Das Palais-Royal.

Wer hat nicht schon von diesem Quodlibet aller Laster, aller Künste, aller Gewerbe, aller Fressereien, aller Getränke und aller Tollheiten, die in diesem einzigen Gebäude fortwährend im buntesten Gemisch und tollsten Gewirr vereinigt sind, reden hören. — Es befindet sich in der Straße St. Honore, im Quartier, das seinen Namen trägt, und ist auf der Stelle erbaut, wo ehedessen die Hotels von Mercoeur und Rambouillet standen, welche im 15ten Jahrhundert der Connetable von Armagnac bewohnte. Der Cardinal Richelieu kaufte diese im Jahr 1624 an sich, nebst noch andern daran stoßenden Räumen, ließ alsdann nach Merciers Zeichnung einen neuen Pallast aufführen, auf dessen Hauptthor er die Inschrift: „Palais Cardinal“ (Cardinals-Pallast) setzen ließ. Dies Gebäude vermachte er nach seinem Tode Ludwig XIII, der sammt seiner Gemahlin seine Residenz in demselben aufschlug. — Von dieser Zeit wurde es das Palais-Royal genannt. Ludwig XIV, der es nur während seiner Minderjährigkeit bewohnte, überließ es dem Herzog von Orleans. Es befand sich damals unter andern eine Gallerie in demselben, die Gallerie der berühmten Männer Frankreichs genannt, es waren nur 25 Portrais daselbst, welche der Cardinal selbst zu den „Berühmten“ gestempelt hatte, zwischen denselben befanden sich antike Büsten, — Auch zwei Theater hatte Richelieu in diesem Pallast errichten lassen, wovon das kleinere nur für ein ausgesuchtes Publikum bestimmt war, das größere aber für Jedermann offen stand. Auf beiden Bühnen spielten von des Herrn Cardinals, oder vielmehr von dem, durch denselben, dem Volke gestohlnen Geld bezahlte Künstler. Ludwig XIV übergab das große Theater im Jahr 1660 an Molière, nach dessen Tode er lyrische Tragödien aufführen ließ. Zweimal wurde es durch eine Feuersbrunst zerstört, das letztemal den 8. Juni 1781. Unter dem Regenten wurde das sogenannte Wasserschloß nach Decottes Zeichnung erbaut, es dient als Wasserbehälter (Reservoir) um die Wasser aus der Seine aufzubewahren, und die Bassins der Gärten des Palais-Royal, der Tuilerien u. s. w. zu versehen.

Zur Zeit als der Krieg der Fronde ausbrach, bewohnte Anna von Oesterreich mit dem Cardinal Mazarin und ihrem Sohn dieses Schloß.


Der ältere Garten des Palais-Royal war weit größer als der jetzige, man sah daselbst eine sehr schöne große Allee von uralten Kastanienbäumen, die im Jahre 1781 zum großen Leidwesen der Pariser und trotz aller Reclamationen und Bitten der Bewohner dieses Quartiers umgehauen wurde. Sie war der Sammelplatz aller Müßiggänger und Pflastertreter; aller Politiker und Neuigkeitskrämer, aller Gaukler und Taschendiebe, der wandernden Freudenmädchen und Staatsdamen u. s. w., wie dieß noch heut zu Tag derselbe Fall ist.

In der Revolution wurde dieses Gebäude Palais d’Egalité (Gleichheits-Pallast) auch Orleans Egalité genannt, während dieser Zeit war es der Tummelplatz aller unruhigen Köpfe, und die Schaubühne der seltsamsten und wunderlichsten Scenen. Hier wurden alle Neuigkeiten jeder Art zuerst verbreitet und berathen, hier entflammten die Volksredner, Camille Dumoulins und Andere, das Volk zu guten und bösen Thaten, von hier wälzten sich die Flammenwellen des Aufruhrs über Paris, Frankreich und halb Europa. Im Jahr 1812 wurde es das Palais du Tribunal genannt.

Dieser Ort ist an und für sich schon ein höchst lebendiges Städtchen, Oehlinger gibt in seinem Panorama von Paris folgende Beschreibung von dem in seiner Art einzig dastehenden Gebäude. —

„Der Haupteingang des Palais Royal ist auf der Straße St. Honoré. Der Platz vor demselben ist unaufhörlich mit einer Menge Wagen und Menschen bedeckt und weder geräumig noch elegant.

Zwei Pavillons, an welchen jonische und dorische Säulen emporstreben, und deren jeder mit einem Fronton und mit Bildsäulen von Pajon geziert ist, werden durch eine Mauer verbunden, die von Säulen durchbrochen ist, und von beiden Seiten her drei Eingänge in das Palais hat. Hölzerne Gallerien, die noch nicht ganz ausgebaut sind, laufen quer hin; Buchhändler und Broschüren-Krämer, Modehändlerinnen und Bandverkäufer sind hier vereinigt.

