alten Louvre. Seit dem 25. Juli, von welcher Zeit an man im Schlosse täglich einen Angriff erwartete, hatte Herr von Salis, Officier bei der Schweizerwache, in dieser Gallerie eine Art von Verschanzung mit Brettern anlegen lassen, um den Aufrührern allen Zugang von dieser Seite zu verwehren. Hier standen dreißig Schweizer.


Der erste Pavillon des Schlosses, welcher dem Pont-Royal gegenüber lag, wurde der Pavillon der Flora genannt. Ihn bewohnte die Prinzessin Elisabeth. In diesem Pavillon befand sich eine prächtige Treppe, die Treppe der Prinzen genannt, welche nach dem Prinzenhofe führte. Ein Arm dieser Treppe führte nach einer eisernen Gitterthüre, die in den Garten ging und das Gitter der Königin hieß.

Von dem Pavillon der Flora ging eine lange Gallerie, die Gallerie des Coreggio genannt, nach den drei mittlern Pavillons. Unter dieser Gallerei befanden sich die großen Staatszimmer der Königin, beinahe ebenen Fußes mit der Terrasse im Garten, welche die Terrasse des Pallastes genannt wurde.

In den mittlern drei Pavillons war die Wohnung des Königs, welche aus dem Billardzimmer, dem großen Speisesaale, dem Zimmer des Staatsraths, einem prächtigen Saale, dem sogenannten Ochsenauge, und verschiedenen andern für die Leibwache bestimmten Sälen bestand. Zu dieser königlichen Wohnung führte die sogenannte große Treppe, welche sich mitten im Schlosse befand und zwei Ausgänge hatte, die durch Gitterthüren verschlossen wurden; einer dieser Ausgänge führte nach dem Garten, der andere nach dem königlichen Hofe.

Unter der Wohnung des Königs, in den Zimmern des Erdgeschosses, waren die Wohnungen des Dauphins, der Prinzessin von Lamballe und mehrerer anderer Hofdamen.

Die andere Hälfte des Schlosses, von der großen Treppe bis nach dem Pavillon der Ställe, enthielt die Capelle, das Theater und diejenigen Zimmer, welche von den Prinzessinnen, Tanten des Königs, vor ihrer Abreise nach Rom bewohnt worden waren.

Gegen die Seite des Carousselplatzes hatte das Schloß vier große Höfe: den Prinzenhof, in welchem eine Wachtstube für die Bürgermiliz errichtet worden war; den königlichen Hof, in welchem unten an der großen Treppe seit dem 6. October 1789 zwei Kanonen standen; den Schweizerhof, in welchem die Schweizerwache ihre Wachtstube hatte, und den Hof von Marsan. Die vier Höfe waren von sehr vielen Zimmern umgeben, in denen die Hofbedienten und andere zum Hofe gehörige Personen wohnten.

Aus dem Hofe Marsan gelangte man, wenn man sich um die Ecke drehte, in den Stallhof, welcher an den Pavillon der Ställe stieß, und aus diesem Hofe kam man in den Hof der Reitbahn. Dieser Hof hatte zwei Ausgänge: den einen links nach dem Garten der Tuilerien durch eine Seitenthüre, den andern nach der vormaligen Reitbahn, in welcher die Nationalversammlung, seitdem sie sich zu Paris befand, ihre Sitzungen hielt.

Der Garten der Tuilerien hatte fünf Terrassen. Die erste, welche neben dem Schlosse in seiner ganzen Länge herlief und mit prächtigen Statuen geziert war, hieß die Terrasse des Pallastes; die zweite, welche rechts auf der ganzen Seite des Gartens herunterlief, wurde die Terrasse der Feuillants genannt, von welcher ein Eingang in den Versammlungssaal der Nationalversammlung führte; die dritte Terrasse befand sich am Ende der zweiten, und hieß die Terrasse der Orangerie, aus welcher man auf den Platz Ludwigs XV gelangt; gegenüber, an dem Flusse, lag die Terrasse des Dauphins; die fünfte Terrasse lief, dem Flusse entlang, parallel mit der Terrasse der Feuillants, und wurde die Wasserterrasse genannt. Diese letzte Terrasse hatte an ihrem Ende, neben dem Pavillon der Flora, eine Gitterthüre, durch welche man von dem Pont Royal in den Garten kommen konnte.

Zwischen der Terrasse des Dauphins und der Terrasse der Orangerie wurde der Garten durch einen Graben von dem Platze Ludwigs XV abgesondert. Ueber diesen Graben ging die Drehbrücke, welche jeden Abend verschlossen wurde, so daß Niemand von dieser Seite in den Garten kommen konnte. —

Der Aufstand hatte drei Centralpunkte: den Clubb der Jakobiner, den der Cordeliers und die Section der Quinze-Vingts in der Vorstadt St. Antoine. Der der Cordeliers war von der furchtbarsten Art; hier waren die Marseiller und begehrten ungeduldig das Signal. Um sie noch mehr anzufeuern und den Zaghaften Muth einzuflößen und ihre Rachsucht zu entstammen, erinnerte Danton sie in einer kurzen Wiederholung an alle Verbrechen des Hofes.

Um 11 Uhr in der Nacht erklärte sich diese Versammlung in Aufstandszustand, und jetzt geht ein Flintenschuß im Handelshofe los und setzt alles in Bewegung. Es ist jetzt halb zwölf, man hört Kanonen fahren, die Marseiller stellen sich an den Thoren der Cordeliers auf, und ihre Zahl wächst mit jeder Sekunde, und Chabot und Camille-Desmoulins eilen fort, um die Sturmglocke anziehen zu lassen, wobei sie an mehreren Orten Widerstand finden, und sich mit Gewalt und fechtend der Glockenseile bemächtigen müssen. Endlich ertönt der furchtbar gräßliche Ton von allen Seiten, und verbreitet Angst und Schrecken in den Tuilerien und allen Wohnungen der Hauptstadt; 450 Tambours schlugen den Generalmarsch in allen Straßen und die Lärmkanone wurde an zehn Orten zugleich gelöst.

