23. Die Bekehrung von Wolgast.

Im Jahre 1128, also nach vierjähriger Abwesenheit, kam der heilige Bischof Otto von Bamberg zum zweiten Male nach Pommern, um den christlichen Glauben dort, wo er während seiner Abwesenheit zu schwanken angefangen hatte, von Neuem zu befestigen, in anderen Gegenden des Landes aber, wohin er bisher noch nicht gedrungen war, ihn auszubreiten. Der Bischof begab sich zuerst nach Demmin, und von da nach Usedom, wo der Fürst Wartislav einen allgemeinen Landtag der Pommern ausgeschrieben hatte. Auf diesem Landtage wurde berathen, ob der christliche Glaube jetzt für das ganze Pommerland sollte angenommen werden. Viele Grafen und von Adel wollten das nicht. Aber nachdem St. Otto selbst mit ihren heidnischen Pfaffen gar herrlich disputirt hatte, ergaben sie sich Alle darein, das Christenthum anzunehmen.

Darauf zog St. Otto zuerst nach der Stadt Wolgast, die noch im Heidenthum lag, um sie zu bekehren. In dieser Stadt war damals ein heidnischer Pfaff, dem es nicht gefiel, daß die Wolgaster sollten Christen werden. Als daher das Gerücht kam, St. Otto werde von Usedom zunächst nach Wolgast ziehen, begab er sich in der Nacht in einen dichten Busch im Walde Zitz auf dem Lande Usedom, und zog an sein weißes Kirchengewand. Und als früh Morgens ein Bauer vorbei kam, der Holz holen wollte, da rief er ihm zu mit hohler Stimme, er sei Barovit, der Gott der Wolgaster, der ihnen alles gebe, was sie bedürften; nun kämen aber Fremde ins Land, die wollten einen anderen Gott bringen; derohalben sollte er, der Bauer, den Wolgastern sagen, daß sie den neuen Gott nicht annähmen, auch seine Boten nicht in die Stadt nähmen, und wenn sie doch hineinkämen, nicht am Leben ließen; dafür wolle er ihnen in allen Sachen zur Hülfe sein. Damit macht sich der Pfaff eilends davon.


Der arme Bauer war sehr erschrocken, denn er meinte nicht anders, als daß er den Gott selbst gesehen und gehört hätte. Er ging in der Stadt und verkündete den Bürgern, was geschehen war. Die glaubten ihm leichtlich, und als nun der Pfaff, der geschwinde zur Stadt zurück gelaufen war, auch herzukam, und sich stellend, als wisse er von nichts, sich den Vorfall erzählen ließ und darüber ein großes Geschrei erhob, da faßten sie Alle einen großen Eifer, und schworen mit Hand und Mund, wo der Bischof oder Einer seiner Gesellen in die Stadt käme, dem wollten sie straks den Kopf entzwei schlagen.

Unterdeß hatte St. Otto zwei Priester, Namens Ulrich und Albinus, weggeschicket, daß sie vor ihm her nach Wolgast gehen sollten. Die schlichen sich in die Stadt und begaben sich in das Haus des Vogts, der aber verreiset war. Als die Frau des Vogts von ihnen erfuhr, daß sie Christen wären, da erschrak sie sehr, und sagte ihnen, was die Bürger gegen sie beschlossen hätten, und bat sie wieder umzukehren. Das wollten die Priester indessen nicht, weil St. Otto bald kommen werde. Die Frau verbarg sie daher in ihrer Angst oben auf dem Söller. Nicht lange danach kamen die Bürger, welche schon erfahren hatten, daß zwei Christen in des Vogts Haus gegangen wären, und suchten sie, um sie zu erwürgen. Denen sagte aber die Frau, daß die fremden Männer wohl bei ihr gewesen, aber da sie sie nicht hätte herbergen wollen, schon längst wieder aus der Stadt gegangen seien. Also wies sie die Bürger ab, und verbarg die beiden Priester, bis nach einigen Tagen der Bischof Otto mit dem Fürsten Wartislav und großem Gefolge ankam.

St. Otto predigte nun den Wolgastern das Evangelium, weil unter dem Schutze des Fürsten die Heiden ihm nichts anhaben konnten. Doch hatte er anfangs wenigen Erfolg. Da trug es sich eines Tages zu, daß Einer aus seinem Gefolge allein ausging, um die Stadt und die Kirchen zu besehen. Wie der so spatzieren ging und die Bürger das sahen, da liefen sie zusammen und sprachen unter sich: Sehet da, da geht er und erspähet unsere Kirchen, wie sie die abbrechen und niederreißen mögen. Sollen wir das leiden? Also folgten sie drohend dem Christen nach, in eine Kirche, in welche er bereits gegangen war, und umringten ihn und wollten über ihn herfallen. Da gerieth dieser in großen Schrecken, und wie er keine andere Errettung sah, ergriff er in seiner Angst einen Schild, der in der Kirche dicht bei dem Bilde des Götzen Barovit hing. Dieser Schild war groß und schön, und mit goldenen Gurten überzogen; er gehörte dem Gott Barovit, und es durfte ihn Keiner anrühren, außer der oberste Priester des Gottes in der Zeit, wenn es Krieg war. Mit diesem Schilde bedeckte er sich und lief damit nach der Thüre zu. Da solches die Bürger sahen, entsetzten sie sich über den Frevel, daß Einer, und zumal ein Christ, es wagte, den heiligen Schild des Gottes in seine Hand zu nehmen, und sie ließen von ihm ab, aus Furcht, selbst den Schild anzurühren und vermeinend, der Gott werde den Frevler augenblicks erschlagen. Der aber kam, zwar mit großer Angst, aber wohlbehalten zu dem Bischofe zurück.

Ueber Solches fingen die Bürger an, den Glauben an ihre Götter zu verlieren, und sie bekehrten sich zuletzt Alle zu dem christlichen Glauben.

Kantzow, Pomerania, I. S. 117-121.
Cramer Gr. Pomm. Kirch. Chron. I. S. 52-55.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 152.
Kanngießer, Pomm. Gesch. S. 725-732

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen von Pommern und Rügen. 1 bis 99