Tiroler Krippen

Tiroler Krippen.

Italien ausgenommen, sind die Krippen vielleicht nirgends beliebter als in Tirol. „Der Gaisbube auf der Alm, wie der Bürger und Bauer benutzen an den Winterabenden ihre freie Zeit, um Figuren für die Krippe zu schnitzen, die man fast in jeder Hütte besitzt. Sobald der Sinte Klas umgeht und sich Abends die Ketten und Schellen des Klaubaufs hören lassen, werden die einzelnen Gegenstände der Krippe zusammengesucht, die Figuren aus der Dachkammer herabgeholt, alles Schadhafte ausgebessert, Verblasstes neu bemalt und was da noch fehlt, geschnitzelt. Man geht in den Wald, um Moos zu sammeln und Tannzweige und Stechpalmen, in Südtirol großbeerige dunkle Efeuranken, zu holen, mit denen man die Krippe schmückt, welche am Christabend nach dem Abendessen aufgemacht wird. In dunkler Grotte ruht das Kind, die Gottesmutter kniet an seiner Seite, während Joseph am Eingang steht und Hirten, meist in Tiroler Tracht, knien vor der Höhle oder auf der Mooswiese, auf welcher Lämmchen grasen und Engel mit goldenen Flügeln mit Hirten sprechen. Ein Hirt ist gewöhnlich dargestellt, wie er sich den Schlaf aus den Augen reibt, und im Vordergrunde befindet sich ein Brunnen, aus welchem eine Kuh säuft. Auf den Bergen, die sich über der Höhle erheben, liegen Häuser und Burgen, weiden Herden, von Hirten gehütet, und schweifen Jäger mit Stutzen, um Hasen und Gämsen zu schießen. Karrenzieher fahren vom Berg herab, ein Fleischer führt ein Kalb daher, eine Bäuerin bringt Eier und Butter, während ein Förster mit einem Hasen niedersteigt, um ihn dem Kindlein zu bescheren. Vor einem Bauernhause wird Holz gehackt, in der Nähe steht am Eingang einer Höhle eine Kapelle, vor der ein Waldbruder kniet, während ein anderer Eremit einen steilen Steig herabkommt; Knappen arbeiten und ziehen schwerbeladene Karren aus den Schachten, aus einer Höhle tritt ein Bär und ein zerlumpter Bettler hält dem Beschauer den leeren Hut hin. So bleibt die Krippe bis zum Silvestertage, wo die Beschneidung aufgemacht wird, der am 5. Januar die heiligen drei Könige folgen. Diese füllen mit ihrem glänzenden Gefolge aus Edelknaben, Reitern und Dienern mit Pferden, Kamelen und Elefanten den Platz vor der Krippe, und sind des Pompes wegen die Lieblingsvorstellung des Volkes. Bei größeren Krippen kommt auch noch die Hochzeit von Kana dazu mit reich in Gold und Sammet gekleideten Figuren. Je kostbarer, größer und stattlicher eine Krippe ist, um so stolzer ist der Besitzer. Manche bestehen auch aus beweglichen Figuren und kosten oft mehrere Tausend Gulden. Auch in vielen Dorfkirchen werden Krippen aufgestellt, zu deren Ausstattung die ganze Gemeinde beiträgt und selbst Legate gemacht werden. Eine der schönsten solcher Krippen besitzt der berühmte Wallfahrtsort Absam, wo die Figuren sehr schön geschnitten sind und die Gegend genau der von Bethlehem nachgebildet ist. Bei der Krippe zu Axams sind die Figuren zwei Schuh hoch, bei der zu Birgitz aber so reich bekleidet, dass der goldschwere Mantel eines der drei Könige allein 36 Gulden kostet. Das großartigste Werk dieser Art ist jedoch die Krippe des Bürgers Moser in Bozen, welche gegen 10.000 Gulden kosten soll.“ So lautet eine Schilderung der Tiroler Krippen aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.*) In neuerer Zeit wird besonders das Dorf Thaur bei Innsbruck gerühmt, wo die Krippe in keinem Hause fehlen soll und die Leute die Figuren selber schnitzen.**) Unter den Krippenschnitzern in Thaur soll sich namentlich Giener ausgezeichnet haben.


