236. Der Grenzwächter.

Zu einer Zeit war großer Streit zwischen den Mecklenburgern und Pommern über die rechte Landesgrenze. Man hatte seit Jahren nicht mehr auf sie geachtet, und die ältesten Leute wußten sich nicht zu erinnern, wo sie herging. Da kam zuletzt ein ganz alter Förster, der zeigte sie an, und sagte sonder allem Zweifel: hier ist sie gewesen. Man verwunderte sich zwar, woher der Mann das so genau wissen könne; allein man glaubte ihm, nachdem er einen Eid für die Wahrheit seiner Worte geschworen hatte. Dieser Förster war aber von den Mecklenburgern mit Gelde bestochen, daß er zu ihren Gunsten aussagen mußte. Dafür traf ihn denn alsbald die gerechte Strafe. Er verfiel noch desselbigen Tages, da er geschworen, in Wahnsinn und starb eines jämmerlichen Todes. Seitdem muß er nun jede Nacht, wie ein feuriger Grenzwächter, an der Grenze auf und ab irren.

Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 75-77.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 200 bis 283