63. Die Kirche zu Gingst.

In dem Dorfe Gingst auf Rügen war bis vor etwa hundert Jahren eine uralte schöne Kirche, die von starkem Gemäuer aufgeführt war, große Schwibbogen und eine sehr hohe Turmspitze hatte. Sie ist seitdem von einem heftigen Sturm und Donnerwetter zum größten Teil in einen Schutthaufen verwandelt worden. Diese Kirche ist schon zu Zeiten des Rügischen Fürsten Jaromar I. erbauet. Sie sollte damals an einer anderen Stelle aufgerichtet werden, nämlich auf dem Berge hinter dem Dorfe Volgewitz, gerade gegen die Insel Ummanz über, in Betrachtung, dass man dieses Ländlein dem Kirchspiel füglich könne mit einverleiben. Zu dem Ende hatte auch der Abt zu Pudgla, als der Stifter der Kirche, das Bildnis des heiligen Jacobus, dem zu Ehren sie sollte eingerichtet werden, auf jenem Berge schon aufrichten lassen. Allein am anderen Morgen fand man das Bild dort nicht mehr, sondern es hatte sich von selbst nach Gingst auf den Weg gemacht, und dort stand es an derselben Stelle, wo sich jetzt die Kirche befindet. Es wurde zwar nach dem Berge zurückgebracht; als es aber noch zu dreien Malen von selbst sich wieder nach Gingst begeben hatte, da erkannte man den Willen des Himmels, dass hier die Kirche stehen solle. Um solchen Wunderwerkes willen wurde nun die Kirche zu Gingst erbauet.

Altes und Neues Rügen, S. 236.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99