Häretische Erscheinungen in Rostock

Dass die häretischen Ansichten, welche an anderen Orten hervorgetreten waren, und dort mit nicht geringer Intensität sich geltend zu machen wussten, auch noch hier und da in Mecklenburg, wenn auch nur in sehr vereinzelten Symptomen, sich äußerten, beweist die scheinbar für sich allein stehende Tatsache, dass im Jahre 1404 eine Bürgerin zu Rostock mehrere Lehren der römischen Kirche in Abrede nahm, und selbst die Lehre vom Fegefeuer, vom Ablass und von der Anbetung der Heiligen läugnete. Die Geistlichkeit würde wohl weniger Gewicht hierauf gelegt haben, wenn nicht ähnliche häretische Tendenzen sich in Wismar und Stralsund gezeigt hätten. In letzterer Stadt ward ein Priester wegen seiner verderblichen Irrtümer und Häresieen, in denen er beharrlich verblieb, zum Feuertode verurteilt. In Rostock leitete der Magister Eylhard die Untersuchung; aber da jene Bürgerin nicht bewogen werden konnte, ihre Irrtümer, welche für die Institutionen der Kirche sehr bedenklich werden konnten, aufzugeben, ward auch sie als Ketzerin zum Feuertode verdammt. Ihr Sohn, ein eifriger Zisterzienser Mönch, bot Alles auf, die Mutter zum Widerruf zu bewegen, aber sie wies den Sohn unwillig mit der Äußerung zurück, dass sie ihn nicht für ihren Sohn erkennen könne, und forderte ihn auf, sich, so lange es noch Zeit sei, zu der Wahrheit zu wenden, ja sie blieb so standhaft und glaubensmutig, dass sie den Henker aufforderte, zu tun, was seines Amtes sei, da sie nun selig sterben wolle, ob es gleich Welt und Teufel nicht gerne sähen*). Wie wenig die diesem Zeugnisse innewohnende Wahrheit anerkannt, und wie wenig selbst später noch der Geist des Glaubens verstanden ward, aus welchem heraus jene Frau solche Freudigkeit und solchen Todesmut gefunden hatte, beweist uns das Urteil von Krantz, obwohl dieser sonst für die Schäden der Kirche wohl ein Auge hatte. Aus der ganzen Darstellung von Krantz entnehmen wir aber, dass überhaupt das Gift der Häresie damals in den Städten verbreitet gewesen sei und mit der Ansteckung Viele bedroht habe, wenn gleich dieser innere Feind gezwungen worden, dem katholischen Glauben zu weichen. Die angeführten Tatsachen aber werden zur Erklärung des Umstandes beitragen können, dass die römische Curie bei der Stiftung der Universität Rostock die Errichtung einer theologischen Fakultät verweigerte.

*) Schröder, Papistisches Mecklenburg. Bd. 2 S. 17211 ff. David Frank, Altes und neues Mecklenburg. Lib. VII. S. 105 ff.