Die Waffenschmiedekunst in früheren Jahrhunderten.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1875
Autor: O. M., Erscheinungsjahr: 1875

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Handwerk, Waffenschmied, Kriegsmann, Eisen, Stahl, Klingenschmied, Rüstung, Brustpanzer, Harnischmacher, Plattner, Schwertfeger, Büchsenschmied, Armbrüsten, Raufdegen, Stoßrappieren, Brustharnischen, Arm- und Beinschienen, Halsbergen, Krebse, Sättel, Halparten, Handschuhe ,
Die eifrige Wertung der Vortrefflichkeit der Waffen stammt schon aus dem grauen Altertum und ist aus dem Orient zu uns nach Europa gekommen, denn durch die Einwanderung der Araber in Südeuropa und durch die Kreuzzüge wurden bei uns die vorzüglichen Hiebwaffen bekannt, die man seit alter Zeit in Persien (Khorassan), Indien und Syrien (Damaskus) aus dem indischen „Wuhz-„ oder Gussstahl verfertigte, und nun erst lernte man allmählich auch in Europa: erst in Italien, dann in Deutschland und Spanien (Toledo) ausgezeichnete Hieb- und Schneidewaffen verfertigen, und die Kunst der Klingen- und Waffenschmiede, der Plattner und Harnischmacher erblühte mit dem Rittertum. Die Toledaner Hieb- und Stoßwaffen verdankten den großen Ruf, den sie bis auf den heutigen Tag noch genießen, den Überlieferungen der intelligenten und kunstfleißigen arabischen und maurischen Waffenschmiede, und die Schwerter der deutschen Meister Klingenschmiede und Schwertfeger, wie sie namentlich vom 13. Jahrhundert an zu Nürnberg, Solingen, Herzberg, Gent, Lüttich u. s. w. auftauchten, konnten sich an Güte und schöner Form bald den spanischen zur Seite stellen, wie die in den Rüstkammern uns aufbewahrten Schwerter und übrigen Waffen und Rüstungen der Vorzeit zur Genüge zeigen.

*****************************************************
Die Herstellung der Waffen war einer der geschätztesten Kunstzweige und wurde glänzend bezahlt und geschickte und berühmte Meister sahen sich nicht nur von fern und von nah von Kunden aufgesucht, sondern von den Dichtern besungen gleich den Helden selbst. Die wertvollste und geschätzteste Mannsfahrnis waren Ross, Wehr und Waffen, und die ersten Künstler ihrer Zeit: ein Albrecht Dürer, ein Leonardo da Vinci, ein Benvenuto Cellini u. A. verschmähten es nicht, für den Waffenschmied Entwürfe zu Rüstungen oder zu deren künstlerischer Verzierung durch Damaszieren, Ziselieren, Vergolden, zu eingelegter Arbeit u. s. w. zu machen. Helm und Harnisch mussten von Meisterhand gefertigt werden gleich dem Schwert und Dolch und der Gläne oder Lanze, wenn sie den Mann recht wehrhaft machen sollten, und mit der kunstreichen zierlichen Arbeit der welschen (italienischen) Meister an Helm, Krebs, Halsberge, Brust- und Rückenpanzern Arm- und Beinschienen und dergl. wetteiferten bald die Leistungen der Augsburger, Nürnberger und Herzberger Plattner und Harnischmacher, deren Name und Ruf sich noch bis auf unsere Tage erhalten hat. Ja wenn der wackere Bürgersmann und kleine Ritter sich mit einer einzigen tüchtigen Wehre zu Schutz und Trutz begnügte, so setzte der Reiche einen Stolz darein, der Rüstungen mehrere für verschiedenen Bedarf und Gebrauch zu besitzen: leichte und schwere Rüstung, Turnierzeug, Kettenpanzer und vollständige (gotische) Rüstung von Stahl vom Kopf bis zu Fuße, de cap en pied, wie sie namentlich zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts üblich war. Jede Rüstung für sich war sozusagen ein Ehren- und Feierkleid, und der überwundene, erschlagene oder gefangene Gegner musste dem Sieger Helm, Harnisch und Wehre samt Ross als rechtmäßige Beute und Trophäe ablassen. Ja selbst nach der Einführung des Feuergewehrs erhielt sich die Rüstung noch lange, sowohl zu eigentlichem Schutz wie als auszeichnendes Ehrenkleid, wie wir denn aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dessen großen Kriegen wissen, dass die schwere Reiterei noch immer bis auf die Lenden herab in Eisen gepanzert ging, und dass Brustpanzer, Halsberge, Ringkragen und Helm lange hernach noch immer zum feierlichen mannhaften Ehrenkleide der Fürsten und Herren dienten.

In die Werkstätte eines solchen Waffenschmieds des 16. Jahrhunderts versetzt uns unser Bild Seite 38l.
Der alte Meister ist Plattner, Harnischmacher, Schwertfeger und allfällig auch Büchsenschmied zugleich, wie wir aus den Armbrüsten, Raufdegen, Stoßrappieren, Brustharnischen, Arm- und Beinschienen, Halsbergen. Krebsen, Sätteln, Halparten, Handschuhen und anderen Wehrstücken in seiner Wertstätte sehen. Vielleicht ist er auch Klingenschmied, obwohl dies Gewerbe längst zu einer eigenen, ins Große geübten Kunst sich entwickelt hatte, denn das Schmieden der Klingen aus verschiedenen Stäben von Eisen und Stahl verschiedener Härte, das Schleifen derselben mit Blutrinnen und Hohlkehlen erforderte größere Einrichtungen mit Wasserkräften und Hammerwerken. Aber sorglich untersucht der Alte die Klinge des Raufdegens, den ihm der auf der Ecke der Werkbank sitzende junge Kriegsmann überbracht hat, weil er wohl mir demselben eines jener Duelle ausfechten will, die als roher Überrest der summarischen Selbsthilfe aus der mittelalterlichen Faustrechtszeit in jenen verwilderten Zuständen noch ganz an der Tagesordnung waren. O. M.

Werkstatt eines Waffenschmiedes im 16. Jahrhunderts

Werkstatt eines Waffenschmiedes im 16. Jahrhunderts