Die heilige Eiche zu Romove.

In dem Lande Preußen, da wo nachher das Kloster der heiligen Dreifaltigkeit stand, war vor Zeiten eine berühmte preußische Stadt, die hieß Romove. Den Namen hatte sie daher: die alten Preußen hatten einen Feldzug nach Rom gemacht; als sie nun zurückkehrten, bauten sie eine neue Stadt, welche sie, zum Andenken an die Stadt Rom, Roma nova nannten. Daraus entstand nachher der Name Romove. In dieser Stadt stand eine uralte Eiche, welche vor allen heiligen Eichen des Preußenlandes besonders in Ehren gehalten wurde, und unter welcher sie ihre vornehmsten Götter anbeteten. Dieselbe Eiche ist 6 Ellen dick zwergüber gewesen, oben sehr breit, und so dicht, daß weder Schnee noch Regen hat hindurchdringen können. Was aber am meisten zu verwundern war, so ist sie im Winter und Sommer grün geblieben. Um sie her waren gezogen seidene Vorhänge, 8 Ellen hoch; diese wurden von den Waidelotten oder Priestern nicht abgezogen, es sei denn an den größten und vornehmsten Festtagen, oder wenn von weit her ein vornehmer Preuße mit reichen Opfern gekommen war. Die Götter, welche dort verehrt wurden, waren drei, und hießen: Perkunos, Pikollos und Potrimpos; Perkunos war der vornehmste, der Gott des Donners, er war von mittelmäßigem Alter, sein Bart und Haar waren kraus und schwarz, mit Feuerflammen gekrönet, das Angesicht war feuerroth, aufgeblasen und zornig. Pikollos war der Gott des Todes; er war ein alter langer Mann mit einem grauen Barte; das Gesicht von bleicher Todtenfarbe, das Haupt mit einem Tuche umwunden; er schaute von unten nach oben. Potrimpes war der Gott des Getreides und des Krieges. Er war ein junger Mann und schaute das Bild des Perkunos an mit einem fröhlichen lachenden Gesichte; er hatte keinen Bart, sein Gesicht war mit Kornähren gekrönt. Die Götter wurden verehrt mit allerlei Gaben und Geschenken; das angenehmste Geschenk war ihnen das Blut der Feinde, vornehmlich der Christen; und wenn ein Christ in das Innere der seidenen Vorhänge und das Angesicht der Götter geschaut hatte, so waren diese den ihrigen nicht früher wieder zum Heile, als bis ihnen das Blut desselbigen Christen geopfert war. Die Eiche selbst war so heilig, daß ein Mensch oder sogar ein Stück Vieh, welches von ihren Blättern eins am Halse trug, dadurch allem Unglücke entging. Sie hat noch lange zu des Ordens Zeiten gestanden, und die Preußen beteten sie noch heimlich an, selbst nachdem sie Christen geworden waren. Derohalben ließ auf Bitten des Bischofs von Ermeland, der Hochmeister Winrich von Knipprode durch den Obersten Heinrich von Schnidekopf sie umhauen. Aber wie nun auch die Eiche zerstört war, da wollte doch noch lange von dem Platze das Blut nicht weichen, welches von den vielen daselbst geopferten Menschen herrührte, und man hörte, wahrscheinlich auf Anstiften des Teufels, der die Preußen wieder zum Heidenthume verführen wollte, gar oft um denselben Ort grausame Ungewitter, Donner und Blitz und ein Sausen und Stürmen, als wenn die Zweige und das Laub der Eiche noch weheten. Dabei ließen sich allerlei unförmliche und schreckliche Gestalten blicken, welche bald aussahen wie Menschen, bald wie Waldmänner, bald wie Drachen oder Schlangen oder Feuer. Da ließ endlich Petrus Nugel von Sohr auf dem Orte das Kloster der heiligen Dreifaltigkeit bauen. Doch auch jetzt wollte der Satan, der dort durch die Abgötzen herrschte, aus seinem Sitze sich nicht vertreiben lassen, und er trieb in dem neuen Kloster allerlei Spuk und Rumor, hoffend dadurch die Diener Gottes zu erschrecken und zu verjagen, daher man genöthigt worden, einen Teufelsbanner aus Deutschland zu verschreiben, welcher dem Satan das Handwerk legen möchte. Dieser Teufelsbanner verfertigte aus reinem Golde ein Cruzifix, etwa eines Fingers lang, und einen dreieckigen Ring, auf welchen er vielerlei Worte einschrieb; beides vergrub er unter den Eckstein der Kirche. Seitdem hatte der Teufel und seine Abgötzen an jenem Orte keine Gewalt mehr, und es war Ruhe im Kloster und in der Gegend.

Die Stadt Romove ist schon lange zerstört; auch das Kloster und die Kirche zur heiligen Dreifaltigkeit sind zertrümmert. Als aber im Jahre 1708 der Herr von Killitz zu Groß -Waldeck, dem das Land gehörte, einige Mauerstücke des zertrümmerten Klosters abbrechen ließ, hat man das Cruzifix und den Ring unter den Trümmern gefunden. Der Herr von Killitz schenkte sie der Stadt Königsberg; die Worte, so auf den Ring geschrieben, kann niemand verstehen.