73. Das Spiel zu Bahne.

Der Flecken Bahne war ehedem eine gute, feste Stadt. Als diese noch in ihrem Flor war, da hat man alle Jahre daselbst die Passion gespielt, und es ist derohalben viel Volk, fremdes und einheimisches, dahin gekommen. Das hat aber zuletzt ein trauriges Ende genommen. Denn wie man denn auch also die Passion aufführte, da begab es sich, daß derjenige, der Jesus sollte sein, und derjenige, so den Hauptmann Longinus vorstellen sollte, Todfeinde waren. Und als nun Longinus den Jesus mit dem Speer auf die Blase von Blut, so nach Art des Spiels bei ihm zugerichtet war, stechen sollte, stach er ihm den Speer durchweg ins Herz hinein, also daß er von Stund' an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. – Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne.

Kantzow, Pomerania, II. S. 463.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99