Rügen

Überaus umfangreich sind die Verluste auch auf Rügen. Im Norden von Rügen, auf Wittow, begann das Wasser schon um 2 Uhr Morgens alles Land zu überschwemmen. Besonders zu leiden hatte das Dorf Dranske. Die Bewohner und einiges Vieh wurden nach einem benachbarten Gut gerettet. Kaum aber war das geschehen, so drangen die Wogen in die verlassenen Gebäude und wuschen die Fächer aus. Die größten und stärksten Bäume wurden entwurzelt und umgeworfen. Die Scheunen mit dem Vorrat an Korn und Futter, fast der ganze Reichtum der größtenteils unbemittelten Einwohner, konnten nicht mehr vor dem Andrang der Wogen geschützt werden. Die Brunnenkästen wurden durch den Anprall der Wogen zerschlagen und die Brunnen füllten sich mit Seewasser. Von einigen sind die Stellen kaum wieder zu finden, da sie gänzlich verschüttet sind. Drei Seeschiffe, die sich im Wieker Hafen losgerissen hatten, tanzten, von den Wellen getragen, dicht vor dem Dorfe. Die Fischerboote wurden umgeworfen, zerschlagen und fortgeschwemmt. Als dann um 4 Uhr Nachmittags die Flut ablief, welch Bild des Elends! In der Nähe von Lancken findet man ein Boot mit zwei Leichen. Die Körper sind mit Stricken am Boot befestigt. Der Vorrat für den Winter ist vernichtet. Der Acker ist teilweise weggewaschen und übersandet, die Saaten sind zum größten Teile verdorben. Die ganze Feldmark ist mehr oder minder verwüstet, und die sonst so ziemlich sichere Strandumfassung ist jetzt total dahin, so dass zu fürchten ist, dass selbst bei geringerer Flut noch ärgere Verwüstungen eintreten können.

Und wie steht es an der Ostseite von Rügen aus? Wer die Bäder Saßnitz und Krampas kennt, wird mit Schmerz vernehmen, dass die ganze, mit vieler Mühe und großen Kosten seit Jahren gehegte und gepflegte Uferpromenade, das Herren- und Damenbad, die Verladungsbrücken, auch der die Badegäste stets mit seinem Schatten labende Wallnussbaum am Ufer vernichtet sind. Fast sämtliche Fischerboote und die den beiden hier wohnenden Fabrikanten gehörenden sechs Boote sind ein Raub der wütenden Elemente geworden.


Ungemein hat auch die Südspitze von Rügen, Mönchgut, gelitten. Vom Jahre 1309 wird uns von Mönchgut berichtet, dass Lobbe, Gr. Zicker, Thiessow und Kl. Zicker getrennte Inseln waren. Das ist auch jetzt wieder eingetreten. Der Damm zwischen Middelhagen und Lobbe ist überflutet. Die Dünen sind gewichen und haben mit ihrem Sandwasser das Land überflutet. Es ist nur ein Strand geblieben, der mit Leichtigkeit von jeder Flut übersprungen werden kann. Furchtbar haben hier die Elemente gewütet; sechs Yachten sind zerschellt. Doch hören wir einen Augenzeugen:

„Wer beschreibt das Unglück und die Leiden der armen Leute? Wer kann ihnen eine Wohnung bieten, welche sie trocken für den Winter aufnehme? Denn ihre Wohnungen, wenn sie noch ummauert stehen, sind im Innern zusammengebrochen und bieten ein feuchtes Verderben! Wer ersetzt ihnen ihre Kuh, wer die Schafe, die in großer Zahl, an Stricke gebunden, in Reihen auf der Gr. Zickerschen und Göhrenschen Weide oder in den Ställen ertrunken liegen, wer bietet Ersatz für das gemästete Schwein, welches wieder für ein Jahr das Zubrot reichen sollte? Doch dessen bedürfen sie vielleicht nicht, denn ihre Vorräte sind verkommen, ihre eingemieteten Kartoffeln und Wurzeln von Grund aus weggespült. Viele haben fast Alles verloren. Ein alter, fast 90jähriger Mann bringt seine im Wasser vernichtete Bibel, welche ihm die Königin-Witwe zur goldenen Hochzeit geschenkt hatte, herbei und bittet um Ersatz. Dieser hat nur sein Hemd und seine Strümpfe gerettet. Doch hoffen wir auf Hilfe. Geht diese Hoffnung in Erfüllung. dann wird das Gottvertrauen noch größer werden, das sich in vielen Fällen so rühmend zeigte, z. B. bei jener Familie in Kl. Zicken die, von aller menschlichen Hilfe verlassen und von den gewaltigsten Wogen, die keine Menschenkraft und Geschicklichkeit hätte bewältigen können, umbraust, auf den abgedeckten Hausboden sich geflüchtet und, schon den Einsturz erwartend, in ihrer größten Angst mit einander anstimmten: „Ein' feste Burg ist unser Gott.“ Und siehe, kaum sind die Strophen verklungen, da jauchzt sie auf. Denn Vormittags, zwischen 10-11 Uhr, am Mittwoch, fängt plötzlich die bisher strömende Flut in den unteren Räumen ihres Hauses an zu sinken: „Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen."

Und auf der Südwestküste ist das Unheil nicht geringer. Die Badeeinrichtungen in Putbus sind vernichtet. In einem Gut sind ca. 20 Magdeburger Morgen überschwemmt und teilweise mit 1 ½ -10 Zoll Sand betrieben. Außerdem ist der Mutterboden abgeschwemmt, so dass diese Flächen auf Jahre hinaus unfruchtbar geworden sind. Der Hof ist ebenfalls überschwemmt; eine große Yacht ist dort aufgetrieben und steht jetzt mitten im Feld.
Mönchguter Bäuerin

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Mönchguter Bauer

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Mönchguter Bräutigam

Mönchguter Bräutigam

Mönchguter Braut

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