Die Waldbrände in Algerien

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 8. 1874
Autor: O. M., Erscheinungsjahr: 1879

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Algerien, Frankreich, Kolonialzeit, Kornkammer, Römer, Türken, Brandstiftung, Waldbrand, Hirten, Nomaden,
Die Franzosen haben während der 43 Jahre ihrer Herrschaft in Algerien zwar sich nicht durch eine gerechte und mustergültige Herrschaft und ein Verständnis im Kolonisieren ausgezeichnet, aber sie haben in dem zuvor so barbarischen und unter der Herrschaft des Türkensäbels beinahe zur halben Wüste gewordenen Landes manche nützliche Neuerungen eingeführt. Die Berberei war zur Zeit der Römer die Kornkammer für das südliche Europa und ein an den mannigfaltigsten Naturerzeugnissen reiches Land. Unabsehbare Wälder bedeckten die Hügelwellen und Bergzüge Numidiens und sicherten dem Boden einen ziemlichen Regenfall, welcher jenen befruchtete.

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Der Einwohner war vorzugsweise Ackermann und Schiffer und führte die wertvollen Erzeugnisse des heimischen Bodens nach fremden Häfen. Dann kamen der Islam und die Türkenherrschaft, und der Bewohner verzichtete auf den Ackerbau, dessen Erträgnis; ihm des Eroberers despotische Willkür streitig machte, und er ward Nomade und Viehzüchter und Seeräuber; er fällte die Wälder und ließ deren jungen Nachwuchs von seinem Vieh abweiden, und mit dem steigenden Wassermangel schwand die Fruchtbarkeit, wie in Griechenland unter dem Türkensäbel. Nun wollten aber die Franzosen die alten Zeiten der Fruchtbarkeit und des Gedeihens wiederbringen durch die Anlage und den Schutz von Wäldern und die Begünstigung des Ackerbaus und der festen Wohnsitze; die Häuptlinge der einheimischen nomadischen Beduinenstämme u. s. w. sahen sich dagegen hierdurch in ihrem Einfluss bedroht und fürchteten, durch die neuen festen Wohnsitze aus ihren seitherigen Weidegründen vertrieben zu werden. Und als daher die fortwährenden Aufstände und Putsche, zumal in den jüngsten Jahren, zu diesem Ziele nicht führten und die Vertreibung der französischen Herrschaft nicht bezweckten, da verfielen die Anstifter der Rebellion, die fanatischen Häuptlinge der nomadischen wie der ansässigen Stämme, und die schwärmerischen Marabuts, auf den Gedanken, die sesshaften Bewohner wieder zu nomadischer Lebensweise zu zwingen, indem sie die Wälder in Brand steckten und die Korkeichen, die Obstbäume und die das Bau- und Nutzholz liefernden Stämme niederbrannten. Der jüngste Winter und Sommer haben Hunderte von Hektaren mühsam kultivierter oder geschützter Wälder in Asche gelegt gesehen teils durch geheimnisvolle Brandlegung, teils durch Brandstiftung, welche nur den Schein unwissender Verwahrlosung oder Fahrlässigkeit hatte. Einen derartigen Waldbrand zeigt unser Bild S. 189, wo die in dem dürren Gestrüpp angelegte Flamme die riesigen alten Stämme und den in ihrem Schlitze gezogenen Nachwuchs mit rasender Eile verzehrte und die benachbarten Dörfer wo nicht mit anzündete, so doch verödete und deren verarmte Bewohner wieder zu dem mühsamen und entbehrungsvollen Nomadenleben zwingt. Da der wohlhabende Ackerbauer und sesshafte Gewerbsmann bald auch mehr Intelligenz erwirbt, als der mit des Lebens Notdurft ringende nomadische Hirte, so befreit er sich rascher von der Herrschaft des Stammeshäuptlings und der Marabuts, und dies eben wollen die Häuptlinge verhindern, welche man für die intellektuellen Urheber dieser Brandstiftungen ansieht. Gegen diese Brandstiftungen aber ist die französische Regierung machtlos, und selbst ihre Soldaten helfen ihr nichts, denn ein solch selbstmörderischer, fanatischer und verblendeter Eigensinn, der im eigenen Fleische wühlt, ist die Signatur des Barbarentums. Dagegen ist ganz unleugbar, dass, wenn durch stärkere Bewaldung dem Lande mehr Regen und Bodenfeuchtigkeit gesichert würde, Algerien wieder eines der fruchtbarsten und schönsten Länder des Südens werden müsste, da es ein unvergleichliches Klima besitzt.
O. M.

Ein Waldbrand

Ein Waldbrand