Spiel der Marionettenkrippen

Spiel der Marionettenkrippen

Je mehr sich die Krippen in den Privathäusern verbreiteten, desto volkstümlicher wurde ihre Ausgestaltung. Wie in den Weihnachtsspielen und Hirtenliedern das komische Element in naiver Weise zum Durchbruch kam, so auch in den Krippen. Komische Genrefiguren schlichen sieh ein. Letzteres wurde durch das Spiel der Marionettenkrippen begünstigt, das im Mittelalter in den Kirchen gebräuchlich war, jetzt aber außerhalb des geweihten Ortes bei den Puppenspielen und vielfach auch bei sonstigen Liebhabern fort und fort sich erhielt. In der Provence, vor allem in Marseille, sind diese Spiele heute noch beliebt. Ebenso in Polen.


Paul von Stetten schreibt in seiner Kunst-, Gewerbe- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augsburg (1779) in dem Abschnitte, der von der Kunst, sich selbst bewegende Bilder zu verfertigen, handelt: „Zu der dritten Art von sogenannten Anrichtungen kann man die sogenannten lebendigen Krippen rechnen, die zur Weihnacht-Zeit aufgestellt werden. Sie gehören eben nicht unter die wichtigen mechanischen Erfindungen. Die meisten werden gezogen und mit Händen und Füssen regiert, doch ist wohl allezeit einiger Mechanismus dabey. Indessen gehört auch hiezu ein sinnreicher Kopf, dem es nicht an guten Erfindungen mangelt. Es könnten in der Tat dergleichen Anrichtungen so gemacht werden, dass auch gesetzte Personen sie mit Vergnügen besehen könnten, wann von der Art Leuten, welche sie einzurichten pflegen, mehr Wissenschaft und Geschmack, und in ihren Vorstellungen und Verzierungen mehr Wahrheit, Verhältnis und Zeichnung zu fordern wäre.“

Das achtzehnte Jahrhundert ist die Glanzperiode der Krippe. Weder vorher noch nachher ist die Vorliebe für die Krippe so allgemein gewesen, wurde ein so großer Aufwand in der Ausstattung gemacht. Ganz besonders gilt dies von Italien, wie alte Reisebeschreibungen zu rühmen wissen und zahlreiche Reste noch heute bezeugen.

Es konnte nicht ausbleiben, dass sich auch Widerspruch gegen das Krippenwesen erhob. Als in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts der nüchterne Verstand seine Kritik an der Religion und den äußeren Formen derselben übte, fand die Krippe Widersacher. Der Aufklärungsperiode erschien sie als einfältiges Kinderspiel. Wie man die Christmette auf die fünfte Morgenstunde verlegte, so erließ man in einzelnen Ländern Verbote gegen die Aufstellung der Krippen in den Kirchen. In Mainz wurden die Krippen schon am 14. März 1787 durch eine Verordnung untersagt. Anderwärts suchte man von geistlicher Seite die Darstellungen zu beschränken und von dem volkstümlichen Beiwerk zu säubern, das, wie in den Weihnachtsspielen, oft von solchem Reize ist. Ein Generale des Ordinariats Regensburg vom 5. Januar 1789 verordnet: „Es wird aufgetragen, dass mit Anfang dieses Jahres usf. auf den zu errichtenden Krippen nur allein das Geheimnis der Geburt Christi nach dessen einfallenden Festtagen vorgestellt und alle anderen Nebenvorstellungen hinweggelassen werden sollen, wodurch die gegen dies grosse Geheimnis zu tragende schuldige Andacht des Volkes vielmehr zerstreut und selbes auf die Anschauung solcher Nebenvorstellungen hingezogen wird, welche besonders in den jetzigen, für unsere hl. Religion allzu kritischen Zeiten zu sehr auffallen und derselben verehrungswürdigen Ehrfurcht nur Gespött und Verachtung zuziehen.“*)

J. Sepp schreibt vom bayerischen Oberland: „Die Krippen-Vorstellungen um Weihnachten wurden im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts obrigkeitlich abgeschafft. Just in Tölz waren diese längst hergebracht und schrieben sich vielleicht schon von den unter Ludwig dem Bayer angesiedelten Minoriten her. Fast jedes Haus brachte die Vorstellungen zur Schau, von den Bürgern selbst die Figuren geschnitzt, die Köpfe nach Modellen gegossen (in Wachs), und von den Frauen gekleidet, dann zur größten Freude der Kinderwelt ,aufgerichtet’. Sprichwörtlich hieß es: ,Da geht es zu, wie zu Haching im Krippel‘ — wo alles sich bewegte.“**)

*) J. Lautenbacher, Zur Gesch. u. Aesthetik (Deutscher Hausschatz XVIII [1891—1892]. S. 134).