Auf Befehl der Polizei waren alle Häuser erleuchtet, so daß es in den Straßen so helle war wie am Tage. Beim ersten Schlage der Sturmglocke begaben sich 200 Jakobiner nach dem Rathhause, woselbst der Bürgerrath versammelt war. Sie kündigten den Mitgliedern dieses Rathes an, daß sie das Zutrauen des Volkes verloren hätten; jagten sie alle, Manuel und Danton ausgenommen, von dem Rathhause und nahmen ihre Stellen ein. Pethion, der von dem, was geschehen sollte, unterrichtet war, wollte nicht zugegen seyn, um keine Verantwortung zu haben: er blieb daher in dem Schlosse.

Sobald die Sturmglocken geläutet wurden, begaben sich die jakobinischen Mitglieder der Nationalversammlung nach ihrem Versammlungssaal.

Die königliche Familie war in dieser fürchterlichen Nacht, die letzte, welche sie noch in dem alten Pallaste ihrer Ahnherren zubrachte, ohne Schlummer und in banger Erwartung der Dinge, die da kommen würden, im Rathssaale mit einer Menge Beamten und Officiere beisammen geblieben. Der König hatte es seiner Gattin verweigert, sich dießmal des verborgenen Brustharnisches zu bedienen, indem er sagte: „Ich will vor denen, die mich vertheidigen, nichts voraus haben.“ — So wie am 20. Juni kamen jeden Augenblick andere und immer furchtbarere Nachrichten im Schlosse an, welche theils die Späher des Hofes, theils das Hofgesinde oder die Nationalgarden überbrachten. Einer derselben berichtete, daß der Präsident der Cordeliers den Seinigen gesagt habe: „Dießmal sey nicht mehr die Rede von einem bloßen patriotischen Spaziergange, wie am 20. Juni, damals habe man nur noch drohend gewarnt; da aber die Warnung den verstockten Hof nicht gebessert habe, so sey der 10. August zur Ausführung der Drohung bestimmt.

Die Minister waren mit dem Schall der Sturmglocke in die Nationalversammlung getreten, und hatten von derselben verlangt, daß sie eine Deputation in das Schloß zum Schutze des Königs senden sollten, wie dieß den 20. Juni Statt gefunden hatte, allein ihr Gesuch wurde unbeachtet gelassen, und man schritt zur Tagesordnung.

Die königliche Familie beschwerte sich bitter, daß eine Versammlung, die noch gestern Lafayette gerettet hatte, heute nicht einmal einen Schritt zu ihrer Rettung thun wollte.

Um ein Uhr nach Mitternacht wollten die Königin und Madame Elisabeth sich ein wenig auf einen Sopha in einem Cabinette des Entresols, dessen Fenster in den Hof der Tuilerien gingen, niederlegen, um auszuruhen, und verließen den Rathssaal. Elisabeth entledigte sich einiger Kleidungsstücke, welche sie genirten; dabei nahm sie eine Nadel von Karneol von ihrem Halstuch, auf welcher um einen Lilienstengel die Worte: „Vergiß Beleidigungen, verzeihe Beschimpfungen“ eingegraben waren; dabei sagte diese tugendhafte Dame: „Ich fürchte sehr, daß diese Maxime wenig Einfluß auf unsere Feinde hat, sie muß uns aber deßhalb nicht weniger theuer seyn.“ — Die beiden Damen konnten nicht schlafen, sondern unterhielten sich über ihre entsetzliche Lage, in Gegenwart ihrer Kammerfrauen. Auf einmal fällt ein Schuß im Hof, und beide springen auf, indem sie ausrufen: „Das ist der erste Schuß, aber es wird unglücklicherweise nicht der letzte seyn; wir wollen daher zum König.“ Um vier Uhr des Morgens trat die Königin wieder aus den Gemächern des Königs, indem sie sagte, daß sie alle Hoffnung aufgäbe; sie hatte so eben die Ermordung Mandats erfahren, so wie, daß man dessen Kopf bereits in den Straßen von Paris zur Schau trage. Noch mehr Unruhe und Hoffnungslosigkeit machten dem König die zweideutigen Gesinnungen eines Theiles der zur Vertheidigung des Schloßes herbeigekommenen Nationalgarden und der Gensd'armerie, welche aus den Soldaten der ehemaligen französischen Garde, folglich aus den Eroberern der Bastille zusammengesetzt war.

Der ganze Generalstab der Nationalgarde war erneuert und mit Freiheitsmännern besetzt worden; und — Lafayette stand nicht mehr an ihrer Spitze. — Nur auf die Bataillone der Filles-Saint-Thomas und der Petits-Peres konnte sich der König verlassen, alle andere, und besonders die Kanoniere, waren mehr gegen als für ihn. Es waren demnach nur die 900 Schweizer und ungefähr zwei Bataillone Nationalgarde, auf die der Hof fest zählen konnte. Die Anstalten, welche Mandat zur Vertheidigung des Schlosses getroffen hatte, waren übrigens sehr gut. Rings herum hatte er Vorposten, und die vorzüglichsten Truppen an solchen Orten aufgestellt, die am meisten der Gefahr ausgesetzt waren, und am leichtesten eingenommen werden konnten, namentlich an die Seite des Gartens und in die Höfe. Weißlich hatte er die verdächtigsten Nationalgarden gemeinschaftlich mit Schweizern in die Höfe, Zimmer, Ställe etc. vertheilt. Drei Kanonen ließ er in dem Prinzenhof, eine gleiche Anzahl in dem mittlern Hof und ein Stück in dem Hof der Schweizer aufstellen, und da er den Kanonieren nicht trauen konnte, so umgab er sie mit Schweizersoldaten, welche sie genau beobachteten, und fest entschlossen waren, bei einer zweideutigen Miene dieser Artilleristen, sie sogleich niederzustoßen und sich selbst des Geschützes zu bemächtigen. Daß Mandat ermordet worden, war ein großes Unglück für den Hof, dem übrigens dieser wackere und einsichtsvolle Officier verhaßt war, weil er an der Verfassung hing.

