Zweite Fortsetzung

Bauunternehmungen sind wie wenig andere von vielen Verhältnissen abhängig, die weder in der Hand des Bauherrn, noch in der des Baumeisters liegen; also weder Geld, noch Fachkenntnis und Fleiss von dieser Seite allein können den Boden schaffen, auf welchem die Bautätigkeit gedeiht.

An Geld fehlt es ja jetzt durchaus nicht, und wenn auch von vielen Seiten der Wunsch laut wird, durch Kreditinstitute, Pfandbriefämter und ähnliche Einrichtungen dem weniger vermögenden Bauunternehmer die Mittel zu immer neuen Unternehmungen zu schaffen, so wird doch von andrer Seite wieder gerade die jetzige Zeit als dessen nicht bedürftig bezeichnet. Auch scheint die große Anzahl von Bau-Gesellschaften den Beweis zu liefern, dass sich das Kapital mit Vorliebe gerade diesen Unternehmungen zuwendet. An Unternehmungslust fehlt es auch nicht, wie diese Gesellschaften erweisen. Eben so wenig fehlt es an Baumeistern, denn wo Geld ist, pflegen auch hilfreiche Hände nicht zu fehlen, und Berlin ist ja auch durch die große Anzahl tüchtiger Baugewerksmeister und eine langjährige erhöhte Bautätigkeit mehr, wie andere Städte, in der Lage, dem Bedürfnis nach dieser Richtung zu genügen. Man wird deshalb auf anderen Gebieten zu prüfen haben, wodurch eine Steigerung der Baulust und eine Befreiung von entgegenstehenden Hindernissen noch möglich ist. Die heutigen Bau-Unternehmungen sind entweder solche, welche es mit ausgedehnten Terrains zu tun haben, dort Straßen anlegen, Baustellen parzellieren und diese entweder verkaufen oder selbst bebauen – oder solche, welche einzelne Baustellen kaufen, sie bebauen, um entweder wieder zu verkaufen und neu zu bauen, oder im dauernden Besitz derselben zu bleiben. Die Tätigkeit der Gesellschaften ist eine noch neue, hat aber hier in Berlin in kurzer Zeit einen ganz bedeutenden Umfang angenommen, Es ist vielleicht von Interesse, die wichtigsten Bau-Gesellschaften, welche Unternehmungen, wie die eben bezeichneten, bereits begonnen haben, hier kurz anzuführen. Zunächst wird die nachfolgende Liste, welche der hiesigen Baugewerkezeitung entnommen ist, eine allgemeine Übersicht über die Anzahl und die leitenden Personen geben.


Berliner Bau-Gesellschaften, welche in das Handels- resp. Genossenschafts-Register des königl. Stadtgerichts eingetragen sind.

[ Es folgen 45 Eintragungen.]

Von diesen interessieren uns für die vorliegende Frage zunächst diejenigen, welche neue Bauterrains ausserhalb der Stadt besitzen und der Bautätigkeit eröffnen wollen oder
selbst bauen wollen.

Diese lassen sich am einfachsten nach den Abteilungen des Bebauungsplanes bezeichnen, dessen Nummern, vom linken Spreeufer im Osten der Stadt beginnend von I bis XIV Berlin und Charlottenburg umfassend, nach Süden, Westen und Norden laufen und auf dem rechten Spreeufer im Osten enden.

Auf dem anliegenden Plan, welcher den gesamten Bebauungsplan von Berlin enthält, wie derselbe augenblicklich gilt und in welchen auch einzelne noch nicht genehmigte Teile aufgenommen wurden, sind die Abteilungen des Bebauungsplanes mit römischen Zahlen, die einzelnen Baugesellschaften mit laufenden deutschen Ziffern bezeichnet.

In Abt. I ist der größere Teil des Terrains noch in der Separation begriffen, aber auch hier, wie in allen anderen Abteilungen sind Unternehmer mit der Anlage einzelner Straßen beschäftigt.
In Abt. II liegt
1. das Terrain der Bau-Gesellschaft Belle-Alliance, östlich der Belle - Alliance-Strasse.
In Abt. III
2. das Terrain des Berliner Bankvereins zwischen der Potsdamer Eisenbahn und der Potsdamer Straße.
In Abt. IV
3. das Terrain der Berliner Bau-Vereins-Bank zwischen der Potsdamer Straße und dem künftigen Nollendorf-Platz,
4. das der Hofjäger- und Corso-Aktien-Gesellschaft, früher Hofjäger,
5. der Aktien-Bau-Verein Tiergarten, vor dem zoologischen Garten, früher Park Birkenwäldchen,
6. das Terrain der Aktien-Gesellschaft Tiergarten-Westend an dem künftigen Wittenberg-Platz,
7. das Terrain eines größeren Privatunternehmens nördlich hiervon, in Abt. IV und V zum größeren Teil schon außerhalb des Berlin-Charlottenburger Weichbildes
8. das Terrain des Wilmersdorfer Landerwerb,
9. des Berlin-Charlottenburger Bau-Vereins am Grunewald. In Abt. V
10. die Berlin-Hamburger Immobilien-Gesellschaft.
In Abt. VI
11. die Central - Speicher - Immobilien – Gesellschaft.
In Abt. VIII
12. das Bau-Terrain der bisherigen Pulver-Laboratorien und Magazine, welches neuerdings in die Hände eines Bau-Konsortiums übergegangen ist.
In Abt. XII
13. der Aktien-Bauverein Königstadt,
14. das Terrain eines größeren Privatunternehmens, neben demjenigen der neuen städtischen Gas Anstalt.
In Abt. XIII
15. das Terrain des Aktien-Bauvereins Friedrichshain,
16. dasjenige des Privat-Unternehmens Brauerei Friedrichshöhe.

