Auflösung des Concils zu Kostnitz. Kirchliche Tendenzen Martins V.

Noch zu Kostnitz wies er das von der freieren Richtung des Concils früher entschieden hervorgehobene Prinzip zurück, als sei es zulässig, wider die Entscheidung des Papstes Appellation an ein allgemeines Concil einzulegen. Als es ihm nun gelungen war, die hauptsächlichsten Beschwerden der verschiedenen Nationen durch Concordate, welche mit ihnen einzeln abgeschlossen waren, zu erledigen, so konnte Martin V. es ohne irgend eine Besorgnis; wagen, das jetzt machtlos gewordene Concil, welches bei seinem Beginne eine kirchliche Allgewalt geübt hatte, am 22. April 1418 aufzulösen.

Das Papsttum hatte für den Augenblick seine Vollgewalt wieder erlangt, und glaubte jetzt, sich die Aufgabe stellen zu müssen, diese zur Herstellung und Kräftigung der Hierarchie wiederum wirksam werden zu lassen, um diejenigen Elemente möglichst zu beschränken und zurückzudrängen, von denen Gefahr für die Zukunft zu erwarten stand. In diesem Sinne sehen wir Martin V. eine sehr bewusste Stellung einnehmen, und in seinen kirchlichen Maßnahmen eine bestimmte Tendenz verfolgen. Es liegt sowohl seinen allgemeinen kirchlichen Maßregeln, als auch den einzelnen, bei besondern Gelegenheiten von ihm erlassenen Anordnungen die entschiedene Absicht zum Grunde, möglichst viele und feste Schranken aufzurichten, um die Wiederkehr einer den römischen Stuhl bedrohenden Bewegung zu verhindern. Dennoch setzte man im Allgemeinen großes Vertrauen auf die Maßnahmen, welche Martin V. zur Hebung des inneren Lebens der Kirche ergreifen werde. Das so lange dauernde Schisma hatte überall verderblich eingewirkt und der Kirche tiefe Wunden geschlagen. Die Verweltlichung des Klerus hatte zugenommen, und in Folge derselben war das geistliche Leben der Kirche erstorben, und das Studium der Wissenschaften, die der Pflege entbehrten, war gesunken. Man erkannte die Notwendigkeit, die wissenschaftlichen Studien zu heben, damit von ihnen ein allgemeinerer und intensiverer Einfluss, als dies bis dahin möglich war, ausgeübt werden könne. Viele Pläne, welche man im Einzelnen für das kirchliche und wissenschaftliche Leben schon lange mochte gehegt haben, hatten jedoch bei dieser Lage der kirchlichen Verhältnisse, wo es an einer allgemein anerkannten kirchlichen Autorität fehlte, in den Hintergrund treten müssen. Mit Martins Erwählung war dies anders geworden, und man durfte von seiner Einsicht mit Recht erwarten, dass er die Hand dazu bieten werde, alles das kräftig zu fördern, was dem äußern und inneren Aufbau der Kirche zu dienen bestimmt war.