Insel Poel

Hier richtete das Unwetter am 13. wahrhaft Entsetzen erregende Verheerungen an. An den Ufern von Gollwitz, Kaltenhof, Neuhof und Oertzenhof sind Flächen von 15-20, ja stellenweise bis 30 Meter Breite losgerissen, im Ganzen gingen viele tausend m2 Meter mit Wintersaaten verloren oder sind versandet. - Die Brücke zwischen hier und dem Festlande wurde fast gänzlich zerstört, nur einige Jochbalken sind zurückgeblieben. (Die Trümmer sind später in der Gegend von Zierow aufgefunden.) Der kleine Poeler Damm wurde zum dritten Teil zerstört. Verlust an Menschenleben war nicht zu beklagen, um so mehr der von beweglicher Habe. In Fährdorf wurden drei Büdnereien arg beschädigt, in einem massiven Hause sogar sind die inneren Klutenwände eingeweicht und dadurch der Schornstein eingestürzt. In Kirchdorf wurde im Küstergehöft sehr bedeutender Schaden angerichtet, die Innenwände fielen fast durchweg ein, das Vieh musste in die Schulstube gebracht und auf Brettern platziert werden, die über die Schultische gelegt worden. Ferner wurde die Büdnerei arg mitgenommen. In Weitendorf wurden 2 Büdnereien vollständig zerstört. Die Einwohner aller dieser Gehöfte verloren ihre Habe fast gänzlich. In Brandenhufen verloren die Gehöftstagelöhner viel von ihrer Habe. Das neue massive Lotsenhaus in Timmendorf wurde nur wenig beschädigt, dagegen wurde das Rettungshaus mit dem Schuppen von den Wellen fortgerissen. Einzelne Besitzer berechneten ihren Schaden auf 8-10.000 Thlr.

Über den Verlauf des Unwetters wird berichtet: „Schon am 12. November hatten wir sehr hohes Wasser, das uns indessen nicht ängstigte, weil in solcher Höhe es Jeder schon oft gesehen hatte; aber in der Nacht auf den 13. brach der Sturm so heftig aus, dass Alle mit Angst und Schrecken erfüllt wurden. Den 13. November Morgens stand das Wasser bereits in Kirchdorf dem Hauptort der Insel, so hoch; als es noch Niemand gesehen hatte; Mittags 2 Uhr hatte es den höchsten Punkt erreicht.


In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, etwa um 1 Uhr, ertönte der Angstschrei von allen Seiten. Die sehr niedrig in der Nähe des Meebusens „Kirchsee" gelegene Peter Roal'sche Büdnerei Nr. 1 war schon hoch mit Wasser umgeben und noch befanden sich Leute in derselben. An dieselbe war nur noch mit einem Kahn heranzufommen. Derselbe wurde herbeigeschlept und nun bemühte man sich mit aller Anstrengung, die armen geängstigten Leute zu retten, was bei der unaufhörlich anströmenden Flut nur nach langer Arbeit gelang. Rühmlichen Wetteifer haben dabei bewiesen der Böter Schwarz, welcher 2 Stunden lang 4 Fuß tief im Wasser stand; ferner die Böter Lange, Möller Lembcke, Steinhagen und Kaufmann Paul Steinhagen. Der in diesem Katen wohnende alte Kuhlengräbe, wollte das Erbe seiner Väter nicht verlassen und musste fast mit Gewalt fortgerissen werden. Alle Einwohner dieser Büdnerei konnten nur durchs Fenster gerettet werden. Schweine, Ziegen und Schafe, alle mussten den Weg durch das Fenster ins Boot nehmen, um dem gewissen Wassertode zu entgehen. Die Obdachlosen wurden zunächst Alle in das Haus des Briefträgers Freitag gebracht; kaum waren sie in Sicherheit so stieß die Gewalt der Flut die Tafeln des verlassenen Gebäudes ein.

In Weitendorf hat die Sturmflut ebenfalls arge Verwüstungen angerichtet. Die hohen Wälle der Kirche, die Überreste aus alten Kriegszeiten, haben entsetzlich gelitten und sind kaum noch wieder zu erkennen. Das Wasser drang so hoch, dass nur die Spitzen der Wälle aus denselben hervorragten; die Kirche stand wie ein mächtiger Fels in der brandenden Sturmflut.

Bei Fährdorf wütete die Flut furchtbar. Durch den „Breitling" stürmte die Flut aus der Ostsee an der Ostseite der Insel herbei, durch die Wismarsche Wasserstraße von der anderen Seite. Bei der Brücke trafen die Strömungen mit entsetzlicher Gewalt zusammen und schienen mit Riesenkraft um die Herrschaft zu kämpfen. Die große Brücke erlag zum Teil dem Andrängen des entfesselten Elements. Aber auch der Schanzmann (Zöllner) Steinhagen, welcher unmittelbar an der Brücke wohnt, kam in große Bedrängnis. Zum Zeichen seiner Not steckte er eine Fahne auf und tat Notschüsse auf Notschüsse, aber nur Wenige achteten darauf; wer sollte retten? ganz Fährdorf war überflutet, die Boote fortgerissen; Jeder musste sich beeilen, sich aus diesem niedrigen Tale selber zu retten. Um 2 Uhr Nachmittags endlich schlug des armen Zöllners Rettungsstunde; er wurde mit Weib und Kind zu Boot abgeholt. Ein Boot wurde von den Wellen ans Land geworfen, dasselbe wurde nach Fährdorf sogleich gefahren und zur Rettung des bedrängten Schutzmanns benutzt.