Altbayerische Krippen.

Altbayerische Krippen.

Wer zur Weihnachtszeit in die altbayerischen Städte und Märkte kommt, findet in den Kirchen allenthalben Krippen. Auch in vielen Dorfkirchen begegnen wir denselben, ja selbst in Kapellen. Und gar manche Familie übt von alter Zeit her den schönen Brauch. In ein solches Haus kommen dann die Nachbarn, das Werk anzustaunen. Bisweilen baut man die Krippen nahe am Fenster auf, damit der Vorübergehende einen Blick darauf werfen kann. Die Weihnachtszeit wurde überhaupt in Altbayern besonders volkstümlich gefeiert. Allerhand Sitten und Bräuche knüpften sich an dieselbe. Weihnachtsspiele, Hirten- und Krippenlieder waren sehr beliebt. Deutsche Hirtenlieder wurden selbst im neunzehnten Jahrhundert noch oft in der Kirche gesungen.


Sehr lebendig hat J. Lautenbacher die Art geschildert, wie das Volk in Altbayern die Krippen „aufmacht“.*) „Nicht selten hat sich durch Geschlechterreihen hindurch mit dem Besitz der Krippe selbst Freude an ihr und die Kunst, sie recht und schön aufzubauen und aufzuschmücken, vererbt. Daraus gehen dann die rechten Krippennarren hervor, die schon im Frühjahr durch kein Holz gehen können, ohne fleißig aufzumerken, ob sie nicht eine besondere Art von seltenem Moos oder eine Rinde von seltener Bildung finden, um sie dann holen zu können vor dem ersten Schneefall und herzurichten zur Krippe. Die laufen auch ein Paar Bauernschuhsohlen durch, wenn’s sein muss, um eine Krippe sehen, mit der ihrigen vergleichen, von ihr etwas abgucken zu können. Die ruhen auch nicht, bis sie Alles selbst machen können, was man zur Krippe braucht, den Berg und die Stadt, den Stall und den Tempel, die Schafe und die Hunde, die Lanzen und die Hirtenstäbe , die Hände und die Füße. Da bosseln und schnitzen, hämmern und hobeln, pappen und leimen, malen und nähen sie gar manchen Feierabend bis in die späte Nacht hinein, bis sie’s können. Nur mit dem ,Kleiden‘ der Figuren will’s noch nicht recht gehen, dazu muss man die Nähterin noch haben, die’s auch nicht einmal recht kann; die Ochsen, Gäule, Kamele und Elefanten holt man auch gescheider in Ammergau, und wenn man eigens dahin reisen müsste, und die Köpfe, die bringt man auch nicht fertig, die muss man schon kaufen beim Krippenmann in der Stadt, wie man den Spielwarenhändler nennt, oder beim Wachszieher bestellen, der freilich sündenteuer ist. Manche bekommen da aber im Einzelnen eine ganz bedeutende Tüchtigkeit und Fertigkeit trotz ihrer steifen und groben Finger, mit denen sie tagsüber die schwersten Arbeiten verrichten müssen. So ein Klippenbauer, von dem man sagt, seine Krippe habe einen ,Ton‘ oder ,Zopf‘, womit sie sonderbarer Weise den höchsten Grad ihrer Bewunderung für eine nach ihren Begriffen stilvolle Erscheinung bezeichnen, muss alter auch geradezu alle Künste ein bischen verstehen. Der natürliche und doch idealisierte Aufbau des ,Berges‘, die Anlage der ,Stadt‘, die Errichtung und Aufstellung der sonstigen Gebäude erfordert das Augenmass, die Genauigkeit , die Vorsicht und den Geschmack des Baumeisters; was er als Bildschnitzer leistet, ist vorhin erwähnt worden; als Maler fordert man von ihm Perspektive, lebendige Farben, mit der Kostümkunde nimmt er’s freilich als Garderobier etwas leicht und ,kleidet‘, wie’s ihm gefällt; dagegen ist er ein ganz bedeutender Regisseur, der seine Figürlein aufstellt, so malerisch und angemessen, als wären es keine Figürlein, sondern Sachsen-Meiningen’sche Statisten; auch Poet ist er, und alles, was ihm gefällt auf der Welt, und von dem über und außer der Welt, muss hinein in die Krippe, verkörpert , lebendig, dramatisch; Bibelkundiger muss er auch sein, damit man ihm keinen Fehler nachweisen kann aus dem Evangelium, und die allerschwerste Kunst muss er gar auch noch besitzen, die Geduld, die Geduld, wenn der Berg einfällt, Geduld, wenn die Stadt einstürzt und schier alle Schafe zerschlägt Geduld, wenn die Personen nicht stehen wollen, Geduld, wenn Kinder und Nachbarn ihn irren und aufhalten, Geduld — denn der Pfarrer hat’s gesagt, der ihn zurechtwies, weil er den Verkündigungsengel einen Tropfen genannt habe und unsern Herrgott einen Juden.