**) J. Sepp, Religionsgeschichte von Oberbayern (1895), S. 252.


Der Widerspruch gegen die Krippe wurde in derselben Zeit laut, da auch das Verbot des Passionsspieles in Oberammergau erfolgte. Wie der Kampf gegen die Krippen begründet wurde, zeigt eine Verordnung des „Churfürstlich fränkischen General Land Commissärs“ Graf von Thürheim, die Abstellung der Krippen in den Kirchen betreffend, datiert zu Bamberg 4. November 1803. „Sinnliche Darstellungen gewisser Religionsbegebenheiten“, heißt es, "waren nur in einem solchen Zeitraume nützlich oder gar notwendig, in welchem es an geschickten Religionsdienern fehlte, die Unterrichtsanstalten noch sehr litten und ganz mangelhaft waren, und das Volk noch auf einer so niedrigen Stufe der Kultur und Aufklärung stand, dass man leichter durch Versinnlichung der Gegenstände, als durch mündlichen Unterricht und Belehrung auf den Verstand wirken, und dem Gedächtnisse nachhelfen konnte. Zu diesen sinnlichen Darstellungen gehören die sogenannten Krippen, durch welche die Geschichte der Geburt und einiger anderer Begebenheiten aus dem Leben unsers Heilandes anschaulich gemacht werden wollten. Da die Einwohner der fränkischen Provinzen seit geraumer Zeit so weit in der religiösen Aufklärung fortgeschritten und die Unterrichtsanstalten schon lange dahin gediehen sind, dass es solcher Vehikel zur religiösen Aufklärung und Belehrung nicht mehr bedarf; — da die Krippen meistens schon abgeschafft sind und die nur noch in einigen Kirchen beibehaltenen lediglich kleinen Kindern zum Vergnügen dienen können; so werden die Beamten und Pfarrer angewiesen, die Aufstellung der Krippen in den Kirchen ihrer Amts- und Pfarreibezirke, wo sie bisher noch üblich war, künftig nicht mehr zu gestatten.“*)

*) Regierungsblatt für die churpfalz-baierischen Fürstenthümer in Franken 1803, S 277.

Die Folge solcher Anschauungen und Verordnungen war, dass die Krippen in den Kirchen einzelner Länder in der Tat zeitweise zurückgedrängt wurden. Das Volk ließ sich dieselben aber nicht nehmen und bald kam wieder eine Periode, welche dem alten sinnigen Brauch sich duldsamer gegenüber stellte. In demselben Bamberg, in dem der Erlass gegen die Krippen gegeben worden war, erschien schon 1826 ein Büchlein des Domvikars Cavallo "Kurzer Unterricht über den Gebrauch der Krippen zur Weihnachtszeit“. Und noch jetzt ist Bamberg eine wahre Heimstätte der Weihnachtskrippe. Allenthalben erstanden Verteidiger des alten Brauches. Christoph v. Schmid flocht die Krippe in seine rührende Erzählung „Der Weihnachtsabend“ ein. Anschaulich schildert er die Krippe, die der Förster im einsamen Hause des tief verschneiten Waldes für seine Kinder errichtet hat. „In der Ecke der Stube, zwischen den zwei Fenstern, war eine überaus schöne Frühlingslandschaft ganz nach der Natur im Kleinen abgebildet — eine gebirgige Gegend mit hohen bemoosten Felsen, grünenden Tannenwäldern, ländlichen Hütten, weidenden Schafen nebst ihren Hirten, und einer kleinen Stadt oben auf dem Berge. In Mitte der Landschaft war aber eine Felsenhöhle, da sah man das Kind Jesu, die heilige Mutter, den ehrwürdigen Joseph, die anbetenden Hirten und oben schwebten die jubelnden Engel. Die ganze Landschaft flimmerte von einem wundersamen Glanze: sie war mit unzähligen, winzig kleinen Sternlein besät, so wie etwa Laub und Moos an Bäumen und Felsen schimmern, wenn sie an einem Frühlingsmorgen von reichlichem Tau tröpfeln.“ Und einem Spötter, der sich über diese Art, den Kindern die Krippe Jesu vorzustellen, lustig macht und nicht findet, wozu die Krippe dienen kann, setzt der Förster auseinander, wie hübsch es sei, den Kindern im Winter eine Frühlingslandschaft zu schaffen, wie es aber auch dadurch möglich werde, die Kleinen nach ihrem Verständnis an der hörende der Christenheit, dass in dem Heiland die Menschenfreundlichkeit Gottes in Menschengestalt erschienen ist, teilnehmen zu lassen. Ähnlich warm tritt Christoph v. Schmid für die Krippe in den „Erinnerungen“ aus seinem Leben ein. Und mit dem Verfasser der „Ostereier“ wetteiferten andere Kinderfreunde und vor allem auch die Forscher auf dem Gebiete der Volkskunde, der alten Sitte das Wort zu reden. Dass die Krippe aber auch geschätzt zu werden verdient, weil sie oft wirkliche Kunstwerke enthält und in der Komposition selbst ein Kunstwerk sein kann, — das war bis in die jüngste Zeit nur wenigen zum Bewusstsein gekommen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Weihnachtskrippe