Rostock
Es ist das Wasser nicht allein ganz plötzlich und unvermutlich sehr hoch gewachsen, sondern es hat auch bald darauf sich ein erschrecklich großes, unerhörtes Ungestüm durch einen gewaltigen Nord-Ost-Sturmwind erhoben und dermaßen mit unaufhörlichen Sausen, so mit scharfem Schnee- und Schlosse-Regen vermischt gewesen, angehalten, dass dadurch nicht allein zu Warnemünde, sondern auch allhier zu Rostock großen Schaden geschehen. Denn es hat das Ungestüm nicht allein das Seewasser, welches sehr hoch gestiegen, auf unsere Dünen und Meerufer bei Warnemünde mit großen Wellen getrieben, dieselben eingerissen und hinweggenommen, auch den unfruchtbaren Seesand über etliche Benachbarte Äcker geworfen, sondern hat auch etliche Dörfer ganz durchgegangen und in den selben nicht allein viel Viehes, sondern auch etliche Menschen ertränket. Es hat zu Warnemünde, da es nicht allein die Häuser durchgegangen, sondern auch in der Kirche anderthalb Ellen hochgestanden, viele Häuser jämmerlich zerrissen, etliche aber gar über den Haufen geworfen; hat auch etliche Kasten des Bollwerks, so von starken Eichenbalken gemacht, ob sie gleich mit großen, langen, tiefeingerammten Pfählen festgemacht und mit Großen Feldsteinen beschwert gewesen, dennoch hinweggerissen, sie über die Warnow geführt und daselbst an das Ufer geworfen. Unserer Stadt Rostock hat es sonderlich dem Teil, so am Strande und Fluss der Warnow gelegen, dermaßen zugesetzt, dass dadurch in kurzer Frist die Stadtmauern von dem Wendentore über 300 Schritt lang ganz heruntergerissen, die Häuser, so daran gestanden, zum Teil jämmerlich zerschlagen, zum Teil auch heruntergworfen. Hat auch die Schiffe groß und Klein, wie sie an den Brücken, Bollwerken und Pfälen auf dem Flusse der Warnow gelegen, ob sie gleich mit Kardelen oder Schiffstauen festgemacht gewesen, dennoch losgerissen und derselben 70 ungefähr auf den Strand und an die Stadtmauern mit großem Ungestüm geworfen, daran sehr zerrieben und zerstoßen, auch die Mauern an entlichen Orten durch dieselben sehr zermalmt, an etlichen auch ganz durchgestoßen und sie hernach auf dem Strande und an den Mauern, teils auch an den Mühlsteinen am Strande, darauf sie gesetzt worden, als einen dürren und versehrten Wald stehen und liegen lassen, also dass man genug zu tun gehabt, sie wiederum abzubringen. Es hat auch die Brücken am Strande, ob sie gleich auf großen und langen und in die Erde tief eingerammten Pfählen und Hölzern mit eisernen Bolzen und Nägeln fest gemacht gewesen, dennoch alle mit einander hinweggerissen. Wie denn dergleichen auf der Schleuse am Kadamm auf den Brücken, so außerhalb St. Peters und dem Mühlentore zu Lande gehen, geschehen ist. – Es hat auch viele Gärten sehr wüste und öde gemacht, indem es die Zäune und Geländer ganz umgerissen und hinweggeworfen. Die Hopfenstangen, so in Haufen gesetzt gewesen, wurden aufgehoben und hinweggeführt und hierhin und dorthin zerstreut, viele Buden und Gebäude auf denselben (den Gärten) wurden zum Teil umgeworfen, teils auch gar hinweggeführt, auch an einigen Stellen die Bäume aus der Erde gewiegelt und umgeworfen, und sonderlich auch den guten Leuten auf den Brüchen, den Gerbern und Fischern, großer Schaden getan, indem es derselben Häuser und Höfe ganz durchgegangen und erfüllt, teils auch jämmerlich durchgeschlagen und zerrissen, teils auch gar darnieder geworfen und ihre Waren und Geräte erbärmlich zu nicht gemacht, ohne was sonst die Leute, so am Strande und an der Grube gewohnt, deren Keller und Häuser es auch mehrenteils erfüllt hat, für Schaden gelitten. Welches denn alles und noch viel mehr dazu, welches hier nicht alles kann erwähnt werden, in gar kurzer Fritz geschehen ist, etwa von 1 Uhr Nachmittags an bis um 5 oder 6 auf den Abend, da sich der Sturm etwas niedergelegt und auch das Wasser angefangen hat zu fallen. Wiewohl es auch des folgenden Montags noch einmal wieder gekommen und seine vorige Herberge besucht hat, ob es gleich nicht mit so großem Ungestüm geschehen, auch nicht so hoch gestiegen wie zuvor, da es den ganzer 7 Ellen soll höher gestanden haben, denn es sonst pflegt, wenn es seinen gewöhnlichen Lauf und Höhe hat.