Zu diesen Truppen hatten sich noch andere Vertheidiger, die sogenannten „Ritter vom Dolche“, gesellt, meistens alte Exadelige, die zum Theil in dem burleskesten Aufzuge in den Pallast kamen, und in denen das Volk nur den ganzen Rost alter Vorurtheile erblickte; unter ihnen waren mehrere aus der ehemaligen Leibwache, Personen vom Civilhause des Königs, einige alte ihm anhängende Magistratspersonen u. s. w., über welche der achtzigjährige Marschall Mailly das Commando nahm. Diese Truppen sahen so komisch aus, daß die Franzosen, die das Scherzen, Spotten und Lachen selbst unter den ernstesten und traurigsten Verhältnissen nicht lassen können, auch in dieser furchtbaren Lage und Gefahr nicht unterließen, sich auf Kosten derjenigen, welche am komischsten aussahen, lustig zu machen und witzig zu seyn. Ein Stallmeister und ein Page des Königs hatten sich in eine Feuerzange getheilt, die ihnen als Waffe dienen sollte. Ein anderer Page trug einen Sackpuffer in der Hand, dessen Mündung er auf die vor ihm gehenden Personen richtete, welche ihn jedoch dringend baten, das gefährliche Instrument anders zu halten. Die besser Bewaffneten waren mit einem Degen und ein Paar Pistolen versehen. Die sämmtlichen Mitglieder der Departementsverwaltung hatten sich ebenfalls im Schlosse eingefunden, und Pethion hatte man einen Befehl unterzeichnen lassen, welcher die Vollmacht enthielt, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Diesen, der dem Hof als Geißel hätte dienen können, hatte die National Versammlung zu sich rufen lassen; der König, dem man gerathen hatte, ihn nicht fortzulassen, hielt dieß für viel zu gewagt, und Pethion hatte sich ungehindert entfernt.

Durch die Ermordung des Commandanten Mandat waren nun die Vertheidiger der Tuilerien ohne Anführer und ohne Plan. Er hatte keine Befehle hinterlassen, keinem Officier während seiner Abwesenheit das Commando übertragen; vergeblich wartete man auf seine Rückkunft und blieb indessen in völliger Unthätigkeit.

Indessen gaben die Verschwornen, welche an vier Orten versammelt waren, (nämlich auf dem Platze des französischen Theaters, auf dem Pferdemarkte, in dem Zeughause und bei der kleineren Kirche des heiligen Antonius) ihren Truppen den Befehl zum Aufbruche. Das Zeughaus wurde angegriffen, das bei demselben stehende Commando der Nationalgarde überwältigt; 2600 Flinten wurden herausgenommen und unter den Pöbel vertheilt. Eine unzählbare Schaar bewaffneter Männer zog in ziemlicher Ordnung nach dem Schlosse der Tuilerien. Es war fünf Uhr des Morgens.

Den Zug des Pöbels nach dem Schlosse beschrieb ein royalistischer Schriftsteller auf folgende Weise: „Eine unzählbare Menge Pöbels, angeführt durch die Mörder von Avignon, und begleitet von den Galeerensclaven aus Marseille und Brest, zog nach dem Schlosse. Landstreicher, Räuber, gemeine Gassendirnen, Tagediebe, das besoldete Gesindel, welches seit 1789 im Solde der Unruhestifter stand, der Abschaum aller Jacobinerklubbs des ganzen Reiches, welcher wegen der vorgeblichen Föderation nach Paris gekommen war, Taglöhner aus den benachbarten Dörfern, welche die zu machende Plünderung anlockte, ein gräßliches Gemisch von Weibern in Lumpen und von Ungeheuern, die kaum wie Menschen aussahen, Lastträger, Schornsteinfeger, Kohlenbrenner, Krämer, welche die Rolle eines Brutus spielen wollten: aus diesen Menschen und aus Verbrechern aller Art war die Armee der Stifter der Republik zusammengeflickt, welche jetzt im Begriffe stand, die Wohnung des tugendhaftesten aller Ludwige mit Feuer und Schwert zu verheeren.“

Der Lärm in der Gegend des Schlosses nahm jetzt auf eine schreckliche Weise zu. Man hörte, wie sich der Pöbel näherte, wie die Kanonen herbeigeschleppt wurden, wie die Aufrührer die schrecklichsten Verwünschungen gegen die königliche Familie ausstießen. Der König und die Königin standen am Fenster und sahen voller Unruhe die zahlreiche Armee, welche gegen sie anrückte. Diese Armee kam in zwei Colonnen. Eine dieser Colonnen zog über den Pontneuf, theilte sich, nachdem sie über die Brücke war, in zwei Abtheilungen, deren eine unter den Bogen der Gallerie des Louvre durch, und nach der Straße St. Nicaise maschirte; die andere Abtheilung der ersten Colonne kam durch die Bogen der Gallerie des Louvre auf den Carousselplatz; die zweite Colonne marschirte durch die Straßen St. Honore und St: Nicaise nach dem Carousselplatze.

Gegen halb sechs Uhr sah der König von einem Balkon des Schlosses auf die in den verschiedenen Höfen versammelten Vertheidiger seiner Person und seiner Familie herab. Sobald ihn die Bürgersoldaten der beiden Bataillone der Filles-Saint-Thomas und Petits-Peres und die Schweizer erblickten, erschallte ein lautes Geschrei: „Hoch lebe der König!“ Der Monarch entschloß sich, in Begleitung der Königin, der Prinzessin Elisabeth, des Dauphins und mehrerer Höflinge herunterzugehen und die besetzten Posten selbst zu besuchen. Er trug einen veilchenblauen Rock, hatte einen Degen an der Seite, und sein Haar war sehr unordentlich, da er die Nacht nicht geschlafen hatte und nicht frisirt war. Die Königin sagte zu ihm: „Sire, jetzt ist der Augenblick da, wo Sie Sich zeigen müssen.“ Sie soll sogar dem alten d'Affry eine Pistole entrissen und dem König dargereicht haben, indem ihre roth geweinten Augen und ihre von Zorn und Stolz aufgeschwollene Nase einen seltsamen Anblick darboten. Die Bürgersoldaten und Schweizer riefen einstimmig: „Hoch lebe der König!“ Der König war darüber, gerührt; er sprach in abgebrochenen Worten: „Nun! man sagt, daß sie kommen .... ich weiß nicht was sie wollen .... ich werde mich niemals von den guten Bürgern des Staates trennen; denck meine Sache ist ihre Sache.“ Die Bürgermiliz schwur bei ihren Waffen, daß sie den König zu vertheidigen bereit wäre.

