47. Herzog Bogislav X. und die Türken.

Als Herzog Bogislav zu einer Zeit allenthalben im Lande Frieden hatte, nahm er sich vor, daß er Jerusalem und das heilige Grab sehen wollte. Sein Gemahl wehrte dasselbe zwar mit allem Fleiß, und bat ihn herzlich, daß er sie und seine kleinen Kinder nicht wolle verlassen. Auch seine Räthe und ganze Landschaft riethen ihm davon ab, und baten ihn sonderlich, so er denn ja des Sinnes wäre, in das heilige Land zu ziehen, so möge er noch warten, bis daß seine jungen Herrlein etwas erwachsen seien. Aber das half Alles nichts: er hatte einmal das Gemüthe, daß er die Reise unternehmen mußte. Da sie denn nun das gesehen, daß er sich nicht wollte bereden lassen, ließen sie es geschehen, und bewilligten ihm auch eine stattliche Hülfe, indem sowohl die Geistlichkeit, die Grafen und die Herren von Adel, als auch die Städte von ihren Landgütern, das halbe Einkommen von einem Jahr, und außerdem die Städte von ihren Häusern und anderen Gütern noch eine besondere Schatzung ihm gaben. Solches Geld wurde auf zwei Jahre eingenommen, und durch die Rentemeister in Gold verwechselt, damit es leichter zu transportiren wäre.

Darauf zog nun der Herzog Bogislav im Jahre 1496 auf den Tag Luciä von Stettin aus, durch die Mark über Nürnberg nach Venedig, wo er sich bis Pfingsten des anderen Jahres aufhielt, und dann zu Schiffe nach dem heiligen Lande absegelte.


Auf dem Meere begegnete ihm und den Seinen ein seltsames Abenteuer. Eines Tages nämlich sahen sie von ferne, daß unter des Türken Lande wohl an neun Schiffe sich erhoben, darunter zwei gar große, zwei Galeeren und fünf kleinere, darin zusammen wohl bei zweitausend Türken waren. Dieselben setzten am Freitage nach Petri und Pauli gerade auf des Herzogs Schiff an, und fragte den Patron, was für Leute im Schiffe wären. Denen antwortete der Patron, die Galeere seie von Venedig und fahre Pilgrimme, die nach dem heiligen Lande wollten, zeigte ihnen auch seinen Brief und bat sie, ihn sicher ziehen zu lassen. Das waren die Türken aber nicht Willens, denn sie waren keine rechte Kriegsleute, sondern Meerräuber; sie drängten daher nach der Galerre, und beringten sie um und um und warfen Leitern und Ankerhaken an, und wollten die Galeere ersteigen.

Als das Herzog Bogislav und die Seinen sahen, griffen sie zur Wehre, und es schrie Einer den Andern an, daß sie sich nicht ergeben sollten. Weil sie aber gar keine andere Waffen hatten denn Schwerter und Spieße, so nahmen sie ihre Matratzen und Koller und banden sie gegen das feindliche Geschütz um den Kopf, die Töpfe und Kessel gebrauchten sie als Pickelhauben, und die Hauptbretter von den Betten als Schilde. Nur der Herzog Bogislav allein hatte einen ordentlichen Schild. Also wehrten sie sich mannhaft gegen die Türken, daß diese nicht in das Christenschiff gelangen konnten, und der Kampf wurde so wüthend, daß der Herzog in Kurzem in seinem Schilde vierzehn Pfeile stecken hatte.

Unter den Räubern war aber ein großer, starker Türke; derselbe machte sich vor Anderen an den Herzog Bogislav, weil auch dieser ein gewaltiger, großer Mann war, und setzte ihm mit aller Macht zu. Der Herzog verwundete ihn indeß mehrmalen und stieß ihn zuletzt ins Wasser. Der Türke war jedoch ohne Zweifel ein Erzmeerräuber, denn er wußte geschickt zu schwimmen und zu klimmen, und war bald wieder auf der Galeere und auf den Herzog eingedrungen. Der theure Held Bogislav war gerade auch von Anderen beringet und hatte große Noth; daher er denn so heftig um sich schlug, daß auf einmal sein Schwert entzwei ging, und er nun ohne alle Wehre war. Da drangen die Türken und in sonderheit jener große, mit neuer Macht gegen ihn an und wären ihm überhand geworden; aber es sprangen ihm schnell zur Hülfe Herr Christoph Polinski, Herr Peter Podewils, und des Herzogs Kammerknecht, Valtin von Nürnberg. Die empfingen die Streiche für den Herzog, also daß der brave Edelmann Christoph Polinski erschlagen wurde, und Herr Peter Podewils einen Pfeil unter dem linken Auge in den Kinnbacken geschossen bekam; Valtin von Nürnberg aber erhielt so viele Schläge und Schüsse, daß er für todt niederfiel.

Unterdeß war Herzog Bogislav behende gewesen, und hatte in Ermangelung eines Schwertes einen Bratspieß genommen, an dem noch Hühner aufsteckten, die man gerade braten wollen. Mit demselben lief er den Seinen wieder zu Hülfe, und wie er seine Getreuesten erschlagen sah, da ergrimmte er in seinem Gemüthe, und er wollte sie rächen oder auch sterben, und er stach zuerst den großen Türken durch und durch, daß er ins Wasser fiel, und schlug und stach dann unter die Andern so feindlich, daß er sie über Bord zurück schlug. Darüber bekamen seine übrigen Gefährten wieder neuen Muth, und setzten desto heftiger gegen die Türken und trieben sie Alle wieder aus der Galeere.

Auf einmal fingen, jetzt die Türken an, Feuer in die Segel zu schießen, und in die Galeere Feuerbälle zu werfen, also daß diese an allen Seiten brannte, und während nun die Christen genug zu thun hatten, das Feuer mit Wasser und mit Wein zu löschen, setzten die Heiden von Neuem mit Schießen und Schlagen ungeheuerlich gegen sie an. Solcher Uebermacht konnten die Christen zuletzt nicht mehr widerstehen, und sie sahen nichts anders mehr vor sich, denn daß sie Alle sterben müßten. In dieser Noth riefen sie laut den Himmel an, daß er ihnen helfen möge gegen das fressende Feuer und den grimmigen Feind. Und wie sie so beteten, da ließ überplötzlich der Oberste der Türken in seinem Schiffe abblasen und die Seinen vom Streite zurück fordern, und zogen Alle eilig von dannen, und ließen die Christen ohne alle fernere Anfechtung.

Was die Ursache gewesen, daß die Türken so plötzlich sich zurückgezogen, das hat man niemals erfahren können, obgleich Etliche sagen, indem die Türken das Feuer in die Galeere geworfen, habe der Türken Oberster Christum und Mahomet oben im Schiffkorb gesehen, und wie Christus den Mahomet hart gegeißelt, worauf dieser dem Obersten befohlen, daß er von Stund' an den Christen Frieden lasse. Dem sey nun so oder nicht; aber gewiß ist, daß Alle erkannten, wie sie nur durch ein Wunder errettet wären.

Kantzow, Pomerania, II. S. 223-239.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99