Die Technik in der Kunst

Wunder der Technik
Autor: Schmidt, Richard Wolfgang Dr. (?), Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Technik, Kunst, Handwerk, Künstler, Kunsthandwerker, Industrie, Schiffbau, Architektur, Baukunst, Kultur, Zeitalter der Technik
Die Zusammenstellung der Abbildungen musste sich bei dem ungeheuer großen Schatz, der aus allen Zeiten und von allen Völkern her vorliegt, auf eine kleine Auswahl beschränken. Oft fiel der Verzicht recht schwer. Trotzdem gibt, wie wir glauben, diese Bilder-Folge ein anschauliches, gerundetes Bild über die Entwicklung der Darstellungen von technischen Vorgängen und Gebilden in der Kunst. Dabei haben wir uns bemüht, Einseitigkeit zu vermeiden und alle Völker in ihren Kunstwerken gleichmäßig zu berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
  1. Die Abbildungen
Wunder der Technik

Wir leben im Zeitalter der Technik. Das Leben, dem unsere Großväter noch mit einer gewissen Beschaulichkeit gegenüberstanden, hat im Verlauf weniger Jahrzehnte ein ganz anderes Gesicht bekommen, so dass unsere Zeit von der vorhergehenden durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt zu sein scheint. Die ganze Struktur unseres sozialen und wirtschaftlichen Aufbaus ist anders geworden. Die Umwandlung des Agrarstaates zum Industriestaat hat sich in Europa und Amerika vollzogen oder ist im Begriff es zu tun. Die riesigen Ansammlungen von Menschenmassen auf einem Gebiet, das diese niemals zu ernähren vermag, die zwingende Notwendigkeit, für sie Lebens- und Verdienstmöglichkeit zu schaffen, ist die hauptsächlichste Ursache dieser Erscheinung.

Wenn die Kunst von jeher ihre Aufgabe in der Darstellung des Lebens und seiner Äußerungen gesucht und gefunden hat, so ist es kein Zufall, sondern natürliche Folge, dass sie in der Gegenwart noch weniger als in der Vergangenheit an den Motiven vorbeiging, die ihr die Entwicklung der Industrie geboten hat. In demselben Verhältnis, in dem die Industrialisierung unseres Wirtschaftslebens zugenommen hat , fand auch die Kunst immer engeren Anschluss an jene für unsere Zeit so charakteristische Erscheinungsform. Erst vereinzelt, sind bald Werke, die das weite Gebiet der Technik zum Thema haben, zahlreicher geworden. Aber mit dieser Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens sind gleichzeitig auch die Grenzen bestimmt, die der Darstellung technischer Motive in der Kunst gezogen sind. Wenn schon in der Gegenwart mit ihrer gesteigerten Industrie die Darstellung des Technischen nur einen gewissen, nicht allzu hohen Anteil ausmacht, wie viel geringer wird die Ausbeute in der Vergangenheit sein, die das, was wir heute Industrie nennen, noch gar nicht gekannt hat. Der Kleinbetrieb des Handwerkers, eng begrenzt durch strenge Zunftschranken, stand an ihrer Stelle und genügte vollauf, die Nachfrage zu befriedigen. Daher kommt es, dass durch das ganze Mittelalter hindurch bis tief in das 19. Jahrhundert, in dem mit dem allmählichen Fallen der Zunftschranken der Aufstieg der Industrie beginnt, Darstellungen aus dem Gebiet der Technik nur um ihres künstlerischen Stimmungswertes willen so gut wie fehlen. Bei weitem überwiegt das gegenständliche Interesse, so dass sich diese Schilderungen mit der getreuen Abbildung einer Werkstätte und des darin arbeitenden Meisters und seiner Gesellen begnügen oder aber überhaupt nur technische Zwecke verfolgen. Erst eine spätere Zeit sucht die geheimnisvolle Stimmung eines halbdunklen Laboratoriums oder die Silhouette eines phantastischen Bauwerks künstlerisch auszuwerten. Der Neuzeit blieb es vorbehalten , das Wesen unseres industriellen Zeitalters in der Summe jener malerischen Motive zu enthüllen, die im Dampf der Maschinen, im Lärm des modernen Fabrikbetriebs verkörpert ist. Und ebenso, wie die Gemälde unserer Zeit, die die Technik zum Vorwurf nehmen, ein getreues Spiegelbild unserer Kultur zurückwerfen, so redet gerade das Fehlen solcher Darstellungen in den Werken der Künstler des Altertums und des Mittelalters bis in die neuere Zeit hinein eine deutliche Sprache: Sie kündet das Nichtvorhandensein der Technik im modernen Sinne.

