Der Krippenbauer bei der Arbeit

Der Krippenbauer bei der Arbeit.

„Betrachten wir nun den Krippenbauer an der Arbeit. Das Gerüste ist aufgemacht, Körbe mit verschiedenen Moosarten, Baumrinden, lange geholt, getrocknet, ausgezaust und sogar gekämmt, füllen die Stube. Er geht daran, den Berg zu machen. Das ist für den Kenner das Wichtigste. Da wird mit feiner, aber doch nicht immer untrüglicher Berechnung auf den hölzernen Unterbau Gerüst um Gerüst gestellt und genagelt. Bald bedeckt Moos die Balken, Nischen und Höhlen, steile Abfälle und ausgedehntere Ebenen werden angebracht. Ein anderer mag ihn vielleicht aus lauter Binden zusammennageln, ein dritter ihn mit grüngefärbten Tüchern bilden, die so gerunzelt, gezogen, zusammengefügt und aufgenagelt werden, dass sie wie ein Berg aussehen, namentlich, wenn man sie mit Glitzerglas überrieselt hat, so dass das nun glänzt und flimmert wie wunderbares Gestein. Nicht unwichtig ist auch die ,Stadt‘, je nach Bedürfnis Bethlehem oder Jerusalem vorstellend und den krönenden Abschluss des Berges bildend. Sie ist bald gemalt, entweder auf einem Stücke oder auch auf verschiedenen Pappendeckeln und Brettchen, bald ist sie plastisch und hat dann leibhaftige Häuser, Mauern, Türme und Tore aus Holz oder Pappe.


„Der Oheim Christoph Schmid’s hatte eine ganz dauerhafte und bombenfeste Stadt; die war nämlich aus Blech und mit Ölfarbe angestrichen, so dass es da ein Leichtes war, mittelst eines Glutpfännchens mit Weihrauch die Kamine rauchen und die Fenster beleuchtet zu machen. Karl Weinhold sah in seinen Kinderjahren eine Krippe, in deren Stadt Moscheen und Minaretts waren. Die Sitte ist auch heute noch nicht abgekommen und dazu hat man die neue gelernt, christliche Kirchlein nach Jerusalem zu lenken.

„Steht die Stadt fest oder hängt sie sicher, so werden die andern Gebäude auf ihren Platz gestellt, der gemauerte Schöpfbrunnen, ein Paar Hirtenhäuser und das zur Hauptvorstellung notwendige und übermäßig grosse Gebäu, das bald der Stall ist, bald der Tempel und zuletzt der Hochzeitssaal. Nun werden die Personen aufgestellt, die in großen Kästen und Schachteln geordnet und in säuberlichem Fliesspapier eingeschlagen liegen. Zuerst die oben an der Stadt und da anfangs nur ganz wenige, dann die auf dem mittleren Felde, auch noch nicht viele, denn der Anfang muss einfach sein, — dann die Schäfer unten neben dem Stalle. Die dürfen schon mehr sein und es sind ihrer oft so viele, dass jeder nur ein Paar Schäflein zu hüten hätte, wenn er lebendig wäre und kein Krippenschäfer. Zuletzt kommt die Hauptvorstellung. Die macht nicht viel Mühe des Sinnens, denn sie ist so zu stellen, wie sie eben gestellt werden muss und von Niemand anders gestellt wird. Jetzt wird noch da und dort ausgebessert, umgestellt, weggenommen, eingeschoben, dann der Zaun hineingesteckt, der die Krippe gegen den Zuschauer abschließt, das Lichtlein an der kleinen Ampel angezündet und den Hausgenossen und Nachbarn gesagt, dass die Krippe fertig und anzusehen sei. Die kommen nun mit den Kleinen und staunen das Werk an. Der Meister aber muss schon wieder sinnen, namentlich auf den Dreikönigstag und die Hochzeit zu Kana, wobei die Krippe fast zu klein wird für die vielen Personen und den großen Glanz.