Die Vorliebe für Krippen hängt in Tirol wohl nicht nur mit dem Volkscharakter zusammen mit der einfachen und schlichten Denkweise der Alpenbewohner, sondern auch mit der eifrig betriebenen Holzschnitzerei. Manche Bildschnitzer mögen ausschließlich für Krippen arbeiten. Unter den bekannten Grödener Schnitzereien werden Klippensachen genannt. ***) Von den halleiner Bildschnitzer- und Krippenmacherfamilien finde ich die Nachricht, dass sie von Alters her das Adventspiel, das Weilmachtsspiel, das Heiligendreikönig- und das Fastenspiel darstellen. „Sie führen die drei ersten Spiele von Mariä Empfängnis bis Maria Lichtmess, das vierte während der Fastenzeit in der Stadt Hallein und deren Nachbarschaft umherwandernd in den Häusern auf. Früher kamen Halleiner Spieler mit diesen Stücken bis ins Pinzgau und Thalgau.“****)

*) O. Frhr. v. Reinsberg-Düringsfeld, Das festliche Jahr (1863), S. 385-386.

**) K. Atz. Die christliche Kunst (1899). S. .127.

***) L. Steub, Drei Sommer in Tirol. II (1895), S. 323.

****) A. Hartmann, Volksschauspiele (1880), S. 78.

Freunde der Volkskunde klagen, dass gegenwärtig auch in Tirol die Krippen in den Häusern immer seltener werden*) Statt der geschnitzten und gekleideten Figuren greift man, wie anderwärts in Deutschland, bereits zu dem Ersatz ausgeschnittener und bemalter Kartons.

Eine Krippe mit sehr guten Figuren aus dem achtzehnten Jahrhundert von dem Bildhauer Nissl findet sich in dem Pfarrhofe St. Johann im Ahrnthal bei Bruneck. Figuren von Maler Renzler enthält die Krippe des Kaufmanns Fischnaler in St. Lorenzen im Pustertale. Hübsch soll auch die Krippe im Vincentinum in Brixen sein. Wie volkstümlich die Krippen in Tirol sind, davon zeugt, dass selbst Pfarrer mit dem Herstellen von Figuren für dieselben sich beschäftigen. So machte Pfarrer Wendelin Ambrosi in Riez Krippenfiguren aus Ton. Der Pfarrherr von Faltersbach im Pustertale schnitzt jetzt noch Krippenfiguren aus Baumrinde, die recht natürlich sein sollen. Um von der Mannigfaltigkeit des verwendeten Materials einen Begriff zu geben, erwähne ich noch, dass in Taufers in einer Krippe Figuren ganz aus weißem Wachs waren.**)

Von einem Angehörigen der Bildhauerfamilie Probst von Sterzing wird um 1800 gerühmt, dass er kleine Figuren zu Krippenvorstellungen sehr gut machte.***)

Ein gutes Muster einer tiroler Bauernkrippe besitzt seit 1896 das Museum für österreichische Volkskunde in Wien. Die Krippe war Eigentum der Bauernfamilie Jaufenthaler, die zuerst in Wilten, dann in Vill ansässig war. In einzelnen Teilen bis in die Zeit um 1700 zurückreichend, zeigt sie sowohl holzgeschnitzte Figuren, als auch Figuren mit Wachsköpfen. Erstere sind älter als die letzteren. Die Krippe enthält die Anbetung und das Opfer der Hirten, den Zug der drei Könige, die Flucht nach Ägypten, den zwölfjährigen Jesus im Tempel und die Hochzeit zu Kana. Alle diese Szenen sind bei der Aufstellung im Museum in einer Krippe vereint worden, während sie früher in zeitlichen Zwischenräumen aufeinander folgten. Im Ganzen sind 256 menschliche und 154 Tierfiguren verwendet; die Zahl der Baulichkeiten beläuft sich auf 24.

*) Hauser, Der heilige Abend in einem Dorfe Paznauns. Zeitschrift d. Ver. f. Volkskunde VII (1897), S. 350.

**) Ich verdanke diese Mitteilungen Herrn Pfarrer Franz Untergasser in Hollbruck bei Sillian.

***) Tirolisches Künstlerlexikon (1830), S. 195.

„Den Hintergrund der Krippe bilden vier Bilder auf Leinwand gemalt, mit biblischen Landschaften. Vor diesen dehnt sieh rechts tue Stadt Bethlehem, links ein Alpendorf aus. Unterhalb der Stadt Bethlehem befindet sich eine Höhle mit zwei Eremiten. Am Fuße des Alpendorfes liegt ein Weideplatz. Aus den Toren der Stadt entwickelt sich der Zug der Weisen aus dem Morgenlande, der sich im Bogen talab hinter dem Stalle (Krippe) vorbeischlängelt. Den Zug eröffnet ein Anführer, dem ,Bediente‘ (Edelleute mit Gaben) folgen. Hinter diesen folgen zwei ,Wilde‘, welche ein ,wildes‘ Tier an der Kette führen. Ihnen schließen sich die berittenen Rotröcke an (von Jaufenthaler auch Bediente genannt; sie stammen aus der Kirche von Vill).