*) Feuilleton der Frankfurter Zeitung. Nr. 359, Morgenblatt, vom 25. Dez. 1885.

„Wie und wo baut er nun seine Krippe; auf? Das ist verschieden in den verschiedenen Häusern. Die kleinen und kleinsten Krippen, deren Repertoire nur für eine Vorstellung, die Geburt, reicht und die auch dazu nicht eben viele und reiche Mittel haben, wurden und werden gewöhnlich auf einer Art Hausaltar im Herrgottswinkel hinter dem großen Tisch oder auf dem Gesimse eines Fensters aufgestellt. Größere werden auf ein zusammengezimmertes Brettergerüst an eine Wand der Wohnstube gestellt. Sie reichen bis zur Decke, haben eine Tiefe von drei bis fünf Fuss und eine Länge von fünf bis sieben Fuss. Zuweilen, namentlich wenn es ganz grosse sind, die gleich ein halbes Zimmer füllen, werden sie auch in einer geleerten Nebenkammer aufgemacht. Ihre Zeit dauert vom heutigen Abend bis Lichtmess, die meisten werden aber schon früher abgebrochen, weil sie anfangen, in der engen Stube überlästig zu werden, oder weil man nicht alle Vorstellungen bestellen kann, oder aus sonst einem Grunde. Dann gibt es aber auch solche, die über die Fastenzeit hindurch stehen bleiben und auch die Darstellung des Leidens Jesu mit in ihren Bereich ziehen.

„Die gewöhnlichen Vorstellungen sind folgende: Geburt und Verkündigung derselben an die Hirten durch den Engel, die heiligen drei Könige, die Beschneidung, die Flucht nach Ägypten, der Kindermord, der zwölfjährige Jesus im Tempel, die Hochzeit zu Kana. Dazwischen hinein fallen nun noch allerlei Nebenvorstellungen, wie die Opferung der Hirten, die Ankunft und Heimkehr der drei Weisen aus dem Morgenlande. Auch werden sonst fast täglich kleine Veränderungen angebracht, damit der Besuch nicht erlahme und Kunst und Künstler sich verbessere. Es gibt alte Bilder, die das zeitlich nacheinander Folgende darstellen statt des räumlich nebeneinander Befindlichen und aufeinander Wirkenden. Mit diesen hat eine Krippe viel Ähnlichkeit. Da steht in deren Mitte der Stall und die drei heiligen Personen sind darin. Rechts davon hängt der Verkündigungsengel, dem ein Paar Hirten lauschen, während ein Paar andere gleich daneben die Verkündigung verschlafen und wieder andere schon nahe beim Stalle sind, um das verkündete Wunder zu schauen; links aber vom Stalle sind genau so viele Schäfer, die ihren gewöhnlichen Hantierungen nachgehen, denen also nichts verkündet wurde und auch kein Schlaf kommt. Oben aber aus dem Stadttor treten schon die Priester, Simeon an der Spitze, um sich zur Feier der Beschneidung zu begeben. Dazu kommen dann noch nebenangestellt die alttestamentlichen Vorbilder — Vorbilder oder auch Nichtvorbilder, deren Vorhandensein mir den engen Zusammenhang dieser Krippen mit den geistlichen Volksschauspielen bekundet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Weihnachtskrippe