Als der König dem großen Thore des Carousselplatzes gerade gegenüber sich befand, wurde das Thor gewaltsam aufgestoßen und drei mit Piken bewaffnete Bataillone stürzten hinein, mit fliegender Fahne, klingendem Spiele und dem lauten Aufruhrsgeschrei: „Hoch lebe Pethion! Weg mit dem Könige! Hoch lebe die Nation! Hoch leben die Sanscülotten!“ Der König drehte diesen den Rücken zu und ging weiter nach dem Hofe Marsan, wo die getreuen Schweizer die Wache hatten. Die eingedrungenen Bataillone der Pikenmänner hielten sich in dem Schloßhofe noch nicht für sicher genug, weil sie noch zu schwach waren, um mit den Vertheidigern des Königs einen Kampf zu wagen: sie wendeten daher um, zogen wieder aus dem Hofe heraus, und erwarteten die Ankunft der Marseiller.

Der König setzte die Musterung der Truppen fort. Auf der Terrasse des Pallastes baten ihn die daselbst befindlichen Nationalgrenadiere so dringend, den entfernten Posten bei der Drehbrücke, am andern Ende des Gartens, auch zu besuchen, daß sich der König entschloß, dieser Bitte nachzugeben. Einer unter den Höflingen wünschte, daß dieses nicht geschehen möchte, und stellte dem Könige vor, daß er sich der großen Gefahr aussetze, von den Pikenmännern, welche bereits in den Garten eingedrungen waren und aus allen Kräften schrieen: „Weg mit dem Veto! Weg mit dem Verräther!“ umringt und ermordet zu werden. Dennoch ging der König nach der Drehbrücke. Er fand den Posten daselbst sehr gut besetzt. Auf dem Rückwege nach dem Schlosse gerieth der König in große Lebensgefahr. Der bewaffnete Pöbel drängte sich auf ihn zu; ein Mensch unter dem Haufen, bei dem man einen gezückten Dolch gewahr wurde, drängte mit wüthenden Gebärden die Officiere weg, welche den König umgaben, suchte sich dem Monarchen zu nähern, und rief dabei so laut er konnte: „Hoch lebe Pethion! Hoch lebe die Nation!“ Man stieß diesen Rasenden zurück, und der König sprach ganz gelassen: „Auch ich sage, hoch lebe die Nation. Ich habe es immer gesagt, und ich habe niemals etwas anders gewünscht, als ihre Wohlfahrt.“

Als er, um an die Drehbrücke zu kommen, die Terrasse der Feuillants entlang gehen mußte, trennte ihn nur noch das dreifarbige Band von den Massen des wüthenden Volkes, welches ihm die abscheulichsten Schmähungen und Schimpfworte in's Angesicht sagte. In demselben Augenblicke zogen ganze Bataillone der Nationalgarde, die zu dem Feinde übergingen, unter dem Geschrei: „Nieder mit dem Veto!“ an ihm vorüber. Dieser Abfall und der der Kanoniere und Gensd'armen, welche sich ebenfalls schon mit dem Volke vereinigt hatten, ließen wenig Hoffnung mehr zum Siege übrig. — Die Gegenwart der Truppen von Exadelichen in ihrem baroken Aufzuge hatten viele der Nationalgarden argwöhnisch und mißmuthig gemacht; sie glaubten sich von ihnen verrathen und wollten nicht an ihrer Seite fechten. Die Königin sagte zu ihnen: „Es sind eure tapfern Waffengefährten, welche sich entschlossen haben, an eurer Seite kämpfend zu sterben.“ Da einige Personen ihre Entfernung als heilsam verlangten, sagte sie etwas unwillig: „Diese Herren sind zu unserer Vertheidigung gekommen, und wir werden sie nicht fortschicken.“

Als die königliche Familie von dieser Inspection zurückkehrte, war Ludwig XVI blaß wie eine Leiche. Die Königin sagte: „Alles ist verloren; der König hat gar keine Kraft gezeigt, und diese Art Revue hat mehr Böses als Gutes gestiftet.