„Dann folgt der König mit dem aus dem Jahre 1786 datierten blauen Seidenmantel. Der zweite König, umgeben von Türken, ist mit rotem, verbrämtem Samtmantel bekleidet. Der schwarze König Kaspar, in Silberbrokatmantel, reitet auf Herodes zu, der, auf einem Löwenthrone stehend, die versammelten Schriftgelehrten nach dein neugeborenen König befragt. Dieselben haben verschiedene wissenschaftliche Instrumente, wie Fernrohr, Globus, Landkarte vor sich, um die Heimat des neugeborenen Heilands auszukundschaften.

„Die Mitte der Krippe nimmt der Stall ein, in welchem der neugeborene Heiland liegt; über ihm erhebt sieh ein Bogen mit Engeln, über welchen ein ,Gloria in excelsis Deo‘ schwebt. Vor dem Stalle die anbetenden und herbeieilenden Hirten mit ihren Gaben.

„Links die Flucht nach Ägypten; aus einer Höhle füllt ein Räuber Joseph an. Über dieser Höhle eine Burg. Rechts vom Stalle ein weißer Renaissance-Tempel, reich vergoldet: darinnen die Bundeslade, der siebenarmige Leuchter aus Messing und die Gesetzestafel mit den zehn Geboten. Vor dem Tempel eine Kanzel auf welcher der zwölfjährige Jesus den Schriftgelehrten predigt. Vor dem Alpendorfe, unterhalb der Stadt Bethlehem, wird die Hochzeit zu Kana gefeiert. In einem reich stilisierten Barocktempel befindet sich die Haupttafel mit Jesus, Maria, den Brautleuten und Aposteln, vor dem Tempel die Tafel der Bürger mit dem Tischchen, auf welchem die beachtenswerten l Krüglein der Verwandlung des Wassers in Wein harren, ferner im Hintergründe der grosse Tisch mit dem Gesinde, vor welchem Musikanten aufspielen. Ganz rückwärts eine vollständig eingerichtete Küche, eine Fleischbank, ein Weinschrank sammt vollständigem Zubehör.

„Beachtung verdient im Alpendorf die vor dem Hause sitzende Bäuerin mit Spinnrad und Rocken. Ferner fahrt aus der Stadt eine Kalesche mit zwei Pferden heraus. Die Stadt selbst ist durch Mauern abgeschlossen. Ganz vorne rechts steht eine kleine Römerburg.“*)

*) M. Haberlandt, Katalog der Sammlungen des Museums für österreichische Volkskunde in Wien. (1897), S. 163 ff. Abbildung der Krippe in der Leipziger Illustrierten Zeitung, 1897. Bd. 108, S. 561.

Die Jaufenthaler Krippe in Wien bietet ein lehrreiches Bild einer Tiroler Bauernkrippe. Künstlerisch wertvoller aber ist die Tiroler Abteilung der Schmederer’schen Krippensammlung des bayerischen Nationalmuseums. Sie setzt sich ans der Krippe des ehemaligen Ursulinerinnenklosters in Innsbruck und aus Stücken der Moser’schen Krippe in Bozen zusammen. d. h. aus den beiden berühmtesten Krippen des Landes.