Vorstehende Schilderung bietet nur wenige Daten, die nicht ähnlich auch am 13. November beobachtet wurden.
Das Wasser stand an diesem Tage Nachmittags 2 Uhr bereits um etwa einen Fuß höher, als im August des Jahres 1864, welches seit der oben erwähnten großen Wasserflut bisher den höchsten Wasserstand nachwies. - Bis in die Mitte der Wendenstraße und bis zu drei Viertel die Faulestraße hinauf wogte die Flut. Die Chaussee längs des Strandes wurde mit Booten befahren. Tausende von Brettern und Balken wurden von den am oberen Ende der Stadt befindlichen Holzlägern weggeschwemmt und bedeckten den Strand bis in die Stadttore hinein. Zwei Yachten waren in der Nachbarschaft des Wokrenter- und Schnickmannstores total gesunken. Durch den Mut des Steuermanns Robert Schramm wurden zwei weitere Schiffe, der Dampfer „MMM" und die Brigg „Nautilus“, vor einem ähnlichen Schicksale bewahrt. Nachdem nämlich der Pfahl, an welchem das letztere Schiff mit Ketten festgelegt, gebrochen, blieb nichts übrig, als es mit Leinen am Lande zu befestigen. Herr Schramm watete, während ihm das Wasser bis unter die Arme ging. dem Schiffe so nahe- dass- er die ihm zugeworfene Leine erfassen und das Schiff vertauen konnte. So am Strande. - Inzwischen waren auch Petridamm und Mühlendamm bei dem fort und fort wütenden Sturme total unpassierbar geworden, die Posten waren zur Umkehr gezwungen, einzelne dort liegende Gehöfte bereits zum Teil weggeschwemmt, andere ragten wie Inseln aus der allgemeinen Flut hervor, - Am schlimmsten erging es dem Fischerbruche und dem Gärberbruche.
Die dort befindlichen, meist nur einstöckigen Häuser standen unter Wasser; die Bewohner mussten in Booten, welche von der Unterwarnow hinauf transportiert waren, abgeborgen werden; eine Frau mit 2 Kindern, welche stundenlang auf dem Dache ihres Hauses um Rettung gejammert hatten, wurden endlich halb verhungert und beinahe erstarrt durch ein Boot aus ihrer Not errettet. Die Gebäude an beiden Brüchen waren vollständig von den Einwohnern verlassen; Haustiere namentlich Schweine, ertranken. - Die Kalkbrennerei der Herren Haack u. Sohn in der Nähe von Carlshof fing durch das eingedrungene Wasser Feuer und stand in Flammen. - Ferner stand der ganze Kapuzenhof unter Wasser. - Die Gelände des Herren-Bades der Bade-Anstalt des Herrn Frisch an der Oberwarnow sanken zusammen. - Der Sturm riss Dachziegel massenhaft hinab und an einer großen Anzahl von Häusern, wurden die Mauern beschädigt. - Der Strand bot ein höchst bewegtes Bild dar. Von den zahlreichen dort lagernden Gegenständen war Alles, was im Wasser schwimmt, in Bewegung geraten, namentlich große Quantitäten Holz, und viele Menschen waren beschäftigt, zu bergen, was zu erreichen war. Sehr viel Holz wurde von dem Oststurm die Warnow abwärts getrieben. - In den frühen Nachmittagsstunden erreichte das Wasser seinen höchsten Stand. Es stieg von 2 ¼ bis 4 ¼ Uhr um 16 Zentimeter, stand dann kurze Zeit und sank bis 7 Uhr um 26 Centimeter. Nach einer anderen Mitteilung war dasselbe um 8 Uhr bereits um 2 Fuß gesunken, stand aber doch am späten Abend noch immer in der Stadt.
Am nächstfolgenden Tage zeigte es sich, dass der angerichtete Schade ein ganz ungeheurer gewesen. Ein Rostocker Blatt schätzte ihn auf weit über 150.000 Thlr.
