Anschluss an den Rheinbund.

Die Machtstellung der Ritterschaft, wie sie sich aus der weiteren Darstellung ergibt, war im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich vom Jahre 1755 verankert. Durch diesen Vergleich wurden die Bestrebungen der Herzöge nach absolutem Regiment, wie es die Landesherren in andern deutschen Ländern vorübergehend erlangten, endgültig durchkreuzt. Mecklenburg war und blieb ein Feudalstaat.
Nur zwei interessante Episoden durchbrachen auf kurze Zeit die Macht der Ritter teilweise oder vollständig: Der Anschluß an den Rheinbund und die Revolution von 1848.
Durch Vertrag vom 22. März 1808 zwischen Napoleon und dem Herzog Friedrich Franz I. trat Mecklenburg-Schwerin dem Rheinbunde bei. Auf die überragende Machtstellung Napoleons gestützt, machte sich Friedrich Franz den modernen Souveränitätsbegriff zu eigen. Er fragte die Stände nicht um ihre Zustimmung zu dem Vertrage, sondern teilte ihnen denselben auf dem Konvokationstage zu Rostock am 1. September 1808 lediglich zur Kenntnis mit. Im Gegensatz zu früheren Kundgebungen an die Stände fügte er seinem Namen und seinen Titeln und Würden die Bezeichnung „Souveräner Herzog“ hinzu und setzte der „treugehorsamsten Ritter- und Landschaft“ auseinander, wie durch diesen Begriff die Rechte des Landesherrn nach innen und nach außen erweitert worden seien. Es heißt dort u. a.: „Nach ihrem Zweck und Begriff ist diese Souveränität dahin zu verstehen, daß Sr. Herzogl. Durchl. als Landesherr in der vollen Ausübung Ihrer Regierungsgewalt durch keine Beschränkungen aufgehalten werden, sondern die Mittel dazu in der Einheit der Landesverfassung finden.“
Die Stände antworteten mit einer Erklärung vom 8. September, die auf ihre patriotische Gesinnung ein eigentümliches Licht wirft. Es heißt dort: „Durchlauchtigster Herzog! Gnädigster Fürst und Herr! Die auf dem gegenwärtigen Konvokationstage versammelte treugehorsamste Ritter- und Landschaft erkennt die ihr im ersten Teile der Landesherrlichen höchsten Proposition gschehene feierliche Verkündigung des höchsten Beitritts Ew. Herzogl. Durchlaucht zum Rheinischen Bunde der deutschen Fürsten mit dem innigsten Dank.
Die frohen Aussichten, welche Ew. Herzogliche Durchlaucht höchster Beitritt zur Rheinischen Konföderation dem Vaterlande in äußerer Beziehung eröffnet, dürften jedoch, wenigstens einen Augenblick, dadurch getrübt werden, daß der zweite Teil der Landesherrlichen Proposition, aus dem aufgelösten Reichsverbande und dem erfolgten Beitritt zum Rheinischen Bunde, eine Einschränkung der erhabensten aller Fürstlichen Rechte und Pflichten, die innere Landesverfassung zu bewahren, herzuleiten scheint.
Nach unseren Gefühlen der getreuesten Devotion, und nach unserer unerschütterlichen Anhänglichkeit an Ew. Herzogliche Durchlaucht und höchst dero Regierhaus, müssen wir auch schon den Schein einer solchen Auslegung der Souveränitätsrechte entfernt zu sehen wünschen, um so mehr, da das für das Wohl des geliebten Vaterlandes so wichtige Vertrauen des Auslandes ganz vorzüglich auf dessen Glauben an die Unerschütterlichkeit der glücklichen mecklenburgischen Landesverfassung gegründet ist.“ (Vgl. Urkunden und Daten S. 628.)
Also: Der Anschluß Mecklenburgs an Napoleon wird mit innigem Dank begrüßt und nur gegen etwaige Beschneidung ihrer Vorrechte wird Verwahrung eingelegt! Man beachte besonders den letzten Satz, wo von dem „Wohl des geliebten Vaterlandes“ und der „glücklichen mecklenburgischen Landesverfassung“ die Rede ist. Und das zu einer Zeit, wo die Leibeigenschaft am Marke des Volkes fraß!
Von dauernder Einwirkung war die Rheinbund-Episode nur insofern, als die Ritterschaft unter dem Druck des Souveränitätsgedankens die Steuerfreiheit der ehemaligen so genannten „Ritterhufen“, d. h. der Hälfte ihres Landes, preisgab und in die Errichtung der so genannten Landes-Rezeptur-Kasse willigte, welche der Schuldentilgung diente, und aus der sich allmählich die Landessteuerkasse und die derselben einzuzahlenden indirekten und direkten Steuern entwickelten. Es wurde also eine gewisse Annäherung an den modernern Begriff des Steuerrechtes angebahnt. Aber mehr auch nicht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sünden der mecklenburgischen Ritterschaft.