Kiel

In Kiel setzte der Sturm am 13. alle Bollwerke des Hafens unter Wasser und bei der Norddeutschen Werft jenseits des Hafens standen die Wohnschuppen fiir die schwedischen Arbeiter bis an das Dach unter Wasser, die Marineeisenbahn, auf welcher die Erdmassen aus dem Dock nach dem Gaardener Hörn geschafft werden, waren überschwemmt. Auf dieser Seite des Hafens standen unter Wasser der Eisenbahndamm, die große Maschinenfabrik von Schweffel und Howaldt, der Wall von der Börse bis zum Kattenthor, die Wasserallee. Von der Hafenstraße bis fast zur Faulstraße war ein See, auf welchem Boote, Omnibus und Droschken den unterbrochenen Verkehr vermittelten. Man musste stellenweise sogar auf Leitern in die Häuser steigen, da die Haustüren überschwemmt waren. Die Gärten am Brückensteig, die Holsten- und Kehdenbrücke der Lorenzendamm. - Alles war überschwemmt, das Wasser reichte bis ans Dänische Tor. Der Schade den die Überschwemmung an den Gärten und Häusern und in den Warenlagern der Stadt anrichtete, ist ein sehr bedeutender. Endlich, Nachmittags 4 Uhr, sprang der Wind nach Osten hinüber, und die Befürchtung welche man wegen des rapiden Steigens der Überschwemmung gehegt hatte, verwandelten sich in die Freude, die Wasserhöhe abnehmen und in immer rascherem Tempo verschwinden zu sehen, so dass, nachdem sich der Wind gegen Mitternacht gänzlich gelegt hatte, am 14., Morgens von der Überschwemmung Nichts geblieben war, als die Verwüstung, welche dieselbe überall hinter sich zurückgelassen hatte, während der Hafen, vom schönsten Sonnenschein bestrahlt, innerhalb seiner Grenzen so ruhig wie früher dalag. Die Folgen welche ein Gang längs der Wasserallee, dem Wall und Eifenbahndamm, als den exponiertesten Punkten, kennen lehrte, waren freilich traurig genug, und die Trümmer, welche überall den freien Verkehr hinderten, gaben ein deutliches Bild von der gewaltigen Macht, mit welcher jenes Element tätig gewesen war. Die alten Bäume der Wasserallee hatten allerdings wacker Stand gehalten. Die nach den dort liegenden Kriegsschiffen führenden Brücken waren aber sämtlich mehr oder weniger zerstört. Ein Gleiches galt von der Brücke gegenüber dem Fischertor. Längs des Walles hatte das Wasser an den Häusern bis zu einer Höhe von mindestens 5 Fuß gestanden und fast nirgends war eine Fensterscheibe ganz geblieben. Die massenhafteste Anhäufung von Trümmern aller Art fand sich aber bei dem Bootshafen. Während dieser selbst durch die Masse der von den in der Nähe besindlichen Holzlagern weggeschwemmten Bretter geradezu bedeckt und dadurch völlig unfahrbar gemacht war, befanden sich auf der Straße in einer Strecke von etwa 100 Fuß die mächtigsten und schwersten Balken von den Schiffswerften mit Booten, Türen, zerbrochenen Fensterrahmen, Ruderstangen, die sonst beim Pfaffentor befindliche Drehscheibe für die Eisenbahn, eine Menge Warenballen aus den Zollschuppen, Tonnen, Brettern usw. zu einem wirren Knäuel auf einander gehäuft. Der Eisenbahndamm war in seiner ganzen Länge durch die zahllose Menge der umhergestreuten Bretter fast unpassierbar gemacht. Die Quais und die Hafendämme selbst hatten aber verhältnismäßig wenig gelitten, der größte Schaden war an diesen bei der oben erwähnten Dampfschiffsbrücke am Fischertor eingetreten. Der Hauptverlust traf die Zoll- und Eisenbahnverwaltung, da eine Menge Waren teils fortgeschwemmt, teils vom Wasser stark beschädigt waren, vor Allem wurden aber die zahlreichen Bewohner der überschwemmten Keller am Wall, Haßstraße, Küterstraße, Fleethörn, Faulstraße hart betroffen, da sie, durchweg der ärmeren Bevölkerungs-Klasse angehörend, an dem Verlusie jedenfalls am schwersten zu tragen hatten. Bedeutend waren auch die Schäden, welche das Hochwasser den Marineanlagen zugefügt.

