91. Pastor Cradelius.

Im Jahre 1625, zu der Zeit als die Pest in Stettin wüthete, war daselbst Prediger an der Sanct Petri-Kirche, Herr Philipp Cradelius, ein gar frommer und gottesfürchtiger Mann. Der ging eines Abends über den Heumarkt zu Stettin, um nach seinem Hause zurückzukehren; da hörte er auf einmal bei ganz stillem Wetter oben aus der Luft eine hellklingende Stimme, die rief ihm zu: Wann wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtiget. Der Prediger, als er dieß höret, blieb stehen, und fragte sonder Furcht die Stimme: Auf daß wir nicht mit der Welt verdammet werden, wo bleibt das? – Er bekommt aber keine Antwort, und merkt nun wohl, was die Stimme zu bedeuten habe. Und so wie er sich dieß gedacht hatte, so geschah es auch. Er war damals noch frisch und gesund; allein so wie er heim kommt, legt er sich hin und stirbt. Sein Töchterchen Martha, von eilf Jahren, als sie höret, daß ihr Vater todt sey, sagt sie: das sey Gott geklagt, ist mein Vater todt, so tröste Gott uns arme Kinder! geht damit, da sie doch zuvor ganz gesund war, weinend liegen, wird krank, und ist des Morgens todt. Das andere Töchterlein Sophia kommt sodann spielend zu Hause, und legt sich gleichfalls und stirbt. Bald darauf folgt ihm auch sein Sohn Philippus. Also nimmt der Vater seine zwei Töchter und seinen Sohn mit sich in das Grab hinein.

Micrälius, Altes Pommerland II. S. 117. 118.
Historische Nachricht von den alten Einwohnern in Pommern, von Christian Zickermann, S. 63.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99