Italien.

Italien bildete ein Durchgangsland für die spanisch-portugiesischen Wanderer. Zu dauernden großen Niederlassungen haben sie es jedoch nicht gebracht, obwohl Italien von Juden unmittelbar nach der Vertreibung und auch später ,,förmlich wimmelte". Die Ursache dieser Erscheinung lag im besonderen wirtschaftlichen Zustand Italiens.

Italien stand damals an der Schwelle seines wirtschaftlichen Unterganges, was die italienischen Kaufleute ebenso wie die damaligen Päpste sehr wohl einsahen. Darum erwartete man viel von dem Einzug reicher spanischer Juden, trotzdem man in ihnen auch gefährliche Konkurrenten sah. Die Politik der italienischen Städte gegenüber den jüdischen Einwanderern war mithin voller Widersprüche. ,,Im Rate . . . der venetianischen Republik herrschten in Betreff der Juden zwei entgegengesetzte Ansichten. Einerseits mochte der Handelsstaat die von den Juden zu erwartenden Vorteile nicht entbehren und überhaupt nicht mit ihnen anbinden, um es nicht mit deren Glaubensgenossen in der Türkei (den levantinischen Juden) zu verderben. Anderseits empfanden die venetianischen Handelshäuser Brotneid gegen die jüdische Kaufmannschaft . . . Darum wurden die Juden . . . bald gehegt, bald gedrückt" (64).


Von solchen Schwankungen in der Behandlung der Juden war die ganze Politik aller italienischen Städte erfüllt. Nur die Päpste scheinen konsequenter gewesen zu sein: ihnen war es hauptsächlich darum zu tun, Menschen zu erhalten, die man immer und leicht anpumpen konnte. Der Papst Alexander VI. wollte unbedingt jüdische Auswanderer haben; hier waren es aber römische Juden selbst, die dieser Zulassung entgegenarbeiteten; sie schossen dem Papst 1.000 Dukaten vor mit der Bitte, den spanischen Juden keine Aufnahme zu gewähren. Doch war Alexander VI. zu klug, dieser Bitte zu willfahren; allerdings hat er später befohlen, dass alle Juden Rom verließen, — aber nur um Gelegenheit zu haben, weitere 2.000 Dukaten zu fordern und dann seinen Befehl rückgängig zu machen.

Die später aus Spanien nach Italien eingewanderten Neuchristen (Marranen) haben an einigen Plätzen einen sehr regen Handelsverkehr entwickelt; doch konnten sie das niedergehende Italien nicht retten. Es ist doch interessant, dass die Begabung der Juden, überall wohin sie kommen, Kapitalismus zu begründen, auf dem italienischen Boden vollständig versagte; hier waren sie nicht einmal im Stande, den alten Kapitalismus zu erhalten.

Die nachfolgenden Verfolgungen der Juden in Italien — die immer ein Zeichen der wirtschaftlichen Schwäche des betreffenden Landes gewesen sind, (65) — führten einen Teil der Juden zur Taufe, ein anderer wanderte teils nach der Türkei, teils nach Nordeuropa aus. Damit hat Italien aufgehört, in der Geschichte der jüdischen Wanderungen eine Rolle zu spielen. Weder Ein- noch Auswanderungen fanden in den nächsten Jahrhunderten statt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wanderbewegungen der Juden