42. Die beste Religion.

In der Altmark, nicht gar weit von Salzwedel, liegt das Kloster Distorf, welches eins der ältesten Klöster ist, und schon im Jahre 1161 bei Lebzeiten Markgrafen Albrechts des Bären gestiftet wurde. Es waren etliche Jungfrauen darin, nach der Regel des heiligen Augustinus. Zur Zeit der Reformation lebten darin zwei Schwestern, Elisabeth und Ursula von Ritzebüttel, die konnten nicht schlüssig werden, welches die beste Religion sei, das Papstthum oder die neue Lehre Luthers. Da beredeten sie sich zuletzt, wenn eine von ihnen zuerst sterbe, so solle sie der anderen Bericht thun, welche von beiden Religionen die beste sei, zu derselben wolle sich nachhero die andere halten. Als es sich nun traf, daß einige Zeit darauf Elisabeth zuerst mit Tode abging, fand sich auch alsbald ein Geist in ihrer Gestalt bei der Ursula ein, und antwortete auf Befragen, ob sie selig worden? – die Worte: "kuhm, kuhm!" d.i.: kaum, kaum! – Darauf beschloß denn Ursula, die Religion zu verändern. Als sie aber zur Kirche gehen wollte, um ihr Glaubensbekenntniß öffentlich abzulegen, und bis in die sogenannte Kluft gekommen war, einen finsteren Eingang vom Kloster in die Kirche, da erhielt sie auf einmal von einer eiskalten, unsichtbaren Hand eine derbe Maulschelle. Sie versetzte indeß: "Dadurch lasse ich mich nicht irren!" und ging muthig fort und setzte ihren Vorsatz in Ausführung. Ihrem Beispiele folgten jetzt die anderen Nonnen des Klosters, welches auf solche Weise nun ganz evangelisch wurde.

Beckmann histor. Beschreibung v. Brandenburg. Th. 5. Buch 1. Cap. 10. S. 154. 155.
Ueber die Altmark. II. S. 202.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen der Altmark