56. Drei hohe Häupter auf dem Darß.

Zur Zeit der Belagerung von Stralsund, im Anfange des vorigen Jahrhunderts, verließen einmal der Kaiser Peter der Große von Rußland, der König August von Polen und der König Friedrich IV. von Dänemark auf einige Zeit die Belagerung, um sich auf dem Darß mit der Jagd zu vergnügen. Sie nahmen Quartier in dem Jagdhause zu Born, und es gefiel ihnen allda so gut, daß sie schon über vierzehn Tage verweilt hatten und wahrscheinlich noch länger würden geblieben sein, wenn sie nicht in große Gefahr gerathen wären. Der König Stanislaus Leszcynski nämlich, der zu derselben Zeit in Stralsund commandirte, hatte Nachricht bekommen, daß die drei hohen Häupter sorglos und ohne alle Bedeckung zu Born seien, und nur an die Jagd dächten. Er ließ daher ganz in der Stille vierzig Reuter von Rügen nach Pram-Ort übersetzen, mit dem Befehle, die Monarchen des Nachts in ihren Betten zu Born zu überfallen und gefänglich nach Stralsund einzubringen. Die Reuter landeten auch glücklich auf dem Zingst und jagten nun in vollem Galop nach Born zu. Als sie aber an den Prerow-Strom kamen, erblickte sie von ungefähr ein Darßer; der merkte, was sie vorhaben könnten, und warf sich geschwinde auf ein Roß, die Monarchen von ihrer Gefahr zu benachrichtigen. Diese verließen darauf in größter Eile und Verwirrung ihre Betten, und bestiegen ein kleines Boot, auf welchem sie glücklich entkamen, so daß die Schwedischen Reuter, als sie zu Born anlangten, ein leeres Nest fanden. Man sagt, Stanislaus Leszcynski sei selbst mit den vierzig Reitern gewesen. Nach Einigen soll sogar Karl XII. an ihrer Spitze gewesen sein, was aber wohl nicht möglich ist, denn Karl langte erst am 22. November 1714 von Bender vor Stralsund an, und damals war Peter der Große nicht mehr bei der Belagerung.

Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 68. 69.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99