Art und Form der Betätigung

Die Aufgaben und die Art der wirtschaftlichen Betätigung in der Ukraine ergeben sich ihrem Wesen nach aus den Problemen des wirtschaftlichen Wieder- und Neuaufbaues des Landes. Es ist zunächst als Richtlinie festzuhalten: ein unmittelbarer, direkter Güteraustausch zwischen der Ukraine und Deutschland, der den wirtschaftlichen Beziehungen dieser beiden Länder neue Lebenskraft zuführen soll, ist augenblicklich wohl kaum in nennenswertem Umfang durchzuführen. Denn abgesehen von der gänzlichen Zerrüttung des Verkehrswesens ist der gesamte Produktionsapparat der Ukraine so erschöpft, dass nur wenige Exportgüter erfasst und nach den Grenzstellen befördert werden können. Die Bargeldvorräte, über die die Ukraine verfügt, und die durch die Sowjetherrschaft sehr zusammengeschmolzen sind, würden nur einen verschwindenden Teil der ukrainischen Bedürfnisse zu decken imstande sein; sie kommen daher auf die Dauer als Zahlungsmittel nicht in Betracht. Ein auf dem reinen Tauschverkehr ruhender regelmäßiger Handel ist somit für die nächsten Jahre nur in sehr beschränktem Masse möglich.

Dies schließt natürlich nicht aus, dass einzelne geschäftliche Transaktionen jederzeit durchgeführt werden können, zumal der Ukraine selbst in Zeiten stärkster Zerrüttung eine gewisse Rekompensationsfähigkeit nicht abgesprochen werden kann.


Die Tätigkeit des ausländischen Kapitals in der Ukraine müsste also zunächst darauf ausgehen, die Vorbedingungen für die allgemeine wirtschaftliche Gesundung, für die erneuerte Gütererzeugung, für die Ermöglichung der Rohstoffausfuhr, für die Hebung der Kauffähigkeit im Lande selbst zu schaffen. Die Aufgabe läuft im Wesen auf eine Wiederherstellung der Kauf- und Tauschfähigkeit der Ukraine hinaus, die erst die Grundlage für großangelegte wirtschaftliche Wechselbeziehungen Zwischen ihr und dem Ausland schaffen soll. Sie wird selbsttätig, jede ukrainische Regierung auf eine Heranziehung der ausländischen Hilfsmittel und zwar auf dem Wege der Konzessionserteilung drängen.

Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass die wirtschaftliche Exploitierung der Ukraine ausschließlich dem fremden Kapital übertragen werden wird. Wohl aber werden folgende zwei Möglichkeiten in Betracht kommen:

a) Eine Konzession mit Beteiligung des Staates oder besonders bevollmächtigter privater Organisationen (oder beider zugleich) ;

b) Eine gewöhnliche Konzession, aber unter gewissen Reservatrechten des Staates.

Für die Ukraine sind von der nationalen Regierung zweierlei Konzessionen ins Auge gefasst:

1. Konzessionen auf die Ausbeutung der natürlichen Bodenreichtümer, d. h. auf die Gewinnung solcher Rohstoffe, welche nach dem Ausland ausgeführt werden können;

2. Konzessionen auf die Errichtung oder Wiederinstandsetzung von Fabriken zur Herstellung von Gegenständen, die für den Verbrauch in der Ukraine bestimmt sind.

Daneben wird die Konzessionierung großer getreidebauender Kolonien erwogen, wobei den fremden Kolonisten eine Art wirtschaftlicher Autonomie zugestanden werden soll.

Dieser Weg der industriellen Tätigkeit im Lande selbst hat fürs erste am meisten Aussicht für eine unmittelbare finanzielle und industrielle Betätigung Deutschlands in der Ukraine. Es soll darauf verwiesen werden, dass er bereits von englischen und amerikanischen Finanzgruppen erfolgreich beschritten wird, indem diese nach Erwerb von Konzessionen bei der Sowjetregierung leerstehende Fabrikanlagen aufkaufen und dort die Erzeugung von verschiedenen Waren und Bedarfsgegenständen in Angriff nehmen. Da viele Ziechen, Werke, Fabriken usw. stillstehen, würden sie unter Umständen leicht und billig gekauft (oder gepachtet), instandgesetzt, mit Maschinen und Geräten versehen und mit qualifizierten Arbeitern versorgt werden können. Rohstoffe, Kohle und gewöhnliche Arbeiter würden dann im Lande aufgetrieben werden.

Zusammenfassend soll gesagt werden: die auf die Gewinnung der Bodenschätze und damit verbundene Instandsetzung der heimischen Industrie gerichtete Tätigkeit im Lande selbst bietet in der nächsten Zukunft gegenüber dem einfachen Handel, d. h, der Ausnützung und Befriedigung des ukrainischen Warenhungers viel ergiebigere und großzügigere Möglichkeiten. Nur auf diesem Wege kann das deutsche Kapital und Unternehmertum maßgebenden Einfluss auf das Wirtschaftsleben der Ukraine gewinnen und den ukrainischen Markt ausschließlich, d. h. mit Ausschaltung ernstlicher Konkurrenz beherrschen.