Die Teufelsbrücke im Montafon

Autor: Ueberlieferung
Themenbereiche
Im Montafon lebte einmal ein armer Zimmermann, der gern reich geworden wäre. Aber mit dem Reichwerden war es eine eigene Sache. Zwar verstand sich der Mann auf seine Arbeit, war flink und geschickt und von früh bis spät auf den Beinen, aber der Lohn war gering, und die fünf Kinder daheim brauchten an einem Tag mehr, als er in zwei Tagen schaffen konnte. Es war also nichts mit dem Reichwerden, ja, Sorgen und Not waren häufige Gäste im Haus.

Nun hatte eines Tages ein gewaltiges Hochwasser im Dorf die Brücke über den Bach weggerissen, und man wollte sie sogleich herstellen lassen, um den Weg nach Schruns wieder gangbar zu machen. Die Ortsobern kamen zu dem Zimmermann und fragten, ob er sie in drei Tagen fertigbringen könne, sie böten hundert Taler dafür. Das war nun ein schönes Stück Geld und hätte dem tapferen Handwerker für etliche Zeit aus der Not geholfen. Es war aber auch eine gewaltige Arbeit, und der Zimmermann wußte, daß es kaum möglich sei, in so kurzer Zeit ein so großes Werk zu vollenden. So bat er denn um einen Tag Bedenkzeit.

Den ganzen Tag bis spät in die Nacht hinein dachte und studierte er, verwarf seine Berechnungen und stellte wieder neue an, um schließlich doch zu dem Schluß zu kommen, daß es in der verlangten Frist nicht möglich sei, die Brücke zu bauen. "Das mag der Teufel imstande sein", rief er, verärgert mit der Faust auf den Tisch hauend, "ich bring es nicht fertig."

Traurig darüber, daß ihm der schöne Verdienst entgehen sollte, wollte er gerade zu Bett gehen; es war schon Mitternacht. Da klopfte es an die Tür, ein kleines Männchen trat ein und grüßte ihn, sein grünes Hütlein ziehend, mit freundlicher Miene; "Zimmermann", setzte es hin, "warum denn so traurig?"

"Da soll man nicht ärgerlich werden", meinte der Handwerker zornig, "wenn Arbeit und Verdienst in Aussicht stehen und man das Werk nicht bewältigen kann", und erzählte dem Männlein, worum es sich handle.

"Da kann leicht geholfen werden", meinte es lachend. "Ich baue dir die Brücke in drei Tagen fix und fertig, freilich nur unter einer Bedingung: die erste Seele, die aus deinem Haus über die Brücke kommt, gehört mir!"

Den Zimmermann graute es; denn nun hatte er erkannt, mit wem er's zu tun habe. Aber das Geld lockte, und nebenbei fiel ihm ein guter Gedanke ein. Mit dir will ich fertig werden, dachte er und ging den Vertrag ein.

Wirklich war das Werk in drei Tagen vollendet, fest und stark gebaut, und der Teufel stand grinsend mitten auf der Brücke und wartete auf seinen Lohn, die erste Seele, die aus des Zimmermanns Haus über die Brücke kommen würde. Anscheinend dauerte es ihm zu lang. Siehe, da kam der Mann, und der Teufel kicherte vergnügt in sich hinein. Doch der Zimmermann war diesmal nicht allein; mit lustigen Sprüngen hüpfte eine Ziege vor ihm her, die er sich rasch aus dem Stall geholt hatte. Und als er zur Brücke kam, jagte er die Ziege vor sich hinüber und rief dem Teufel schadenfroh zu: "So, höllischer Meister, hier hast du dir erste Seele aus meinem Haus!"

Verblüfft schaute der Satan auf das spöttisch meckernde Tier; dann aber faßte ihn der Zorn, daß er um seinen Baulohn geprellt sein sollte; heulend suchte er die Ziege zu ergreifen, um sie in Stücke zu reißen, erwischte aber nur den Schwanz des ausgelassen davonspringenden Tieres, der ihm in der Hand blieb.

Davon rührt es nun her, daß die Ziegen so kurze Schwänzlein haben.

Der betrogene Höllenfürst mußte sich mit dem Ziegenschwanz abfinden, der Zimmermann aber bekam seine hundert Taler und war für lange Zeit aller Sorgen enthoben.