Der in der Nachbarschaft von Kiel gelegene, „Propstei“ benannte Küstenstrich war schon am 12., Abends hart bedrängt, und zwar war das Wasser an der Küste so hoch hinaufgedrängt, dass es die Kappe des Strandwalls erreichte, auch wohl hin und wieder eine Welle den Versuch machte, über dieselbe hinwegzuspülen, aber an eigentliche Gefahr wurde weniger gedacht, weil zu erwarten stand, dass der Wind nachlassen und das Wasser zurückfallen müsse. Um so größer war daher am 13., Morgens die Aufregung, als von den Strandbewohnern nach den anliegenden Dörfern die Nachricht gelangte, dass das Wasser sehr hoch gehe und Durchbrüche zu befürchten ständen. Von allen Seiten eilte man zum Schutz herbei mit Sticken, Schaufeln und Spaten, aber „mit des Geschirkes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten“. Der Strandwall wurde durchbrochen und die See überflutete die ganze Niederung. Gegen reichlich 4.000 Tonnen Wiesen und Ackerland wurde mit Wasser bedeckt und glich einem See. Aus den Fischerkathen zogen die Familien mit ihrer leicht beweglichen Habe landeinwärts. Nachmittags 3 Uhr erreichte das Wasser seinen Höhepunkt, doch ging es noch über den Strandwall und bei einigen Fischerkaten durch die Seitenwände des Hauses.


Nachdem der Sturm sich in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag gelegt hatte, war das Wasser so weit zurückgefallen, dass der Strandwall und diejenigen Ländereien, die zu den eigentlichen Flutländereien der Salzwiesen-Niederung nicht gehören, vom Wasser frei wurden und die Sonne schien so freundlich auf die wenig bewegte Ostsee als sei nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Nur die schmutzige Farbe des Wassers, ähnlich dem Wattenmeer der Westsee, verriet die gewesene Aufregung, Von allen Seiten strömten die Küstenbewohner nach dem Strande, um zu erfahren, wo Hilfe am ersten nötig sein möchte. Über alles Erwarten groß war die Zerstörung durch diese Flut gewesen, wohin man den Blick wendete zeigte sich nur Zerstörung und Jammer. Auf der Strecke vom Schmoeler Strand waren ca. 40 Gebäude zertrümmert, wodurch gegen 70 bis 80 Familien obdachlos und ihrer meisten Habe beraubt worden waren. Auch Menschenleben waren zu beklagen. Der Fischer Fr. Ehler bewohnte mit seiner Familie (Frau, Sohn und Tochter) ein sehr allein liegendes Haus (Brasilien genannt) auf dem Schönberger Strande und hatte zu seinem Unglück sein Fischerboot kurz vorher auf dem Wege von Laboe nicht gegen den Nordost aufbringen können und daher dasselbe bei dem Schäferhaus auf der Fernwischer Haide in Sicherheit gebracht.

Als der Wind auch am Mittwoch nicht nachließ und das Wasser über den Strandwall zu steigen drohte, dachte man noch nicht daran, das Haus und die Habe zu verlassen, um das nackte Leben zu retten, und als durch Grundbrtiehe das Wasser massenhaft in die Niederung stürzte, war ein Entfernen ohne Boot nicht mehr möglich, auch schien die Lage nach früher bestandenen Fluten nicht so verzweifelt, dass notwendig Anstalten zum Verlassen des Hauses getroffen werden mussten, und wenn auch die Wogen den unteren Teil des Hauses durchbrochen hatten, das Ständerwerk mit dem Dach steht noch und hätte der Familie den nötigen Schutz gewährt. Zu ihrem Unglück aber sehen sie das etwa 20 Minuten entfernt liegende Nachbarhaus (vor etwa 20 Jahren massiv aufgeführt) zusammenstürzen und glauben sich nun in dem eigenen Hause nicht sicher. Auf einem notdürftig gezimmerten Floß hoffte man das hochliegende Land zu gewinnen. Ohne Mittel das so entstandene Fahrzeug zu lenken, folgte es den Wellen in der Richtung nach dem Hochlande zu. Fr. Ehler, seine Frau und Tochter spülten vom Floß ab und fanden ihren Tod, der Sohn erreichte das Land, war aber so sehr abgeschnitten, dass er von Mittwoch Nachmittag bis Donnerstag Morgen durchnässt in Sturm und Regen auf einer kleinen Insel bleiben musste. Man bemerkte ihn von Ferne, war aber wegen Mangels an Booten nicht im Stande, sofort Hilfe zu bringen. Sonst hört man mit Bestimmtheit auf der Strecke von Schmoel bis Laboe keine weiteren Verluste von Menschen. An Rindvieh kamen im Ganzen an 60 Stück um, davon auf Fernwisch allein reichlich 40.