Die Steckenreiter

Autor: Ueberlieferung
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Oktavio Piccolomini, der Herzog von Amalfi, war das Oberhaupt der Reichskommision, die in Nürnberg die Friedensbedingungen, auf die man sich in Münster und Osnabrück geeinigt hatte, bis ins einzelne und kleinste ausarbeiten sollte. Er war zwar ein großer Herr; aber er hatte niemals etwas gegen Spiel und Scherz einzuwenden. Da war es einmal einem Spaßvogel eingefallen, bei den Nürnberger Kindern ein Gerücht auszusprengen, daß jeder, der am nächsten Sonntag auf einem Steckenpferd vor Piccolominis Haus geritten käme, einen Taler kriegen sollte.

Der Samstag kam, und kaum war die Kirche zu Ende, da kamen auch schon die Buben in hellen Haufen dahergeritten. Sie lachten und lärmten und galoppierten auf ihren Steckenpferden an den Fenstern des Herzogs vorbei. Piccolomini wunderte sich über den Lärm, machte sein Fenster auf, und schaute hinaus. Da grüßten ihn die Reiter und die Pferde mit fröhlichem Schreien und Wiehern. Und er sah, wie aus allen Gassen und Straßen noch neue Reiter dazukamen, bald einzeln, bald in ganzen Zügen. Der Herzog hatte großen Spaß an dem Aufzug und schickte einen Diener hinunter: Was das denn bedeute? Da kam der Schwindel heraus!

Der Herzog lachte über den Scherz, winkte der ganzen munteren Schar freundlich zu und ließ dann durch einen Diener verkünden, daß er heute leider auf den Besuch nicht vorbereitet gewesen sei; sie sollten nur am nächsten Sonntag noch einmal kommen, da wolle der Herzog sein unfreiwilliges Versprechen freiwillig einlösen. Die Buben schrien und jubelten, und mit Springen und Lachen zogen sie davon.

Acht Tage später kamen die Steckenpferdreiter wieder vor das Haus des Herzogs; diesmal in noch viel größerer Menge. Wieder hatte der Herzog großen Spaß an ihnen. Er hatte in der Zwischenzeit silberne Münzen prägen lassen, die aber nicht rund, sondern viereckig waren. Auf der Vorderseite sah man einen Buben auf dem Steckenpferd, mit der Peitsche in der Hand und der Jahreszahl 1650. Auf der Rückseite sah man den Reichsadler und ein Hoch auf den damaligen Kaiser Ferdinand III.

Jeder Steckelesreiter bekam so einen Taler. In mancher Nürnberger Familie wird die Münze heute noch aufbewahrt.