Abschnitt. 5

Für die frühere Ordenszeit ist Hauptguelle Peter von Däsburg, selbst noch Zeitgenosse des Kampfes mit den Urbewohnern; für die spätern sind es Simon Grunau, Lucas David und Caspar Schütz; der Erstere aus der Zeit, wo das Land zur weltlichen Herrschaft überging, die beiden andern wenig später. Simon Grunau ist aber in Bezug auf seine Glaubwürdigkeit, besonders in der neuesten Zeit, mit so bittern Vorwürfen und in dem Grade überhäuft, daß man alles das, was sich an Volkssagen bei ihm findet, geradezu für seine bloßen Erdichtungen erklärt hat, daß er auch nicht einmal hier als Gewährsmann genannt werden könnte, wenn nicht der eine der Herausgeber dieser Sammlung es bereits in einer besonderen Schrift versucht hätte, Grunau’s Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Beziehung zu rechtfertigen. Daß dieselbe von dem Geschichtsforscher nur mit großer Vorsicht benutzt werden darf, ist nicht zu läugnen, aber gerade das, was für diesen seinen Werth schmälert, der gänzliche Mangel an Kritik, verleiht ihm einen um so bedeutenderen für den Sammler von Volkssagen. Wäre Simon Grunau bei der Zusammenhäufung seines Materials, denn viel mehr hat er nicht gethan, mit mehr Umsicht, Besonnenheit und Sichtung zu Werke gegangen, so würde er schwerlich eine solche Ausbeute an Volkssagen gewähren.

Etwas Ähnliches gilt von Henneberger, dem Hauptschriftsteller für das sechszehnte Jahrhundert; da es ihm selbst keine Mühe kostete, die allerwunderbarsten Dinge für wahr zu halten, so stand er auch nicht an, sie aufzunehmen. Seine ganze Persönlichkeit leistet unbedingt Gewähr, daß auch nicht die unbedeutendste seiner Erzählungen sein eignes Machwerk sei. Die Reisen, die er Behufs Anfertigung seiner großen Ländtafel durch alle Gegenden des Landes unternahm, brachten ihn mit den verschiedensten Personen in Berührung. So erklärt sich die große Anzahl volksthümlicher Erzählungen, die sich bei ihm findet.


Einen geringeren Werth hat Löwe; theils ist er in seinen Nachrichten überhaupt weniger eigenthümlich, theils macht ihn seine Stellung in der katholischen Kirche ,als Kanonikus zu Guttastadt etwas verfänglich. An Leichtgläubigkeit giebt er jedoch Simon Grunau und Henneberger wenig nach.

Die Ausbeute aus den übrigen älteren Historikern, Johannes von Riesenburg, der Ordenschronik, ber Daubmannschen und Dietmarschen Chronik, Maissel u. s. w., ist gering; doch sind auch sie berücksichtigt worden.

Bald nach Löwe, namentlich mit Hartknoch, beginnt die kritische Bearbeitung der preußischen Geschichte: die Volkssagen wurden daher auch als etwas Ungehöriges bei Seite geschoben, und nur selten findet sich noch eine beiläufige Andeutung.

Überall, wo wir einen Vorgänger hatten, haben wir ihn genannt. Dies schien durchaus nothwendig, um der Beurtheilung den erforderlichen Standpunkt anzuweisen. Es kam natürlich nicht darauf an, alle Schriften, in welche die Erzählung schon hinübergenommen, anzuführen; nur die ersten voneinander unabhängigen Gewährsmänner mußten angegeben werden.

Die zweite Hauptquelle war die mündliche Ueberlieferung; sie möglichst zu benutzen, haben sich die Sammler nach Kräften angelegen sein lassen. Hier konnte wan auch bei der Auswahl minder schwierig sein. Denn theils war der volksthümliche Ursprung hier unzweifelhaft, theils schien auch selbst das Unbedeutende um deshalb der Aufnahme werth, weil es außer dem Kreise seiner bisherigen Umgebung noch ganz ungekannt war, und weil sonst bei der geringen Anhänglichkeit, die jetzt das Volk für dergleichen Ueberlieferungen der Vorzeit, von deren Wahrheitsmäßigkeit es meist nicht mehr überzeugt ist, hegt, sein baldiges gänzliches Erlöschen zu befürchten steht. Alle die Sagen in unerer Sammlung, bei denen keine Quelle angeführt ist, und dem Munde des Volkes unmittelbar entnommen.

Einer besonderen Erwähnung bedarf noch der Anhang, der eine Sammlung verschiedener abergläubischer Meinungen enthält. Soll von dem Volkauben ein vollständiges Bild entworfen werden, so können auch sie nicht fehlen; man kann sie als die Dogmatik der Sage betrachten; in so enger Verbindung sie aber auch mit der letzteren stehn, deren Basis sie gewissermaßen bilden, so ließen sie sich doch in deren einzelne Rubriken nicht unterbringen. Vieles stammt gewiß noch aus vorchristlicher Zeit, es ist aber mit dem Späteren so zusammengeflossen, daß man es nicht mehr zu sondern und bis zur ursprünglichen Quelle zu verfolgen vermag. Zwar hat nur wirkliches Eigenthum gerade der Bewohner Preußens Aufnahme erhalten, aber bei Vielem ist es wahrscheinlich, bei anderem sogar gewiß, daß es nicht auf dessen Gränzen, selbst nicht auf die Deutschlands beschränkt ist. - So mag das Gelieferte denn ein Beitrag zu einer allgemeinen Darstellung des Volksglaubens bei den Völkern des Abendlandes sein. Erst durch Erweiterung und Vergleichung wird es seine wahre Bedeutung erhalten. Schriftliche Quellen boten hier wenig; dem Munde des Volkes unmittelbar wurde das Meiste entnommen kein Theil unserer Sammlung wird aber auch so sehr wie dieser der Vervollständigung bedürfen.

So wie wir uns dem Inhalte nach unbedingt an unsere Quelle halten zu müssen und von dem Unsrigen, da es kein Werk der bloßen Unterhaltung galt, auch nicht das Mindeste beifügen zu dürfen glaubten, so sind wir auch rücksichtlich der Form von unsern Gewährsmännern möglichst wenig abgewichen; wo es ohne Anstoß geschehen konnte, sind selbst die Worte, wenn auch abgekürzt, beibehalten. Bei Übertragungen aus fremder Zunge und bei den früher noch nicht mitgetheilten Sagen, bemühten wir uns in möglichster Einfachheit und Schmucklosigkeit das Überlieferte wieder zugeben.