Gegen acht Uhr kam ein Mitglied des Bürgerrathes in das Zimmer des Staatsrates, in welchem sich der König nebst der königlichen Familie befand. De Joly, Minister der Gerechtigkeitspflege, fragte ihn: „Was gibt's? Was verlangt man?“ — „Die Absetzung“, war die Antwort. — De Joly erwiederte unwillig: „Ei! so mag die Versammlung dieselbe beschließen“ — Dann fragte die Königin dieses Mitglied des Bürgerrathes: „Was soll aber aus dem Könige werden?“ Ein tiefer Bückling erfolgte statt aller Antwort. — In demselben Augenblicke trat Röderer in Gesellschaft der übrigen Aufseher der Abtheilung von Paris herein. Seine ersten Worten waren: „Nichts darf den König von den Aufsehern der Abtheilung trennen.“ Darauf sagte er: „Ich muß den König und die Königin allein sprechen,“ und ging mit Beiden in ein inneres Zimmer, wohin die übrigen Aufseher der Abtheilung und die Minister des Königs, welche Zeugen dieser Unterredung waren, folgten. Herr Röderer erklärte der königlichen Familie: die Gefahr sey auf den höchsten Punkt gestiegen; sie übertreffe Alles, was man sich vorstellen könne; unter der Bürgermiliz befänden sich nur sehr wenige getreue Vertheidiger des Königs; die übrigen seyen bestochen und würden selbst auf das Schloß schießen; der König, die Königin, ihre Kinder, nebst allen Personen, die sich in ihrer Gesellschaft befänden, würden unfehlbar ermordet werden, wenn sich der König nicht auf der Stelle entschließe, sich nach der Nationalversammlung zu begeben. Die Königin sah die Absicht dieses Vorschlags sogleich ein, welche keine andere war, als den Monarchen von seinen getreuen Vertheidigern zu trennen, und ihn der Wuth der jakobinischen Mitglieder der Versammlung preiszugeben. Sie erklärte sich in den stärksten Ausdrücken gegen den Vorschlag, und sagte sogar: „Lieber will ich mich hier an die Wand nageln lassen, als das Schloß verlassen!“ Der König und die Minister waren ebenfalls der Meinung, daß man das Schloß nicht verlassen dürfe. Nuntrat Röderer vor die Königin, und sprach mit großer Heftigkeit: „Madame! Die Augenblicke sind kostbar. Zaudern Sie noch eine Minute, noch eine Secunde, so ist es unmöglich, für das Leben des Königs, für das Ihrige und für das Leben Ihrer Kinder zu stehen.“ Nun fragte ihn die Königin: ob er für das Leben ihrer Kinder stehen wolle? worauf er sagte: „Madame! Ich verspreche Ihnen, an Ihrer Seite zu sterben: mehr kann ich nicht.“ — Diese Worte machten einen großen Eindruck. Die Königin erwiederte mit einem tiefen Seufzer: „Wohlan! so müssen wir denn auch noch dieses letzte Opfer bringen!“

„Laßt uns gehen,“ sagte der König, und bald nachher setzte er hinzu: „Weil wir nach der Versammlung wollen, so haben wir hier nichts mehr zu thun.“ — Eine große Anzahl von Adeligen drängte sich zu der königlichen Familie, um dieselbe zu begleiten. Allein der König verbot ihnen zu folgen, und die Königin setzte, um ihnen Muth einzuflößen, hinzu: „Wir werden bald wiederkommen.“ — So zog der König mit seiner Gemahlin, seiner Schwester, seinen Kindern, der Prinzessin Lamballe und Frau von Tourzel durch die lange Reihe von Zimmern seines Schlosses und durch die dichten Haufen aller Derjenigen, die gekommen waren, ihn zu vertheidigen und vor der Gewalt des Pöbels zu schützen. Die unglückliche Familie ging die Treppe ihres Pallastes herunter und kam ohne Schwierigkeit zwischen einer doppelten Reihe von Schweizern und Bürgersoldaten bis zu dem Eingange des Saales der Nationalversammlung auf der Terrasse der Feuillants.

Unterdessen war der bewaffnete Pöbel in immer größeren und zahlreicheren Haufen gegen das Schloß angerückt. Aus allen Winkeln von Paris kam derselbe herbei, ohne zu wissen, was man vorhabe, oder was er selbst anfangen wollte, bereit zu rufen: Hoch lebe der König! oder: Hoch lebe die Nation! je nachdem die Straße, durch welche der Haufen durchzog, so oder anders gestimmt war, je nachdem es der Ausgang ergeben würde, und in jedem Falle entschlossen, es mit der siegenden Partei zu halten. Die Gensd'armerie zu Pferde, welche auf dem Carousselplatze postirt war, machte dem anrückenden Pöbel Platz, that keinen Widerstand, und zog sich zurück, ehe noch das Gefecht seinen Anfang nahm.

Die Aufrührer hatten 22 Männer gefangen genommen, die sich nach dem Schlosse begeben wollten, um sich zu den Verteidigern desselben zu gesellen. Zwölf unter ihnen entsprangen durch eine Hinterthüre; die übrigen wurden nachher nur desto genauer bewacht. Noch war man unentschlossen, was man mit ihnen anfangen wollte, als die berüchtigte wild- und bildschöne Theroigne de Mericourt in Amazonenkleidung, mit dem bloßen Säbel in der Hand, auf einen Tisch sich stellte und zu dem Volke sprach. Sie verlangte, daß die Gefangenen sogleich sollten umgebracht werden. Dieser Vorschlag ward mit dem größten Beifalle aufgenommen, der Pöbel fiel über die unglücklichen Gefangenen her, ermordete dieselben und steckte ihre Köpfe auf Lanzen, die nachher in der Stadt herum getragen wurden.

Das ganze Schloß war bereits sowohl als der Garten der Tuilerien mit dem bewaffneten Pöbel umgeben, welcher mit Kanonen von allen Seiten heranrückte. In dem Inneren desselben befanden sich die Schweizer, eine kleine Anzahl von Bürgersoldaten und die bewaffneten Edelleute. Zwei Compagnien Schweizer und 300 getreue Bürgersoldaten hatten den König nach der Nationalversammlung begleitet und waren nun von dem Schlosse abgeschnitten.

Gegen zehn Uhr fing das Gefecht an. Der General Westermann war zu Pferde und hatte das Hauptcommando über die Rebellen. Er stellte sie in Form eines Winkelhakens in Schlachtordnung, von den Bogen des Louvre bis nach der Straße de Lechelle, so daß der ganze Carousselplatz umringt war. Alle Ausgänge dieses Platzes besetzte er mit geladenen Kanonen. Während dieser Zeit kam ein Wagen mit Pulver und ein Wagen voll Kanonenkugeln, mit Bedeckung, unter Anführung Santerres an.

Nun klopfte Westermann selbst an das sogenannte Königsthor und verlangte mit seinen Truppen in den Hof gelassen zu werden. Die Schildwache weigerte sich das Thor zu öffnen, und sogleich wurde dasselbe mit Gewalt aufgesprengt. In dem königlichen Hofe wurden nunmehr die Kanonen aufgepflanzt und gegen das Schloß gerichtet. Eine Kanone war abgefeuert; weil sie aber zu hoch gerichtet war, so traf sie nur das Dach des Pallastes, und prallte von da zurück, ohne den mindesten Schaden gethan zu haben. Eben so wenig trafen die übrigen Schüsse mit den Kanonen, weil sich die Marseiller auf die gehörige Richtung derselben nicht verstanden.

