Reformation. Concilium zu Kostnitz. Wahl Martins V.

Das jene Zeit unmittelbar bedingende Ereignis, welches sie mächtig bewegte, und auf alle Verhältnisse des kirchlichen und staatlichen Lebens bei der innigen Verbindung beider einwirken musste, war die Berufung des Conciliums zu Kostnitz, welches im November des Jahres 1414 zusammentrat. Von der Haltung desselben hing die Entscheidung über die Einheit der Kirche und über die Reformation derselben an Haupt und Gliedern ab, deren Notwendigkeit fast allgemein auf das lebhafteste empfunden wurde. Das tiefe unleugbar vorhandene Bedürfnis spannte die Erwartung Aller. Je nachdem jene wirklich vollzogen wurde oder nicht zur Durchführung kam, je nachdem musste es sich entscheiden, ob die prinzipiell schon vorhandenen Fragen der theologischen Wissenschaft und des kirchlichen Lebens eine Entwickelung finden, oder noch für eine Zeit lang zurückgedrängt werden sollten, und ob der neue geschichtliche Lauf, dessen Anheben sich unverkennbar zeigte, sich fortsetzen oder noch einmal gehemmt werden sollte.

Die reformatorische Richtung des Concils zu Kostnitz hatte sich zunächst in der entschiedenen Tendenz ausgesprochen, das der Kirche zum Ärgernis und zum Verderben gereichende Schisma zu beseitigen. Nach der am 29. Mai 1415 erfolgten Absetzung Johanns XXIII. und nach der freiwilligen Abdankung Gregors XII. schritt das Concil zur neuen Papstwahl, da Benedict XIII., obschon er sich dem Ausspruche des Concils nicht fügte, doch durch die am 26. Julius 1417 über ihn verfügte Absetzung jegliche Bedeutung verlor. Die Vornahme der Reformation vor vorangegangener Papstwahl hatte bei den über diesen Punkt sich entgegenstehenden Ansichten der verschiedenen Nationen nicht erreicht werden können. Als indessen Martin V. am 11. November 1417 zum Papst erwählt war, blickte man ganz allgemein mit neuen Hoffnungen für die Reformation und für die innere Hebung der Kirche auf denselben hin. Die von allen Seiten sich kundgebende Freude über die Hebung des Schisma beseitigte zunächst jede eigentliche Opposition und legte, wenn nur der Wille dazu vorhanden gewesen wäre, die Initiative zu allen reformatorischen Maßnahmen allein in die Hände des Papstes, da auch der Kaiser Sigismund, nachdem einmal die Papstwahl stattgehabt hatte, ohne dass die Einleitung der Reformation, wie er es gewünscht hatte, vorausgegangen war, sich jeder Pflicht, dieselbe unmittelbar zu fördern, für entbunden achtete. Martin aber hatte sehr klar und richtig die Gefahren erkannt und gewürdigt, welche von der böhmischen Bewegung aus und von den hier und da hervortretenden reformatorischen Tendenzen der römischen Curie drohten. Im wohlverstandenen Interesse derselben war er daher eifrig bemüht, der reformatorischen Bewegung ein Ziel zu setzen und den Nerv derselben durch Herabdrückung des Concils zu durchschneiden.