Im Anschluss an diese auf dem Plan angegebenen Unternehmungen ist zunächst das der Westend-Gesellschaft auf Charlottenburger Gebiet, westlich der Stadt zu nennen, welches die erste Bau-Gesellschaft ist, die einen bereits von Villenbesitzern bewohnten, ausgedehnten Stadtteil zur Ausführung gebracht hat. In weiterem Umkreis liegen die zum Teil in der ersten Liste angeführten Unternehmungen auf dem Terrain der benachbarten Dorfgemeinden Lichterfelde, Steglitz, Wilmersdorf, Buchholz, Tempelhof, Schöneberg u. a. m. Ein großer Teil der eingetragenen Gesellschaften sind innerhalb der Stadt bei Anlegung neuer Straßen, oder in der Ausführung von Bau-Unternehmungen auf verschiedenen Grundstücken tätig.

Man hat vielfach darin, dass sich große Geldunternehmungen, denn das sind alle diese Gesellschaften, eines so bedeutenden Teiles des besten und nächst gelegenen Bauterrains bemächtigt haben, eine Gefahr für die freie Entwicklung der Bautätigkeit gesehen und namentlich gefürchtet, dass auf diesem Gebiete ähnliche künstliche Preissteigerungen die Folge sein würden, wie auf andern Gebieten, auf welchen das große Kapital dem kleinen und unbemittelten Unternehmer gegenüber tritt. Es mag dahin gestellt bleiben, ob solche Befürchtungen überhaupt begründet sind und ob nicht gerade bei den hiesigen Verhältnissen, in welchen die Erweiterung der Stadt den Unternehmern allein überlassen wird, größere Mittel geeignet sind, der jetzigen Wohnungsnot abzuhelfen, als eine Menge einzelner kleiner Bau-Unternehmer. Jedenfalls sind die Gesellschaften da, und der Besitz der Baustellen kann ihnen nicht genommen werden. Auch haben die meisten von ihnen die Anlegung von Straßen schon begonnen und knüpfen im eigenen Interesse an den Verkauf der Parzellen die Bedingung, dieselben innerhalb bestimmter Fristen zu bebauen. Es bleibt daher nur übrig, ihre Tätigkeit zum rechten Erfolge für das allgemeine Wohl zu leiten. Dies wird zunächst durch die Konkurrenz, welche die Gesellschaften einander selbst machen, noch mehr aber dann erreicht werden, wenn diese Unternehmungen sich schnell und glatt abwickeln. Hierzu gehört vor Allem, dass die Vorbedingungen für jede dieser Unternehmungen in Betreff der neuen Straßen-Anlagen Seitens der Behörden so schnell und so bestimmt als möglich aufgestellt werden.

Bis jetzt ist dies noch in sehr geringem Maße der Fall gewesen. Zunächst weil diese Gesellschaften noch jung sind, weil die vorbereitenden Schritte viel Zeit in Anspruch nehmen und weil sich erst mit der Zeit eine gewisse Praxis in der Behandlung dieser Art von Unternehmungen herausbildet.

Fast alle beantragen zunächst Änderungen des Bebauungsplanes, und es ist ja aus früheren Besprechungen bekannt, dass dem niemals entgegen getreten wird, wenn durch solche Änderungen nicht anderen Grundbesitzern offenbarer Schaden erwächst oder das öffentliche Interesse darunter leidet. Nur sind die sehr verschiedenartigen Wünsche und dasjenige, was im öffentlichen Interesse, also in Betreff des Verkehrs, einer nicht zu dichten Bebauung, und zur Erhaltung der öffentlichen Plätze geboten erscheint, oft schwer zu vereinen und deshalb Gegenstand langwieriger und Zeit raubender Verhandlungen. Diese würden sich abkürzen lassen, wenn an Stelle der schriftlichen Verhandlungen mündliche Erörterungen unter Zuziehung sämtlicher Beteiligten stattfänden, wie dies z. B. bei den landespolizeilichen Prüfungen der Eisenbahn-Anlagen zu geschehen pflegt. Andrerseits ist nicht zu leugnen, dass die Opfer, welche für besonders breite Straßen und für größere Plätze ortsüblich hier gebracht werden müssen, oft nicht im Verhältnis zu der Größe des Unternehmens stehen und ungleich verteilt sind. In Wien ist z. B. deshalb für solche Fälle die gesetzliche Vorschrift getroffen, dass bei allen neuen Straßenanlagen nur eine gleichmäßige Minimalbreite unentgeltlich abgetreten werden muss, während für dasjenige Land, welches über diese Breite hinaus zur Straße erforderlich wird, nach einem bestimmten Verfahren eine Entschädigung gezahlt wird, bei welcher die Vorteile, welche die Grundstücke durch eine bevorzugte Lage an besonders verkehrsreichen Straßen gewinnen, in angemessener Weise zur Berechnung kommen können.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wohnungsnot in Berlin.