Die Vulkanausbrüche auf den Kleinen Antillen (1902)

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1902
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Vulkanausbruch, Umwelt, Klima, Katastrophe, Aschenwolken, Lavaströme, Menschenleben, Opfer, Krater,
Vulkanische Katastrophen sind in der westindischen Inselwelt leider keine Seltenheit; eine so furchtbare Katastrophe, wie sie in der zweiten Maiwoche dieses Jahres (1902) gleichzeitig die Kleinen Antilleninseln Martinique und St. Vincent heimgesucht hat, kennt aber die ganze Geschichte dieser vulkanischen Zone nicht. Die Vernichtung der Hafenstadt St. Pierre auf Martinique durch den Ausbruch des Vulkans Mont Pelée ist überhaupt eine der folgenschwersten vulkanischen Katastrophen, welche die Weltgeschichte verzeichnet. St. Pierre war der größte Ort der Insel, die seit 1814 dauernd zu Frankreich gehört. Obgleich die Regierung den Sitz der Behörden vor einiger Zeit nach dem 22 Kilometer entfernten Fort de France verlegt hatte, war die bereits 1665 gegründete Stadt der wichtigste Handelsplatz der Insel geblieben.

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Der nahe Vulkan, dessen Krater ein kleiner See ausfüllte, galt für ungefährlich und gerade die reicheren französischen Familien hatten sich an seinen Abhängen ihre Landsitze erbaut. Die Stadt mit ihren Vororten zählte über 36.000 Einwohner, darunter über 6.000 Weiße. Von diesen allen ist bei weitem die Mehrzahl umgekommen. Wie viele sich auf die Schiffe flüchten konnten, wird man kaum erfahren, denn bis auf den französischen Dampfer „Suchet“ und ein amerikanisches Fahrzeug gingen auch sie zu Grunde. Gerade die Ausbrüche solcher Vulkane, die nach längerer Ruhepause sich wieder öffnen, sind die heftigsten. Durch die hochgradig gespannten, glühend heißen Gase und Dampfmassen im Innern wird die hartgewordene Gesteinskruste gesprengt; bei der Explosion des Mont Pelée am 8. Mai, dem kleinere seitliche Ausbrüche vorausgingen, entfaltete sich ein Luftdruck, der die feurigen Gesteins- und Aschenmassen und den glühenden Schlamm des Kratersees nicht nur mit furchtbarer Gewalt hinab in die Stadt, sondern auch weit hinaus in das heiß aufstrudelnde Meer trieb. Eine größere Zahl der Einwohner von St. Pierre konnte sich noch vor dem Hauptausbruch nach Fort de France retten, wo auch die Mehrzahl der flüchtigen Landbewohner eine Zuflucht fand; was jedoch um 8 Uhr morgens des schrecklichen Tages noch in der Stadt weilte, fiel dem Verderben anheim. Der Feuer-, Aschen- und Steinauswurf des rasenden Vulkans verbreitete sich über die ganze, durch ihre Zuckerproduktion so wertvolle Insel mit verheerender Wirkung; daher folgte der Schreckensnachricht von der Zerstörung St. Pierres bald die weitere von der drohenden Hungersnot in Fort de France. Das Weiter toben des Vulkans, aus dessen neuentstandenen Kratern sich glühende Lavaströme nach allen Richtungen hin ergossen, hielt die am Leben gebliebenen Bewohner in beständiger Panik. Erst am 10. Mai war der Hauptausbruch beendet. -- Die Katastrophe auf St. Vincent hatte einen ganz ähnlichen Charakter. Auch den alten Krater der Soufriere füllte ein See aus. Am 6. Mai begann der Berg vulkanische Regungen zu zeigen. Die eigentliche Explosion öffnete unter furchtbarem Dröhnen drei Krater, aus denen sich sechs Lavaströme ergossen. Die mit Schwefel angefüllte Luft war mit feinem Staub geladen. Den Donner hörte man im ganzen Karaibischen Meer. Auch hier vernichtete nicht nur die strömende Lava, sondern mehr noch der Regen von glühender Asche und schmelzendem Gestein weite Gebiete. Viele Pflanzungen und eine Anzahl von Dörfern wurden vollständig zerstört. Auch auf St. Vincent, das alter britischer Besitz ist, sind viele Menschenleben zu beklagen, die schon wenige Tage nach der Hauptkatastrophe auf mehr als 2000 geschätzt wurden. Glücklicherweise blieb die Hauptstadt Kingstown von ihr verschont, der Luftdruck fegte die Aschenwolken über die Stadt hin. Die Bevölkerung befand sich aber während der furchtbaren Tage in beständiger Angst, dass auch sie das Schicksal von St. Pierre ereilen werde.

Vulkan -  Frau von St. Pierre - Martinique

Vulkan - Frau von St. Pierre - Martinique

Vulkan - Ansicht von St. Pierre auf Martinique vor der Katastrophe , im Hintergrund der Mont Pelée

Vulkan - Ansicht von St. Pierre auf Martinique vor der Katastrophe , im Hintergrund der Mont Pelée

Vulkan - Der Mont Pelée auf Martinique

Vulkan - Der Mont Pelée auf Martinique

Vulkan - Die Soufrière auf St. Vincent

Vulkan - Die Soufrière auf St. Vincent

Vulkan - Kohlenträgerin auf der Insel Martinique

Vulkan - Kohlenträgerin auf der Insel Martinique