Die große Menge monumentaler Bauten von oft überwältigender Größe, die das Altertum hervorbrachte, und der die heutige, mit allen Hilfsmitteln ausgerüstete Ingenieurkunst nichts ähnliches an die Seite zu stellen hat, verführt dazu, dem Altertum Kenntnisse und Hilfsmittel zuzuschreiben, die uns heute verloren gegangen sind. Obwohl diese Kenntnis physikalischer Kräfte durch die Alten nicht immer von der Hand zu weisen ist, so kann man doch im allgemeinen sagen, dass Riesenleistungen, angefangen bei den Pyramiden der Ägypter oder der Anlage und Unterhaltung einer Stadt von der Größe Babylons, die über zwanzig Kilometer im Geviert betrug, bis zu den Bauten der Griechen und Römer mit verhältnismäßig einfachen technischen Hilfsmitteln, die allerdings bis aufs äußerste in Anspruch genommen wurden, bewerkstelligt worden sind. Die Menschenkraft, das Menschenmaterial überhaupt, und die Zeit hatte im Altertum wenig Wert, so dass man mit beiden in einer Weise verschwenderisch umgehen konnte, die uns heute fremd geworden ist. Hierin liegt der grundlegende Unterschied zwischen alter und moderner Technik beschlossen: In dem Bestreben der Neuzeit, Menschenkraft durch Maschinenkraft zu ersetzen. Mit einiger Einschränkung gelten die Beobachtungen, die wir bei der Technik des Altertums machen, auch noch für das Mittelalter. Technisch ist gerade das Mittelalter nicht weiter gekommen, ja, viele Hilfsmittel, die den Alten geläufig waren, gingen in den Umwälzungen der Völkerwanderung wieder verloren. Zwar leistete das Mittelalter handwerkliche und künstlerische Meisterarbeit, aber gerade das Ingenieurmäßige des Altertums trat dabei in den Hintergrund. Erst die Renaissance brachte mit dem Studium der Antike auch das Studium ihrer technischen Werke, soweit sie erhalten waren. Des Griechen Heron Werke und Vitruvs libri de architectura, in denen das ausgedehnteste Material niedergelegt war, bildete den Grundstock zu dem Gebäude eines neuen technischen Wissens, dessen Studium sich die aufgeklärtesten Geister hingaben. Hier zeigt sich die auffallende Erscheinung, dass es gerade die Künstler waren, die sich mathematisches, physikalisches und sonstiges naturwissenschaftliches Können anzueignen suchten. Die Skizzenbücher Lionardo da Vincis, um nur einen, den berühmtesten, Namen zu nennen, werden stets die Bewunderung der Nachwelt erregen. Es gibt kein Problem, das nicht sein universeller Geist schon durchpflügt oder vorausgeahnt hätte.