Die Schweizer berathschlagten sich, ob sie das Schloß vertheidigen sollten, oder ob sie sich nicht durch die Belagerer durchschlagen und nach der Nationalversammlung begeben sollten, um die Person des Königs zu vertheidigen, dessen Wache sie waren. Der König hatte sie verlassen, ohne ihnen irgend einen Verhaltungsbefehl zu geben; daher kam ihre anfängliche Unentschlossenheit, die aber bald aufhörte, als sie sich erinnerten, daß ihnen selbst der Maire Pethion befohlen hätte, Gewalt mit Gewalt zurückzutreiben und auf ihren Posten zu sterben. Daß sie der Gewalt nicht würden widerstehen können, sahen sie voraus, denn ihrer waren 700 mit einem sehr geringen Vorrathe von Kriegsmunition; dagegen betrug die Anzahl der Angreifenden über 100,000, und diese hatten 30 Kanonen nebst einem außerordentlich großen Vorrathe von Kriegsmunition herbeigeführt. Außerdem befand sich der König in der Gewalt der Rebellen, und folglich waren die Vertheidiger des Schlosses auf alle Fälle verloren, sie mochten siegen oder besiegt werden. Wollten die Schweizer ihr Leben retten, so mußten sie ihre Waffen niederlegen und sich mit den Rebellen vereinigen.

Der versammelte Pöbel rief den Schweizern zu: „Weg mit euch Schweizern! Legt die Waffen nieder!“ Doch wagte der Haufe es nicht, weiter als bis in die Hälfte des Hofes vorzurücken. Nach einer Weile war endlich ein kleiner Trupp von Marseillern dreist genug, bis an den Fuß der großen Treppe vorzudringen. Daselbst fielen sie die schweizerische Schildwache an, und bemächtigten sich derselben nebst fünf andern Schweizersoldaten, die dem schildwachestehenden Soldaten zu Hülfe kamen. Die sechs gefangenen Schweizer wurden am Fuße der Treppe mit Keulen und Flintenkolben todt geschlagen. Bei diesem Anblicke geriethen die Schweizer in Wuth, stellten sich, unter den Befehlen des Hauptmanns Stürler und Castelberg, am Fuße der Treppe in Schlachtordnung und feuerten ihre Gewehre ab.

Bei der ersten Salve fielen einige von den Rebellen; die übrigen aber zogen sich fliehend aus dem Schloßhofe zurück, und warfen im Fliehen Flinten, Patrontaschen, Piken und was sie sonst trugen, von sich. Auch einige Kanoniere liefen weg und ließen ihre Kanonen im Stiche. Derselben bemächtigten sich die Schweizer, welche vorher keine Kanonen gehabt hatten; allein sie konnten sich dieses Geschützes nicht bedienen, weil sie weder Schießpulver noch Kugeln dazu hatten.

Sobald die Schweizer sahen, daß der Königshof von den Rebellen ganz verlassen war, besetzte ein Detaschement von 60 Mann das Thor, welches aus dem genannten Hofe auf den Carousselplatz führte. Dieses Detaschement fuhr so lange mit Feuern durch das Schloßthor fort, bis der ganze Carousselplatz leer war; und die Schweizer verloren bei diesem ersten Scharmützel nicht mehr als Einen Mann, während von den Marseillern viele getödtet wurden. Der fliehende Pöbel, nebst den Föderirten, lief durch die Straßen mit einem gräßlichen Geschrei: „Ins Gewehr! Ins Gewehr! Wir sind verrathen! Die Schweizer feuern auf die Bürger! Sie haben schon 100 Marseiller erschossen!“

Ein anderes Detaschement Schweizer, welches sich, unter Anführung des Herrn von Salis, dreier Kanonen bemächtigte, welche bei dem Eingange des Hofes der Reitschule aufgepflanzt waren, litt weit mehr als das erste. Die Schweizer verloren über 30 Mann.

Auf diese Weise nahm das Gefecht seinen Anfang. Die im Schlosse vorhandenen Bürgersoldaten, welche versprochen hatten, die Schweizer zu unterstützen, zeigten Furcht, als das Treffen ernsthaft wurde. Ein Schweizerofficier sprach ihnen Muth ein: „Voran, meine Herrn! sprach er, Ihnen gebührt der Ehrenposten; wir wollen Ihnen folgen.“ Endlich ermannten sie sich und unterstützten die Schweizer in der Vertheidigung des Schlosses.

Die im Schlosse befindlichen Adeligen hatten keine andere Waffen, als Pistolen; sie konnten daher an dem Gefechte gar keinen Antheil nehmen.

Während die Schweizer auf allen Seiten des Schlosses über den bewaffneten Pöbel den Sieg davon getragen hatten, und die Kanonen, welche es ihnen gelungen war, zu erobern, welche sie aber aus Mangel an Munition nicht gebrauchen konnten, mit den Ladestöcken ihrer Flinten zu vernageln suchen, kam Herr d'Hervilly, ein Officier der Bürgermiliz, durch den Garten der Tuilerien nach der Terrasse des Pallastes. Von da rief er den Schweizern, so laut er konnte, zu: „Meine Herren! Im Namen des Königs, und auf seinen Befehl, kommen Sie nach der Nationalversammlung.“