Die Figuren der Ursulinerinnenkrippe, durchschnittlich 20 cm hoch, stammen großenteils aus dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, also jener Zeit, da der Prunk des Barockstils in den Kirchen herrschte. Sie vertreten in Stoff und Herstellungsart einen Typus, der für die österreichischen Alpenländer und deren deutsches Vorland besonders charakteristisch ist. Die Köpfe sind aus Wachs gegossen und mit Haaren aus Flachs oder Wolle versehen. Beine und Unterarme sind aus Holz geschnitzt und mit dem ebenfalls aus Holz bestehenden Oberkörper durch Draht verbunden, der mit Streifen derber Leinwand dick umwickelt ist. Diese Herstellungsart ermöglicht es, den Figuren durch Biegen des Drahtes die verschiedenste Beinstellung und Armhaltung zu geben. Einige der Figuren, darunter gerade die zierlichsten, wie das Gefolge in Wallensteintracht aus der Anbetung der drei Könige, haben nur bewegliche Arme, während die Beine bis zum Oberkörper hinauf geschnitzt sind und vom Schnitzer eine unveränderliche Stellung erhielten; solcher Art sind auch die Mohren und mehrere der Hirten. Ganz geschnitzt sind die schwebenden nackten Engelchen. Was die Figuren der Ursulinerinnenkrippe besonders auszeichnet, das sind die reichen Gewänder, welche in ihrer Gold- und Silberstickerei, in dem Perlen- und Steinbesatz die Klosterarbeit verraten. Sie erinnern an die Fassung der Reliquien und an die Stickerei der Gewänder, mit denen ganze heilige Leichname im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert bekleidet und in Glasschreinen auf den Altären ausgestellt wurden. Mit solchen Gewändern sind zum Teil auch die Engel angetan; sie prunken mit eng geschnürter Taille und weit abstehenden Röcken von Seide und Sammet in Gelb, Roth oder Weiss, besäet mit gold- und silbergestickten Ornamenten. Auf dem Kopfe tragen sie mit Steinen und Federn besetzte Kronen, in der Hand lange Stäbe aus Metall, die oben in Kreuzchen enden und von Gold und Steinen glitzern. Weite Spitzenärmel vervollständigen das prunkende Bild dieser Figuren, die durch ihre steife Tracht und ihre zierlich gesetzten Füße mit den hohen gemalten Stiefelchen vornehmen Dämchen des achtzehnten Jahrhunderts gleichen, die vor dem himmlischen König defilieren. Solche Engel sind eine treffliche Illustration zu einem Krippenspiel aus Oberkärnten, zu dem Flattacher Hirtenreim, in welchem ein Hirte den Verkündigungsengel seinem Genossen also schildert:

Glänzt hat er a so schen
Wie’n Gschlossherrn seine Joppen,
Voll Porten auf und auf ....*)

Ähnlich sind die Könige in Sammet, Seide und Hermelin gekleidet, strotzend von Goldstickerei und Steinen. Und würdig reiht sich diesen das Gefolge an, das teils in Pandurenkostüm, teils in Wallensteintracht erscheint. Für das naive Bestreben der Krippe, die heiligen Vorgänge in die eigene Zeit und in das eigene Land zu übersetzen, sind diese Panduren außerordentlich bezeichnend. Mit den prachtvollen Gewändern ließ es sich die Ursulinerinnenkrippe nicht genügen. Bei den drei Königen zieht sogar ein Ritter in silbernem, zum Teil vergoldeten Plattenharnisch auf; Hellebarden , Säbel, Pfeilköcher und andere Waffen , die Geschenke der Könige, der Opfertisch, der Kronleuchter und andere kirchliche Geräte, die zur Aufopferung Jesu im Tempel gehören, sind sorgfältig aus Metall verfertigt, einige Stücke von zierlichster Arbeit in Edelmetall mit echten Steinen.

*) Weinhold, a. a. O., S. 98.

Gegenüber dieser Pracht treten die Bauern und Hirten sehr zurück; in schlichter, einheimischer Tracht sind sie mit allerlei Hantierung beschäftigt, einige tragen „Kraxen“ , andere sind um ein Hirtenfeuer gelagert, das in den volkstümlichen deutschen Krippen nicht leicht fehlt und schon in den Apokryphen bei der Schilderung der heiligen Nacht eine Rolle spielt.

Auch zwei Klausner oder Einsiedler sind vorhanden in brauner Kutte. Sie haben in den Krippen gewöhnlich ihren Platz im Vordergrund bei einer Opferbüchse, sei es, dass sie hinter der Büchse stehen und beim Einwerfen einer Münze dankend nicken, oder in ihrer Klause eingeschlossen weilen, bis ein eingeworfenes Geldstück einen Mechanismus in Bewegung setzt, der sie zur Danksagung vor die Klause herausführt. Für die Kinder pflegen solche Klausner ein Hauptanziehungspunkt der Krippe zu sein.

