Lübeck und Schleswig-Holstein

Besonders hart von der Sturmflut ist die alte Hansestadt Lübeck und Umgegend betroffen.

Härter noch als die mecklenburgische Küste, namentlich was den Verlust von Menschenleben anbetrifft, erscheint uns die schleswig-holsteinische Küste von dem Unwetter des 13. November betroffen. Auch von hier aus wird gemeldet, dass letzteres Verheerungen angerichtet, wie sie seit Jahrhunderten nicht mehr dagewesen.


Was die holsteinische Küste anbetrifft, so wurde am 13. November das Wasser durch die Gewalt des Sturmes über die Ufer an die Küste von Heiligenhafen, Großenbrode und Fehmarn getrieben und die Felder meilenweit überschwemmt. Eine Menge Häuser und Ortschaften wurden vom Wasser ergriffen, und konnten die Menschen, welche sich auf's Dach und den Boden geflüchtet hatten, nur mit der größten Anstrengung und unter eigener steter Lebensgefahr der Schiffer gerettet werden. In Oldenburg trieb das Wasser die dort befindliche Brücke und die dabei befindlichen Häuser teils weg, teils ruinierte es dieselben. Gleichfalls drang die Flut bis hoch in die Straßen der Stadt Heiligenhafen. Die Niederung vom Fehmarnsund bis tief ins Land hinein stand fast vollkommen unter Wasser, und hätte sich nicht der Wind gegen Abend südlich gewendet, so wäre die Rettung der dort liegenden Dorfschaft Großenbrode unmöglich gewesen. Das Lotsenhaus am Fehmarnsund ward buchstäblich von der fast häuserhoch gehenden Brandung aufgehoben und ins Meer hineingetragen. Der Lotse hatte sich mit seiner Frau und Kindern auf's Dach geflüchtet und wurden dieselben einer nach dem andern vom Meere verschlungen. Bei der Sundbrücke noch gewahrte man die sich am Takelwerk anklammernden, mit den Wellen kämpfenden Personen, namentlich die um Hilfe schreienden Kinder, während weiterhin beim Struckamper Leuchtturm auf den vorbeitreibenden Trümmern kein menschliches Wesen mehr zu erblicken war.

Ebenso betrübend lauten die Nachrichten aus anderen Gegenden des östlichen Holsteins. Am 14. war das Wasser in seinen gewöhnlichen Stand zurückgetreten. Das Land aber war voll Schlamm und Sand, und werden Jahre darüber hingehen, bevor es seine frühere Fruchtbarkeit wieder gewinnt. Die Wintersaat ist vollkommen vernichtet. Viele Hunderte von Menschen, größtenteils dem Arbeiterstande angehörig, haben ihr Hab und Gut dem Meere überliefern müssen und haben kein Obdach für den kommenden Winter.