Die Geistlichkeit verweigert Steuerzahlung

Dies war die Lage der Dinge beim Beginn des Streites zwischen Philipp und Bonifaz. Die Kreuzzüge hatten ganz Europa der Besteuerung Roms unterworfen, und laute Klagen wurden überall gegen den Abzug des Geldes nach Italien erhoben. Die Dinge waren endlich bei einem solchen Zustande angelangt, dass es nicht möglich war, die Kreuzzüge fortzusetzen, ohne zu einer Besteuerung der Geistlichkeit zu greifen, und dies war der wahre Grund der schließlichen Lauigkeit, ja des Widerstandes gegen dieselben. Aber der Geldstrom, welcher so nach Italien hereingeflossen war, hatte Gewohnheiten der Üppigkeit und Ausschweifungen erzeugt. Mochte es kosten, was es wollte, Geld musste man haben in Rom. Das fortwährende Bedürfnis, unter welchem die Könige von England und Frankreich waren — das Bedürfnis nach Einkünften zur Ausführung ihrer weltlichen Pläne —, konnte nur in derselben Weise befriedigt werden. Der Reichtum dieser Nationen war unmerklich in die Hände der Kirche geglitten. In England erzwang Eduard I. die Besteuerung der Geistlichkeit. Anfangs leisteten sie Widerstand, allein jener Herrscher fand ein scharfsinniges und wirksames Mittel. Er hieß seine Richter keine Sache hören, worin ein Geistlicher Kläger sei, wohl aber jede Klage untersuchen, welche gegen sie vorgebracht würde, indem er behauptete, dass die, welche sich weigerten, die Lasten des Staates zu teilen, kein Recht auf den Schutz seiner Gesetze hätten. Sofort unterwarfen sie sich. In der Natur und Wirksamkeit dieses Mittels erkennt man zum ersten Male die Vermittlung einer Klasse von Menschen, welche bald zur Macht steigen sollte — die Juristen.

In Frankreich machte Philipp der Schöne einen ähnlichen Versuch. Es war nicht anzunehmen, dass Rom diesen Eingriff in das, was es als sein eigenes Gebiet betrachtete, dulden würde, und demgemäß erließ Bonifaz eine Bulle, welche Könige in den Bann tat, die Steuern von Geistlichen erheben würden. Hierauf beschloss Philipp, dass, wenn die französische Geistlichkeit ihm nicht zinspflichtig wäre, Frankreich dem Papste nicht zinspflichtig sein sollte, und erließ eine Verordnung, welche die Ausfuhr von Gold oder Silber aus Frankreich ohne seine Erlaubnis verbot. Doch griff er zu diesen äußersten Maßregeln nicht, bevor er andere versucht hatte, die er vielleicht als weniger lästig ansah. Er hatte die Juden geplündert, ihr Eigentum eingezogen und sie aus seinen Gebieten vertrieben. Billig kam zunächst die Kirche an die Reihe, und fürwahr, die Bettelmönche der niederen Klasse, wie wir gesehen haben, durch die Veröffentlichung des „Ewigen Evangeliums“ missvergnügt gemacht, waren laut in ihren Anklagen des Reichtums derselben, indem sie die vorherrschende religiöse Entsittlichung demselben zuschrieben. Sie wiesen auf das Beispiel des Herrn und seiner Jünger hin, und wenn ihre Gegner erwiderten, dass selbst Er sich herabgelassen habe, Gebrauch vom Gelde zu machen, so hielten die boshaften Fanatiker ihre Lehren unter dem Beifall einer spottenden Bevölkerung mit der Antwort aufrecht, dass es nicht St. Petrus, sondern Judas gewesen sei, dem der Beutel anvertraut worden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Welt der Gotik