Zunächst hatten die Schiffswerften und die Holzlager am Strande ganz erheblich gelitten. Von ersteren war ein großer Teil der Schiffshölzer weggeschwemmt worden. Hunderte von Balken und Brettern, die neben dem oberen Teile der Stadt gelagert waren, bedeckten teilweise den Fluss, teilweise den Strand und hemmten dort die Passage; viele andere Hunderte waren stromabwärts wer weiß wohin getrieben; einzelne hatten in den am Strande liegenden Wohnungen, in welche sie in die Fenster eindrangen, Quartier genommen. Die Strandbrücken waren sämtlich mehr oder weniger beschädigt; von der Schnickmannsbrücke war ein großer Teil der Beplankung abgebrochen; die Lagerbrücke aber war sehr reparaturbedürftig; die Gewalt des Wassers hatte unter Zerbrechung der Befestigungsbolzen die Decke der Brücke an deren Westseite in der Länge von 20 Fuß um volle drei Fuß gehoben; auf der Ostseite der Koßfelderbrücke hing ein Baggerprahm; die Mönchenbrücke endlich wurde durch ein großes Quantum dagegen getriebenen Bauholzes vor erheblichen Beschädigungen geschützt. Jenseits der Warnow am Petridamm waren nur 3 Häuser verschont geblieben; bedeutenden Schaden hatte der Kunstgärtner Oberheu erlitten: das Wasser vernichtete sein erst vor Kurzem angelegtes Gewächshaus, sowie die in demselben befindlichen zum großen Teile sehr kostbaren Pflanzen. In Carlshof wurde das Steg weggerissen und der Garten überschwemmt; nur mit Anstrengung aller Kräfte gelang es, das dortige Vieh vor dem Ertrinken, zu retten; die Schweine wurden in Boote gebracht., die Kühe aber an Boote angebunden und genötigt, den Weg über die Warnow schwimmend zurückzulegen. In ähnlicher Weise wurden zwei dem Petrithorsbleicher gehörige Pferde geborgen. Vom Strande hatte das Wasser sich so weit verlaufen, dass er notdürftig für Fußgänger passierbar war. Gärberbruch und Schusterstraße dagegen konnten früh noch mit Kähnen befahren werden. Der an den Häusern angerichtete Schaden war sehr bedeutend; das Mobiliar war namentlich in den kleineren Wohnungen durchweg stark beschädigt oder ganz verdorben. Sehr schwer hatten die Gärber gelitten; ihre Lohe war total unbrauchbar geworden und von den Häuten ein erhebliches Quantum fortgetrieben. Am Gärberbruche mussten sechs Schweine, deren Transport sich als unmöglich; herausstellte, totgestochen werden, um nur das Fleisch zu retten; ein alter Mann, welcher sich, schon bis zum halben Leibe im Wasser stehend, bis unter das Dach geflüchtet hatte, wurde durch dasselbe hindurch abgeborgen. Ein Verlust an Menschenleben hatte nicht stattgefunden, Dank der wackeren Hilfe vieler Bürger und Dank vor Allem der aufopfernden Sorge des Polizei- Direktors, des Herrn Senators Dr. Maßmann. Derselbe war auf die erste Benachrichtigung in die gefährdeten Stadtteile geeilt, hatte die Leitung des Rettungs- und Bergungswerkes übernommen und verließ trotz des entsetzlichen Unwetters die Unglücksstätte erst am Abend, als es nichts mehr zu retten und zu bergen gab. Auch dann endete seine Tätigkeit noch nicht; er ruhte nicht eher, als bis sämtliche Durchnässten und Halberfrorenen trocken gekleidet und in behaglich gewärmten Zimmern städtischer Lokale untergebracht waren, wo ihrer Aller eine tüchtige Mahlzeit harrte.
Rostock, Rathaus
099 Kirchensiegel von St. Jacobi
099 Siegel des Domstiftes von St. Jacobi
Rostock, Stadt-Theater (1895-1942)
Rostock - Kröpeliner Tor
Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße
Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Rostock - Petrikirche mit Petritor
Hansestadt Rostock, Unterwarnow, Pionierschiff mit Blick auf Petrikirche, 1962
Rostock, Stadthafen, 1968
Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff "Wilhelm-Pieck", 1968
Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968
Rostocker Wallanlagen und Kröpeliner Tor, 1968
Rostock vor dem Steintor
Rostock vom Carlshof um 1830.
Rostock Altstadt
Rostock Altstadt vom Steintor.
Rostock Blücherplatz 1844
Rostock Hopfenmarkt.
Rostock - Neuer Markt um 1820.
Rostock vom Steintor 1841.
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