Die Krippe von Isareck

Die Krippe von Isareck.

Zu den ältesten altbayerischen Krippen, die ich kenne, gehören die Reste einer Krippe von Isareck. Es sind über ein Dutzend Figuren, welche ein Münchener Krippenfreund, Herr Rentier Frz. Sales Utz, 1879 von dem Lehrer Frz. X. Kurlaender in Beiharting erworben hat. Kurlaender besaß die Krippe als altes Erbstück der Familie seiner Frau. Ein Bruder des Urgroßvaters der Frau, der Pfarrer in Isareck-Volkmannsdorf war, ließ dieselbe um 1078 oder kurz nachher für sich verfertigen. Nach der Familientradition arbeitete ein wandernder Schnitzer zwei Jahre im Pfarrhofe, bis er alle Personen und Tiere (es waren z. B. nicht weniger als Kamele vorhanden) vollendet hatte. Seine Frau kleidete die Figuren. Es sind durchgehends hölzerne Gliederpuppen; die Köpfe herauszunehmen und drehbar, mit Glasaugen und Perücken. Die Höhe beträgt 30—35 cm. Die Engel sind nach Art jener aus der Ursulinerinnenkrippe in Innsbruck gekleidet, aber einfacher. Die Hirten tragen das Bauernkostüm vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts, bis zu den Knien reichenden Rock und spitzen Hut. Interessant ist, dass auch die Figuren von Adam und Eva vom Sündenfall sich finden, die in Münchener Krippen des neunzehnten Jahrhunderts ebenfalls noch vorkommen. In das Futter der Kleider wurden verschiedene Zeitungsblätter aus dem Jahre 1687 eingenäht, um den Stoff zu steifen.*) Kunstwert besitzen die Figuren nicht.


*) Vgl. Frz. Sales U(tz), Krippen-Erinnerungen eines alten Münchners. München 1900. (Nicht im Buchhandel)

Ähnlich mögen wohl die meisten alt bayerischen Krippenfiguren vor zweihundert Jahren gewesen sein, die einen etwas besser, die andern wohl gar etwas schlechter. Im Verlaufe des achtzehnten Jahrhunderts aber entstanden auch kunstvollere Krippen, vor Allem vielleicht in den zahlreichen Klöstern des Landes. Nur selten freilich gelingt es der Forschung, Nachrichten oder Reste von diesen alten Werken aufzuspüren. Und wer sich der Mühe unterzieht, den darf es nicht verdrießen, wenn er oft sehr minderwertige Schnitzereien an Orten findet, wohin ihn die Kunde von einer guten Krippe gelockt. Ja, es mag ihm wohl auch begegnen, dass die Nachricht von einer Krippe überhaupt falsch ist. Man hatte mir z. B. erzählt, dass in dem Kirchlein der Schwaige Gossenhofen bei Weilheim, das einst zum Kloster Polling gehörte, eine Krippe mit Hunderten geschnitzter Figürchen zu sehen sei. An Ort und Stelle aber fand ich eine Darstellung der Stadt Jerusalem und der Passion aus dem achtzehnten Jahrhundert, also wenigstens etwas, was mit den Krippen viel Verwandtes hat.

Ich will im Folgenden zwei Gruppen von Krippen ausführlicher schildern, nämlich die Münchener und die Tölzer Krippen. Die ersteren erheben sich zu künstlerischer Bedeutung. Die letzteren vertreten den Typus der Bauernkrippe.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Weihnachtskrippe