In die Tiefe des Volkes drangen aber alle diese Forschungen nicht. Die Gebundenheit des mittelalterlichen Lebens mit ihrer Ungleichheit der Stände, ihrer Zersplitterung auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiet, die fortgesetzten kriegerischen Unruhen, die daraus folgende Unsicherheit des Verkehrs und nicht zuletzt die Kirche, die jeden mit misstrauischen Augen betrachtete, der es wagte, seine Ziele über die herkömmlichen Schranken hinaus zu stecken, alle diese Faktoren wirkten zusammen, um zu verhindern, dass die Gedanken Einzelner Allgemeingut wurden. Nur ein Gebiet war davon ausgenommen: Die Baukunst. Hier hat die Kirche, die von jeher die Künste zur Verherrlichung ihres Ruhmes heranzog, indirekt der Technik die bedeutendsten Aufgaben gestellt, die das Mittelalter überhaupt zu vergeben hatte. Ihr verdanken wir jene Dome und Münster, die zu den großartigsten Schöpfungen der Kunstgeschichte und nicht zuletzt der Technik gehören, Meisterwerke, die sich würdig den Riesenbauten des Altertums vergleichen können. In der künstlerischen Durchbildung vom Kleinsten bis zum Größten, in vollendeter konstruktiver Logik hat hier das Mittelalter das Höchste erreicht, dem unsere Zeit nichts Gleichartiges an die Seite zu stellen vermag. Nicht nur sind die Aufgaben, die unsere Zeit zu lösen hat, ganz anders geartet als die des Mittelalters, auch die Art und Weise, in der dieses an solche Aufgaben herantrat, war grundverschieden. Neben dem ersten grundlegenden Unterschied zwischen moderner und alter Technik, die in dem Ersatz des Menschen durch die Maschine gipfelt, tritt ein zweiter, der weniger auf der mechanischen, als auf der geistigen Einstellung der Zeit beruht: Die Grenzlinie zwischen Kunst und Technik war im Mittelalter durchaus unbestimmt und verwischt. Es war keine Ausnahme, dass der Techniker gleichzeitig Künstler, der Künstler Techniker war. Unzählige Beispiele ließen sich dafür anführen. Das ist anders geworden. Heute hat sich eine bis ins einzelne gehende Beschränkung auf Sondergebiete in jedem Gebiet durchgesetzt, deren Vor- und Nachteile klar auf der Hand liegen. So groß die Vorteile sind, so darf doch nicht verkannt werden, dass das Technische nicht selten auf Kosten des Künstlerischen hervortrat, so dass Kunst und Technik, einst untrennbare Begriffe, heute nur zu oft ohne inneren Zusammenhang nebeneinander herlaufen. Gerade die Baukunst der neueren Zeit bietet dafür Beispiele genug. Obwohl z. B. die technische Leistung amerikanischer Wolkenkratzer unsere Bewunderung erregt, wirken sie doch vom ästhetischen Standpunkt aus durchaus unerfreulich. Das Gleichgewicht, das sich im Laufe der letzten 100 Jahre so sehr zugunsten der Technik verschoben hat, wiederherzustellen, ist keine unerfüllbare Aufgabe. Das beweisen die vielversprechenden Anfänge , die gemacht sind und wieder dort anknüpfen, wo einst der Faden abgerissen war, an der künstlerischen Gestaltung des spröden Stoffes, an der Durchdringung der Materie mit der Form.

000 Technik in der Kunst Originalcover

000 Technik in der Kunst Originalcover

001 Wagen aus dem Triumphzug Maximilians. Um 1515. Dürer, Albrecht

001 Wagen aus dem Triumphzug Maximilians. Um 1515. Dürer, Albrecht

014 Die Kanone. 1518. Dürer, Albrecht

014 Die Kanone. 1518. Dürer, Albrecht

046 Der Dampfwagen von London nach Birmingham. Engl. Stich aus dem Jahr 1833

046 Der Dampfwagen von London nach Birmingham. Engl. Stich aus dem Jahr 1833

072 Lokomotive. Sandrock, Leonhard

072 Lokomotive. Sandrock, Leonhard

083 Einsetzen des Ruders. Kley, Heinrich

083 Einsetzen des Ruders. Kley, Heinrich