Die Schweizer hielten diese Botschaft, diesen Befehl des Königs, das Schloß zu verlassen und nach der Nationalversammlung zu kommen, für einen Wink der Vorsehung. Es fehlte ihnen wirklich schon an Kriegsmunition, und sie sahen voraus, daß sie, bloß aus Mangel an Patronen, in kurzer Zeit sich auf Discretion ergeben müßten: sie verließen daher mit Freuden das Schloß. Alle diejenigen Schweizer, welche sich auf der Terrasse des Pallastes und in der Nähe desselben befanden, ungefähr 200 an der Zahl, marschirten unter Anführung des Hauptmanns Stürler nach der Nationalversammlung; die Uebrigen blieben im Schlosse zurück, weil ihnen der Befehl nicht bekannt geworden war. Auf dem kurzen Wege quer durch den Garten, von der Terrasse des Pallastes bis zum Eingange der Nationalversammlung an der Terrasse der Feuillants, verloren diese 200 Schweizer über 30 Mann, denn es fielen von allen Seiten des Gartens über tausend Flintenschüsse gegen sie. Sobald sie bei der Nationalversammlung angekommen waren und sich in die daselbst befindliche Wachtstube begeben hatten, wurden sie entkleidet und entwaffnet. Die Waffen und die Kleider trug der Pöbel im Triumphe in Paris herum. Die Officiere, welche von dem Pöbel verfolgt und gemißhandelt wurden, wollten sich in den Saal der Nationalversammlung begeben, um wenigstens so lange sicher zu seyn, bis sie weitere Befehle vom Könige würden erhalten haben; allein es kamen ihnen zwei Mitglieder der Versammlung entgegen, welche sich weigerten, sie in den Saal zu lassen, und welche sie in ein Nebenzimmer führten, wo sie von 11 Uhr des Morgens bis 9 Uhr des Abends bleiben mußten.

Die Gemeinen wurden entkleidet und entwaffnet. Sie weigerten sich lange, sich entwaffnen zu lassen; sie kündigten den Marseillern sowohl, als dem umringenden Pöbel mit der größten Entschlossenheit an, daß sie, ungeachtet ihrer kleinen Anzahl (ihrer waren 170), sich vertheidigen und ihre Waffen nur mit ihrem Leben verlieren würden. Allein während dieses Streites kam der Hauptmann Stürler zurück, und brachte einen, von dem Könige eigenhändig geschriebenen Befehl, daß sie ihre Waffen niederlegen und nach den Kasernen von Courbevoye sich begeben sollten. Der zweite Theil des königlichen Befehls konnte nicht vollzogen werden, weil der Pöbel die Schweizer gefangen behielt. Selbst die Waffen übergaben sie nicht dem Pöbel, welcher dieselben von ihnen forderte, sondern den Soldaten der Bürgermiliz. Einer nach dem andern wurde entwaffnet, und der Pöbel bemächtigte sich nachher dieser Waffen, wie bereits erzählt worden ist.

Während, vermöge eines Befehls des Königs, dem Schlosse auf die so eben beschriebene Weise 200 Vertheidiger entzogen wurden, um auf eine schimpfliche Weise entwaffnet und gefangen gehalten zu werden, hatte der flüchtig gewordene Pöbel wieder Muth gefaßt und war zum zweiten Male angerückt. Neue Truppen hatten sich mit ihnen vereinigt, und neue Kanonen hatten sie mitgebracht. Die Kanonen wurden auf dem Caroussel- platze, an den Eingängen der Straßen St. Nicaise, de Lechelle und des Orties aufgestellt. Die ersten Schüsse gingen, beinahe eine halbe Stunde lang, alle auf die Dächer. Ein anderer Theil der Angreifenden drang durch das Thor des Hofes der Reitschule und durch das Thor des Pontroyal in den Garten der Tuilerien ein, und griff das Schloß von der Seite des Gartens an, welche jetzt ganz unbesetzt war, seitdem sich diejenigen 200 Schweizer, welche diese Seite vertheidigten, hatten zurückziehen müssen, wodurch die übrigen, die sich in dem Schlosse befanden, der größten Gefahr ausgesetzt wurden.

Die im Schlosse zurückgebliebenen Schweizer erfuhren nicht eher etwas von dem Rückzuge ihrer Landsleute, als bis sie bemerkten, daß die nach dem Garten zugehende Seite des Schlosses nicht mehr vertheidigt wurde. Sobald sie davon Nachricht hatten, zweifelten sie nicht länger, daß sie verloren seyen, und gaben sich der Verzweiflung Preis. Lärm und Unordnung wurden unter ihnen so groß, daß Niemand Befehle zu geben, Niemand dieselben zu vollziehen im Stande war. Die meisten äußeren Posten zogen sich nach der großen Treppe zurück, an deren Fuß sich gegen 80 Mann Schweizer versammelten, um diesen wichtigen Posten gegen den eindringenden Pöbel zu vertheidigen. Zwanzig Minuten lang thaten diese 80 Schweizer dem ganzen auf sie eindringenden Haufen Widerstand, und tödteten mehr als 400 ihrer Gegner. Auch wichen sie nicht zurück, sondern vertheidigten ihre Posten bis sie alle todt waren. Nicht einer von ihnen floh; nicht einer flüchtete sich die Treppe hinauf; sie fielen wie Helden, und starben in Erfüllung ihrer Pflicht.

Nach der Niederlage dieser Schweizer war die große Treppe unbesetzt. Mit der größten Wuth stieg der Pöbel dieselbe hinan, durchlief schnell die ganze Reihe von Zimmern, und ermordete alle Schweizer, die er antraf, und die sich nicht länger vertheidigen konnten, weil sie alle ihre Patronen verschossen hatten. Einige unter ihnen flehten auf den Knieen um Pardon: diese wurden lebendig aus den Fenstern geworfen, und von dem unten stehenden Pöbel mit Lanzen aufgefangen. Andere, die zu entfliehen suchten, wurden von dem Pöbel, mit welchem sich nunmehr auch die Bürgersoldaten vereinigt hatten, verfolgt, und auf die grausamste Weise gemordet. Noch andere versteckten sich in den Sälen, den Kellern, den Ställen und auf den Böden; sie wurden aber entdeckt, aus ihren Schlupfwinkeln hervorgezogen und geschlachtet.

Hundert andere entflohen durch den Hof von Marsan nach der Straße de Lechelle zu. Von diesen wurden 81 auf der Flucht getödtet, deren Leichname in der Straße liegen blieben; die übrigen wurden gerettet.

Die 200 Adeligen, welche nach dem Schlosse gekommen waren, um den König zu vertheidigen, entgingen alle bis auf zwei der Gefahr, indem sie schon vorsichtigerweise früher das Schloß verlassen hatten, ehe noch das Volk in dasselbe eingedrungen waren.

