Erste Fortsetzung

Welche erniedrigende Rolle manche Schulbehörden der Schule z. B. zuweisen, das lehrt ein preußischer Schulrat in seinen Bemerkungen zu den Regulativen, worin er in wunderbarer Naivität begeistert ausruft: „In der Geschichte sind die Lehrer Preußens in einer vielbeneideten Weise bevorzugt. Preußen hat eine Geschichte „ohne Gleichen,“ eine Regenten sind Helden, sind Weise, sind Väter auf dem Thron; die Führungen Gottes sind in der Folge der Ereignisse unverkennbar ausgeprägt.“ Ein Lehrer, der diese Behauptungen, welche den Vergötterungen römischer Kaiser durch servile Schriftsteller nicht unähnlich sind, in der preußischen Geschichte nachweisen wollte, müsste dies entstellen. Hohenzollern kauften das Land, nahmen den Städten dann ihre wohlbegründeten Rechte, der große „fromme“ Kurfürst verjagte den frommen Gerhardt, weil diesem sein Gewissen nicht erlaubte, deshalb die Konfession zu wechseln, weil es der Kurfürst getan hatte in Folge der Ohrfeige, die er dem Pfälzer Schwiegervater zu Jülich gab. Derselbe Kurfürst nahm den preußischen Ständen mit roher Gewalt ihre Rechte, ließ deren Vertreter durch Militärbanden in Warschau überfallen und als Hochverräter behandeln, weil sie wohlerworbene Rechte wahren wollten; er verband sich treulos mit Schweden gegen seinen Lehnsherrn, den König von Polen, und als die Geschichte übel ablief, stand er den Polen gegen Schweden bei. Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich roher Despot, der mit Hilfe des Rohrstocks und des Tabakskollegiums regierte, Kunst und Wissenschaft bei jeder Gelegenheit öffentlich verhöhnte. Friedrich II. ließ sich von Geisterbeschwörern und Weibern regieren, machte den Geisterbeschwörer Wöllner zum Kultusminister, Friedrich Wilhelm III. ließ durch Dragoner die Schlesier zur Union zwingen, versprach in der Zeit der Not Reichsstände und Verfassung, kerkerte aber hernach auf Grund russischer Denunzianten durch die Demagogenhetzerei diejenigen ein, die ihm Thron und Land wiedergewinnen halfen. Welche Heldentaten und Weisheiten vollbrachte Friedrich I. ? Waren Friedrich Wilhelm I. und II. Weise auf dem Thron? Freilich die Gräuel der Seligmacher in Böhmen zur Zeit des dreißigjährigen Krieges und die Dragonaden unter Ludwig XIV. darf der preußische Lehrer wissen, aber die Verfolgungen der protestantischen Freunde, der Deutschkatholiken und freisinnigen Professoren unter Friedrich Wilhelm IV. soll der Lehrer nicht wissen!

Sei man doch offen und ehrlich und sage: die Schule soll sich um Tendenzpolitik nicht kümmern. Politik ist Angelegenheit der Männer und wandelbar; heute herrscht dieses System, morgen eine neue, und über morgen die allerneueste Ära; heute droht man mit Heeresmacht die verletzte Verfassung im Nachbarstaate zu schützen, und morgen verletzt und zerfetzt man im eigenen Lande die beschworene Verfassung. Dies Alles gehört nicht in die Schule; sie soll nur die allgemeinen menschlichen Bildungsinteressen bewahren; aber eben deshalb soll sie ein von der persönlichen Staatsregierung unabhängiges Organ des Volkslebens sein, so unabhängig, wie es das Gericht ist. Die Staatsbehörden sollen die Schule beaufsichtigen, ob sie sich streng innerhalb der gesetzlichen Schranken hält und ihre Pflicht tut, aber sie sollen ihr keine Gesetze aufdrängen, noch die Lehrer wegen andrer Dinge beaufsichtigen, als solcher, welche direkt zur Amtsführung gehören. Man muss dies fordern, nicht aus Feindschaft gegen den Staat oder in der Absicht, zügellos gegen den Staat wirken zu können, sondern der Schule wegen, damit sie nicht auf Abwege kommt und sich Aufgaben aufbürden lässt, die ihr nicht zukommen. England, Belgien und Amerika haben keine Staatsschulen und doch eine intelligente Bürgerschaft, und man hat nie gehört, dass dort von den Schulen eine Revolution ausgegangen wäre, wogegen sich in Frankreich, Russland, Österreich und Preußen mit ihren Staatsschulen gerade die Jugend am eifrigsten beim Bau der Barrikaden beteiligte. Auch braucht die Staatsregierung nicht zu besorgen, dass die freie Schule der Sammelplatz der schlechten Gesinnung sein werde, denn sie steht ja mitten in der Gemeinde, welche, wenn sie selbst nicht unzufrieden ist mit der Staatsverwaltung, nicht dulden wird, dass die Schulen die Jugend unzufrieden macht; ist aber die Gemeinde unzufrieden, so kann die Schule sie nicht umstimmen.