Durch die Gallerie de bois tritt man erst in die eigentliche Feenwelt des von seinen glänzenden Arkaden umgebenen Gartens. Doch dieser selbst ist schattenlos, steif und dürre, der Boden festgestampfter Kies, die Bäume sind klein und verdorren schnell, von den zurückprallenden Sonnenstrahlen getroffen. Die beiden Seitenflügel laufen in einer Länge von 117 Toisen, und der entgegenstehende in einer Breite von 50 Toisen hin. Alle drei sind gleichförmig hoch. Zu ebener Erde läuft eine gewölbte Gallerie rund herum, die von 180 Arkaden durchbrochen wird, zwischen denen zu zwei und zwei ein großer Reverbere hängt. Sie endigen auf beiden Seiten in zwei von prächtigen Säulen strozzenden Vestibulen.

Ueber den Arkaden erhebt sich das erste Geschoß mit hohen, pallastmäßigen Fenstern, über diesem das zweite mit niedrigeren Mansarden, vor deren Fenstern die Balustrade hinläuft.

Es gibt kein natürliches oder erkünsteltes Lebensbedürfniß, keine gröbere oder feinere Begierde, wofür hier nicht Befriedigung sich darböte.

Beim Buchhändler kann man nach dem ältesten, wie nach dem neuesten, nach dem wissenschaftlichsten, wie nach dem frivolsten Buche fragen, es ist hier zu finden. Schwärme von berühmten und unberühmten Schriftstellern versammeln sich bei ihm, und um sie her wimmelt es von Kritikern und Dilettanten. Im Bijouterie-Gewölbe darneben, das drei Arkaden einimmt, ist für die ärmste wie für die reichste Eitelkeit gesorgt; es bietet der armen Braut den kleinen Ring und der reichsten Fürstin die brillantenen Armbänder. Dieses Gewölbe ist des Abends von mehr als 50 Wachskerzen beleuchtet, und große Spiegel vermehren das zauberische Farben- und Strahlenspiel.

Elegante Modehändlerinnen walten hier mit ihrem mächtigen Zepter. Was die phantastische Laune aus Band und Petinet, Blumen und Federn zu schaffen versteht, formt sich hier unter den niedlichen Fingern einer Schaar zierlicher Mädchen, welche rasch arbeiten, während ihre Blicke noch rascher die Vorübergehenden anlocken. Gewölbe mit Uhren und Niederlagen mit dem geschmackvollsten Porzellan; hier die lieblichsten Parfüms, dort eine Ausstellung der herrlichsten Kupferstiche; hier mathematische Instrumente, dort Kinderspielzeug; hier Sammlung eleganter Meubles, dort Lotterie-Collecturen, Geldwechsler, Petschaftstecher, Pastetenbäcker, Restaurateurs und Obsthändlerinnen, Alles ist hier zu finden. Alle Waaren sind aber im Palais royal um die Hälfte theurer als im übrigen Paris.

Es gibt auch hier mehrere Kaffeehäuser, worunter das Kaffeehaus de foi das beste Gefrorne liefert. Im Kaffeehaus der Blinden ertönt die fröhlichste Musik von lauter Blinden aus dem Spital der Quinze vingts; während aus dem Kaffeehaus du caveau der wildeste und ausgelassenste Lärm erschallt.

Noch anlockender als die Gallerien sind die oberen Säle. Hier sind die verrufenen Spielzimmer; hier wohnen die Dienerinnen der Wollust. Sie schwärmen mit Schmetterlingseitelkeit herum, und meistens zwei und zwei, oft auch in Begleitung einer Bonne. Ihre Klassen sind so verschieden als die Klassen des Publikums selbst. Die meisten sind sehr schön, witzig, belesen, lebhaft und einschmeichelnd, wissen äußeren Anstand zu heucheln, so daß der junge, lüsterne, reiche Fremdling leicht in ihre Netze fällt.

Spaziergänger trifft man zu jeder Tageszeit im Palais royal. Früh eilt nur der ernste Geschäftsmann, der fleißige Künstler durch, um noch einmal frische Luft zu schöpfen, ehe er an seine Arbeit geht. Erst nach acht Uhr werden die Gewölbe eröffnet. Nach neun Uhr füllen sich die Kaffeehäuser, die Zeitungsleser versammeln und gruppiren sich. Zwischen zwölf und zwei Uhr erscheint die vornehme Welt. Die Bänke reichen nicht zu: Hunderte von Strohstühlen werden herbeigeschafft und um zwei Sous vermiethet. Sobald die wogende Menge abgenommen, kommen die Kinderwärterinnen mit ihren Kleinen, aber bald strömt Alles, was in die Theater eilt, herbei. Gegen acht Uhr fängt es wieder an, äußerst lebhaft zu werden, und die Stunden bis Mitternacht gehören unter die rauschendsten und mannigfaltigsten. Auf einmal ist alles leer und todtenstille. Höchst merkwürdig bleibt stets für den Beobachter der Menschen und Sitten dieser Ort.