„Betrachten wir nun die Krippe näher, wobei wir aber den Hut abnehmen, die Pfeife aus dem Mund tun müssen und auch nicht laut reden dürfen, weil sie ja ein kleines Heiligtum ist, und wobei wir dort in den Opferstock eine kleine Münze legen müssen, weil sie ja ein kleines Kunstwerk ist, das herzustellen und zu unterhalten auch etwas kostet; vergleichen wir sie mit anderen und lernen, was wir daraus schnell lernen können. Wir nehmen so ein Figürchen heraus. Es ist ein „gekleidetes“. So heißt man die Krippenpuppen im Unterschiede von den geschnitzten Figuren oder den steinernen, die es auch zuweilen gibt, die aber der ländliche Geschmack nicht als rechte Krippenfiguren nehmen und gelten lassen will. So ein Figürchen ist vielleicht einen halben bis zu einem ganzen Fuss hoch. Den Kern desselben bildet ein hölzernes Blöckchen, das etwa den Oberleib ausmacht, darein sind Drähte gesteckt, an deren Enden Beine und Hände sich befinden, die also in eine beliebige Lage und Stellung gebracht werden können, lieber diesem Gerippe ist das Gewand festgenäht. Der Kopf wird mit einem hölzernen Stift hineingesteckt und ist meist drehbar. Das Gewand ist aus bunten Lappen und Bändeln zusammengeflickt, um die man bei allen Bändeljuden und Haubenmacherinnen gebettelt hat. Zum Priesterrocke Simeons und zum Talar der Schriftgelehrten hat man den Ornatschneider in der Stadt um wertlose Abfälle angegangen. Über den Stil der Kleidung macht man sich nicht eben viel Kopfzerbrechen. Bei den heiligen Figuren folgt man der Tradition: Joseph mit dem blauen Rock und dem gelben Mäntelein, Maria in rot und blau gekleidet; beiden ist der Heiligenschein an den Kopf, den man bei diesen Personen gern wächsern wählt, geheftet. Die Hirten kleidet man nach Belieben; orientalisch sich tragende wird man wenige finden, aber wie sie sich trugen bei uns vor dreihundert Jahren, die sind anzutreffen. Am meisten Schwierigkeit machen die Kostüme der Engel, die in ganzen Sehaaren das göttliche Kind umstehen und umschweben. Meist hilft man sich damit, dass man ihnen lange, weiße oder rote Gewänder gibt, reich ausgeputzt und verbortet, eine Mütze auf den Kopf setzt, wie sie nie ein Mensch, geschweige ein Engel getragen hat, und ihnen einen in ein Kreuz endigenden Stab in die Hand gibt. Weiss man gar nicht Rat, wie man etwa das Gefolge der hl. drei Könige oder die Hochzeitsgäste von Kana anziehen soll, so guckt man sich wohl Bilder von Altären an, was wohl das Beste wäre, wenn sie gut sind; blättert auch in der Legende oder zum Unglück gar in einer neuen illustrierten Zeitschrift und findet da irgend etwas recht Auffallendes und Phantastisches, das man dann zum Muster nimmt. Auch Theater-Figuren hat man schon nachgeahmt und die Hirten etwa nach dem ,Nachtlager‘, Kaspars Mohren nach der ,Afrikanerin‘ und die Begleiter der zwei weißen Könige nach irgend einem Ritterstück bekleidet, woran man so wenig ein Ärgernis nimmt als an dem Tempel, der genau nach der Münchener Glyptothek gemacht ist, weil man doch nicht umsonst auf dem Oktoberfeste gewesen sein wollte.

„Das ist die naive Art, Krippen zu bauen. Sie scheut sich so wenig vor Anachronismen, sie kümmert sich so wenig um das Kostüm, sie stellt den Scherz so keck neben und unter das Heilige, wie das nur unser geistliches und weltliches Volksdrama tat. Man könnte sie auch die Shakespearesche Art nennen. Dann gibt es aber auch eine Meiningerei unter den Krippenbauern. Ich kenne eine Krippe, da geht es ganz echt her, wie bei den Meiningern. Die Stoffe, Spitzen und Borten der Kleider sind echt, der Stall ist nach dem echten gebildet, der Tempel mit der Bundeslade genau nach dem echten gemacht, bei der Hochzeit von Kana glitzert lauter goldenes, echt goldenes Geschirr, alles echt, nur der Geist nicht, aus dem heraus die Krippe gebaut und betrachtet sein muss. Wieder eine andere, auch den Boden volkstümlicher Kunst verlassende Art ist die mit allerlei Kunststücken sich putzende, wobei ich nicht den Springbrunnen, den lebendigen See mit Goldfischen, den Wasserfall, eine Mühle usf. meine, sondern die durch Mechanismus in Bewegung gesetzten lebendigen Krippen, die sich freilich fast nur in der Stadt finden und mehr zum Gelderwerb da sind als zur festlichen Erbauung und zur Befriedigung des künstlerischen Spieltriebes. Auch die mit lebensgroßen Figuren geschnitzten oder gekleideten, die in Klöstern oder Stadtkirchen sich finden, heimeln den bäuerlichen Sinn nicht an und wenn sie auch hundertmal mehr Kunstwert hätten als die bäuerische Krippe. Hat der Bauer doch auch mehr Freude am prunkenden Barockstil, am Schnörkel des Rokoko, an der lärmendsten Rumpelmesse, als an den reinsten Linien und feinsten Massen des edelsten Stiles, als an einfachen und organisch erwachsenen Verzierungen, als an Palestrina oder der Cäcilianischen Kirchenmusik. Das ist vielleicht zu beklagen, wahrscheinlich zu belächeln, aber sicher vorderhand nicht zu ändern. Möchten die Herren, die so gerne dem Landvolke alles das nehmen und verbittern möchten, ohne selbst etwas bieten zu können, doch in Christoph Schmids ,Erinnerungen‘ nachlesen, was der grundkluge und herzfromme Mann seinem Vater über diese Sache in den Mund legt, der da meinte, es sei ganz gut gewesen, dass man bei der Krippe nicht nur auf das Rücksicht genommen habe, was den Kunstverständigen gefällt, sondern auch auf das, was die Menge besonders angehe. Möchten sie dann auch in dessen ,Weihnachtsabend‘ nachlesen und sich merken, was der Förster dem vornehmen Herrn sagt: das Gemälde von der Geburt Jesu in der Dresdener Galerie könnte nur von großen Herren recht gewürdigt werden, für des Kindes Auge und — füge ich hinzu — für des Volkes Auge sei es nicht angewandt.“

So weit Lautenbacher. Seine Schilderung gibt uns ein treffliches Bild der volkstümlichen Krippe, der Bauernkrippe, sie lässt uns aber nicht ahnen, dass viele altbayerische Krippen auch wirklichen Kunstwert haben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Weihnachtskrippe