Die Schule soll demnach keine Anstalt im ministeriellen Sinne sein, sondern eine Bildungsanstalt und weiter nichts, eine von wandelbaren äußeren Einflüssen möglichst unabhängige Bildungsanstalt. Nur indirekt wird die hochwichtig für das Staatsleben, wie es Wachsmuth in der „europäischen Sittengeschichte“ hervorhebt, wenn er sagt: „Der Staat bleibt hohle leere Form, wenn ihm die Füllung einer lebenskräftigen Volksgesamtheit gebricht; er ist nicht ganz, nicht eins, wenn seine Marken denen des Volks widerstreben, er ist nicht ein eigen, wenn eine Einrichtungen nicht in dem Sinne des Volkes wurzeln, wenn ein schöpferisches Walten an diesem einen schroffen Widerstand findet.“ Staatsleben und Volksbildung bedingen einander, die Schule bewirkt die Wechselwirkung, in ihr soll die Kultur des Volkes ihre Nahrung und ihren Ausgang finden. Die Staatsgemeinde muss dafür sorgen, dass das heranwachsende Geschlecht gesund ist, dass es diejenige allgemeine Bildung sich aneignet, welche sie befähigt, sich selbstständig zu ernähren und am Staatsleben sich zu beteiligen, sei es auch nur durch freiwilligen und freudigen Gehorsam gegen die Gesetze, und dass die Schule endlich den sittlichen Charakter der Jugend zu entwickeln berufen ist, weil in der allgemeinen Sittlichkeit die Sicherheit des Einzelnen, wie der ganzen Staatsgesellschaft liegt. Betrachtet man Unterricht und Erziehung von dieser Seite, so erhalten sie eine höhere Bedeutung, als man ihnen gewöhnlich beilegt. Die Staaten des Altertums machten daher die Erziehung der Jugend zur Staatsangelegenheit in viel strengerem Sinne, als es jetzt geschieht, denn in dieser politischen Erziehung, welche aber eigentlich nur eine militärische war, erzog sich der Staat Bürger, welche im Stande waren, die Republik zu regieren, und welche gewohnt waren, feinen Gesetzen, Sitten und Gebräuchen zu gehorchen, aber diese Staatserziehung schloss die Erziehung zur persönlichen Freiheit, zum sittlichen Willen aus, welchen die Germanen zur Grundlage ihres Gemeinde- und Staatslebens erhoben. Wer in Griechenland und Rom nicht bloß Staatsbürger, sondern auch etwas für sich sein wollte, der geriet mit dem Staat in Konflikt, veranlasste den Bürgerkrieg, und deshalb endigen die alten Republiken mit der Tyrannis und dem Soldatenkönigtum. Unsere modernen Kadettenhäuser sind Nachahmungen antiker Erziehungsweise, die Jugend zum willenlosen Werkzeug der herrschenden Gewalt zu erziehen, die im Kastengeiste zu erziehen, der die allgemein menschliche Bildung vernachlässigt, die Humanität verkennt im Geist Wallensteinischer Soldaten, Blut und Eisen als Prinzipien junkerlicher Zivilisation proklamiert.
Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich Wilhelm (1688-1740) König von Preußen im Harnisch mit Schulterband des Schwarzen Adlerordens 1713

Friedrich Wilhelm (1688-1740) König von Preußen im Harnisch mit Schulterband des Schwarzen Adlerordens 1713

Friedrich Wilhelm I. (1675-1713) Herzog zu Mecklenburg-Schwerin

Friedrich Wilhelm I. (1675-1713) Herzog zu Mecklenburg-Schwerin

Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) trug den Beinamen: der Große Kurfürst

Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) trug den Beinamen: der Große Kurfürst

Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich um 1661

Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich um 1661

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