Ungefähr 300 Schweizer flohen durch den Garten der Tuilerien unter einem unaufhörlichen Kugelregen, der gegen sie gerichtet war, nach den elisäischen Feldern. Die rothe Uniform, welche sie trugen, entdeckte sie dem Pöbel, wohin sie sich auch begeben mochten, sogleich. Diejenigen, welche durch die nach ihnen gerichteten Flintenschüsse nicht getödtet wurden, retteten sich über den Platz Ludwigs XV. Fünft unter ihnen erhielten in dem Hause des venetianischen Gesandten, Herrn Pisani, in der Straße St. Florentin, einen sichern Zufluchtsort. Der Gesandte gab sich selbst Mühe, diese Flüchtlinge zu verstecken. Ungeachtet man an demselben Tage zwei Mal in seiner Wohnung Haussuchung hielt, und der Gesandte selbst der größten Gefahr ausgesetzt gewesen seyn würde, wenn man die Schweizer entdeckt hätte, behielt er sie dennoch bei sich; und sie wurden nicht gefunden.

Die Wuth des Volkes gegen die Schweizer war so groß, daß alle Personen, die man in rother Kleidung in den Straßen antraf, niedergemacht wurden, weil man sie für Schweizer hielt. Auf diese Weise kam der Architect Melan um, und selbst einige Föderirte von Brest, die zufällig roth gekleidet waren, wurden todt geschossen.

Sobald der Pöbel in das Schloß gedrungen war, wurden alle Personen, die sich in demselben befanden, ohne Unterschied des Alters, des Ranges oder des Geschlechtes, umgebracht; sogar die Schuhputzer und die Küchenjungen entgingen so wenig als die Hofmarschälle und Kammerherren der Rache. Ueberall floß das Blut, überall lagen nackte und verstümmelte Leichname, denn ein Haufen von Weibern, welcher den Mördern nachfolgte, durchbohrte mit Dolchen alle diejenigen noch einmal, die durch Zuckungen verriethen, daß sie noch nicht ganz todt waren. Eben diese Weiber zogen die Körper der Getödteten nackend aus, bemächtigten sich der Kleidung, und verstümmelten die Leichname der Mannspersonen auf eine Weise, welche die Schamhaftigkeit zu beschreiben verbietet.

In einem der untern Zimmer des Pallastes hatten sich einige Hofdamen von höchstem Range eingeschlossen. Das Zimmer wurde eingesprengt und der Pöbel war im Begriffe, auch diese Weiber zu morden, als die Prinzessin von Tarente, eine von den im Zimmer befindlichen Damen, mit einer seltenen Unerschrockenheit dem mit Blut bespritzten Anführer der Bande entgegenging, ihn anredete und ihn so lange aufhielt, bis die brave Bürgermiliz herbeikommen konnte, um die Prinzessin nebst ihren Gesellschafterinnen aus den Händen der Mörder zu befreien.

Sobald nichts mehr im Schlosse zu morden war, fing das Gesindel an zu plündern. Schränke und Schreibtische wurden erbrochen, Geld, Juwelen, Silbergeschirre und Assignate geraubt, die kostbarsten Spiegel zerschlagen, die herrlichsten Gemälde zerrissen, die Fußteppiche nebst den Tischen und Stühlen aus den Fenstern geworfen; die köstlichsten Weine des königlichen Kellers tranken die Weiber, auf den nackten Leichnamen sitzend, aus silbernen Nachttöpfen; die Garderobe der Königin und der Prinzessinnen theilten sie unter sich, und schmückten ihre in Blut getauchten Hände mit den prächtigsten zum Schmucke der Königin gehörigen Ringen. Die an das Schloß stoßenden Gebäude, Wohnungen des Hofgesindes, wurden erst geplündert, dann in Brand gesteckt; unten in den Höfen und im Garten spielten die Kinder mit den abgehauenen Köpfen und Gliedmaßen der Gemordeten. — Ein Augenzeuge sagt: „Der Pöbel wetteiferte unter sich, wer am besten köpfen und würgen könne; auch lachte und spottete derselbe über das Krümmen und Winden der unglücklichen Schlachtopfer seiner Wuth.“ — Ein anderer Augenzeuge beschreibt den Zustand des Schlosses auf folgende Weise: „Während das Blut in den Höfen des Schlosses über das Pflaster hinfloß, verzehrte das Feuer die Häuser, welche das Schloß der Tuilerien umgaben, und fing bereits an, das Hauptgebäude zu ergreifen. Das geplünderte Schloß war eine bloße Ruine. Mobilien, Tische, Leinengeräthe, Betten, Alles war auf dem Carousselplatz geschleppt worden, um diesen Cannibalen zu einem Freudenfeuer zu dienen. Das Schloß war von dem Keller bis unter das Dach ausgeplündert. Das kostbarste Geräthe und die Meisterstücke der Kunst hatte der Pöbel zertrümmert.

Von den unermeßlichen Schätzen, die sich im Pallaste der Tuilerien befanden, ist kaum der zwanzigste Theil gerettet und von einigen Bürgersoldaten in die Nationalversammlung gebracht worden; alles Uebrige wurde von den Rebellen zerschlagen oder unter ihnen vertheilt. Mehrere von ihnen entzweiten sich bei dieser Theilung, fielen selbst über einander her und mordeten sich unter einander.

Der Convent verlegte im April 1793 seine Sitzungen in die Tuilerien, und Napoleon schlug hier seine Residenz auf, indem er das Schloß mit einer bis dahin noch nie gesehenen Pracht hatte einrichten lassen, und erließ als Kaiser von hier aus seine ganz Europa erschütternden Dekrete; während er an der Spitze der Armee stand, bewohnte es seine Familie, und verließ dasselbe nur, um die schöne Jahreszeit in St. Cloud hinzubringen.

Ludwig XVIII bewohnte es seit dem 3. Mai 1814 und nach ihm Carl X bis er mit seiner Familie, abermals vom Volke vertrieben, und nach Holy-Rood in schmachvolle Verbannung wandern mußte.