Die Figuren der Ursulinerinnenkrippe bilden den Beginn der Krippensammlung des bayerischen Nationalmuseums. Nicht mit Unrecht. Denn mehr als die andern Krippenfiguren atmen sie den Zauber der deutschen Weihnacht, den Duft des gold- und lichtstrahlenden Christbaumes; es ist, wie wenn der Weihnachtsengel vorbeirauschte.

Einen Reiz ganz anderer Art entfaltet die Moser’sche Krippe aus Bozen in Südtirol. Moser war ein schlichter Gerbermeister in Bozen, der in einem Hause mit einem lieblichen Garten nahe der Pfarrkirche um Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hauste. L. Steub, der ausgezeichnete Kenner Tirols, schildert Moser und seine Krippe 1844 folgendermaßen: „Der Meister arbeitet nun schon seit langen Jahren an einer Weihnachtskrippe, welche die kunstreichste werden dürfte, die seit Christi Geburt errichtet worden. Mit den Männchen und Weibchen, die da eines Tages die biblische Geschichte aufführen sollen, beschäftigt er sich zwar nicht selbst, sondern lässt sie von anderen trefflichen Händen herstellen, aber desto emsiger baut er an der Stadt Jerusalem, die den breiten Hintergrund der Krippe in nie gesehener Pracht und Herrlichkeit einnehmen wird. Als er das Kunstwerk begann, hatte er lauter moskowitische Ideen nn Kopf, moskowitische Ideen mit stark mohammedanischem Anflug, und er schnitzte Tempel und Burgen wie im Kreml, mit wunderlichen Türmen und birnförmigen Kuppeln, über denen der rechtgläubige Halbmond prangt, und mit Fenstern und Portalen, wie an den Moscheen zu Konstantinopel. Dann befiel ihn aber eine gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien und schuf im Geiste Palladios etliche herrliche Paläste. Endlich — und dies ist die Einkehr ins germanische Bewusstsein und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschtums — endlich fing er an, nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gotische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, dass sie ohne Wagnis selbst der kunstreichen Sammlung Herrn Kallenbachs an die Seite treten dürfen. . . . Vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel, oder sonst wo nachgedacht ist, mit einem Glockenturm . . . Stellen wir uns vor, dass nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Türme die Uhren schon fertig sind, deren Hämmer auf harmonisch gestimmten Stahlfedern für Jerusalem verkündigen werden, wie viel es geschlagen hat, ungefähr so, dass die letzte kaum die ganze Stunde hallen läßt! Und damit diese unter der glühenden Sonne Palästinas der Kühlung nicht entbehre, so ist auch für Wasserkünste gesorgt, und der Talferbach muss seine Fluten hergeben zu einem steigenden Springquell auf dem Residenzplatz, welcher mit einer ehernen Reiterstatue König Davids geschmückt wird, wie er zu seinen Psalmen die Harfe schlägt. Überdies kommen aber auch ländliche Darstellungen vor, wie die Geburt Christi, die Hochzeit zu Kana u. dgl., wo die Erfindungslust des Meisters fast noch maßloseren Raum hat.“*) . . Steub malt nun im einzelnen, nicht ohne einen Anflug von Sarkasmus, aus, wie all diese Bilder wirken werden. Die Schilderung Steubs verdross den ehrsamen Meister, so dass er seine Krippe viele Jahre lang nicht mehr öffentlich zeigte. Durch Kauf ging die Moser’sche Krippe endlich an den katholischen Gesellenverein über, wo sie gegen ein kleines Eintrittsgeld besichtigt werden konnte. Als im Gebäude des Gesellenvereins das Museum eingerichtet wurde, verkaufte man die Krippe. Lange blieb sie nun verschollen, bis sie M. Schmederer nach vielem Suchen im Kinderspital von Rovereto im italienischen Südtirol wieder auffand und dort erwarb. Freilich hatte das Werk auf all den Wanderungen und unter den verschiedenen Besitzern sehr gelitten, so dass es großer Liebe und Sorgfalt bedurfte, einen Teil wieder so herzustellen, wie er nun die Sammlung schmückt.

*) L. Steub a. a. O.; II (1895), S. 158 ff.

Aus der Moser’schen Krippe sind im bayerischen Nationalmuseum zwei Vorstellungen gebildet, eine Anbetung der Hirten und die Stadt Jerusalem. Doch gehören bei der Anbetung der Hirten nur die Häuser der Bozener Krippe an, der Stall und die Figuren stammen von der Ursulinerinnenkrippe in Innsbruck; letzterem Werke ist auch das äußerste Haus links entnommen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Weihnachtskrippe