35. Der bestrafte Meineidige.

In der Stadt Salzwedel lebte einst ein Mann, der hundert Dukaten geborgt hatte. Als nun die Zeit des Wiederbezahlens kam, und sein Gläubiger ihn mahnte, da läugnete er frech und standhaft ab, auch nur einen Pfennig empfangen zu haben. Er wurde deshalb auf das Rathhaus gefordert, und hier wurde von ihm ein Eid verlangt, daß er kein Geld erhalten oder daß er es seinem Gläubiger zurückgegeben habe. Der böse Schuldner hatte das vorhergesehen, und er hatte daher listiger Weise die hundert Dukaten in seinem Spazierstock eingespundet. Diesen nahm er so mit auf das Rathhaus, und weil er nicht falsch schwören wollte, sondern sein Gewissen dadurch zu retten glaubte, so bat er seinen Gläubiger, ihm während des Eides den Stock zu halten. Darauf schwur er mit großer Frechheit, daß er das Geld ehrlich zurückgegeben habe, und sein Gegner wurde mit der Klage abgewiesen. Aber die Strafe ereilte den Meineidigen auf der Stelle. Denn wie er nun zu seinem Hause zurückkehrte, da begegnete ihm ein Müllerwagen, vor dem die Pferde scheu geworden waren. Der überfuhr ihn, daß ihm die Räder über den Leib gingen, und er sofort starb. Auch sein Stock wurde durch das Ueberfahren zerbrochen, und als aus demselben die Dukaten herausfielen, da wurde der Betrug offenbar, und ein Jeder erkannte die Strafe des Himmels. In der Catharinenkirche auf der Neustadt zu Salzwedel findet man diese Geschichte abgebildet.

Pohlmann Gesch. der Stadt Salzwedel. S. 204. 205.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen der Altmark