Zollbefreiung der deutschen Städte und deren Beschränkung

Etwas, was den deutschen Städten in der Regel gleich bei ihrer Gründung zu Teil wurde, war die Zollbefreiung für den ganzen Umfang des landesherrlichen Gebiets. Hierin entstand wieder ein wesentlicher Unterschied zwischen den Städten deutschen Rechts und den alten wendischen Burgflecken. Während in den letzteren der Handel für Fremde und Einheimische denselben Bedingungen unterlag, da jeder an jeder Marktstätte denselben Marktzoll, an jedem Flussübergang denselben Fähr- oder Brückenzoll, in jedem Hafen denselben Ein- und Ausfuhrzoll, an jeder Durchgangsstelle, wie in Belgard für Wagen, in Fidoichow und Usedom für Schiffe, denselben Transitzoll zu erlegen hatte, trat jetzt eine entschiedene Begünstigung des einheimischen Handels ein. Alle jene lästigen Schranken und den Verkehr bedrückenden Abgaben blieben allein für den fremden Kaufmann bestehen, während der einheimische seine Waren frei durch das ganze Gebiet des Landesherrn verführen konnte. Allerdings hörte diese Zollbegünstigung an der Grenze des Landes auf, sodass Greifswald in Anklam, und Anklam in Greifswald zollpflichtig waren, solange beide Städte verschiedenen Landesherrn, jene Stadt dem Herzoge Wartislaw III., diese dem Herzoge Barnim I. gehörten. Ebenso hatten Stettin und die andern Städte des Stettiner Herzogtums in Kolberg und in dem Hafen der Divenow den halben Zoll zu erlegen, weil dieser dem Herzoge Wartislaw III. zukam. Sobald aber das Erbe Wartislaws III. an Barnim gefallen war, suchten die Städte, wie schon einige Tage darauf Anklam*), ihre Zollbefreiung auch über das neue Gebiet auszudehnen. Wiederum galt es als selbstverständlich, dass mit der Veränderung der Territorialherrschaft auch die Zollbegünstigung aufhörte. Als Prenzlau und Pasewalk 1250 an die Mark abgetreten wurden, verloren sie in Pommern die Zollfreiheit, und erst 1320, wo die Ukermark von Neuem mit Pommern in nähere Verbindung trat, erlangten sie in Greifswald, Demmin, Anklam und Stargard wieder die Befreiung von Zoll und Ungeld, wofür die Pommerschen Herzoge jene Städte, denen damals der Stadtzoll bereits eigen gehörte, zu entschädigen versprachen**). Ebenso war Anklam, das bei der Landesteilung von 1295 mit seinem Stadtgebiet an die Wolgaster Linie fiel, schon während der Teilungsverhandlungen darauf bedacht, sich von dem Stettiner Herzoge Otto I. die ungehinderte und zollfreie Schifffahrt auf der Peene bis zum Meere im Voraus reversieren zu lassen. Denn mochte der Fürst das nördliche oder das südliche Ufer erhalten, immer stand ihm das Recht zu, hier einen Flusszoll anzulegen und dadurch die ganze Schifffahrt von und nach Anklam zu belasten. Jener Revers***) des Herzogs Otto ist schon am 1. Juni ausgestellt, während die definitiven Teilungsurkunden am 27. Juni und 12. Juli unterzeichnet wurden.

*) Das Zollprivileg Anklams von 1264 ist nicht dahin zu verstehen, als ob Anklam jetzt Überhaupt erst die Zollbefreiung erlangt hätte, sondern nur als eine Erweiterung seiner schon früher erworbenen Berechtigung, veranlasst durch den Tod Wartislaws III. und den Anfall seines Landes an Barnim. Wartislaw III. starb Ende Mai 1264, und schon den 8. Juni 1264 erhielt Anklam sein erweitertes Zollprivileg. — **) Stavenhagen a. a. O., p. 347, 3tr. 35. — 3) Der Verfasser gibt S. 4 den Inhalt der Urkunde ungenau an. Nicht von der Zollbefreiung Anklams im ganzen Gebiet des Herzogs Otto I. ist die Rede, sondern bloß von der freien Schifffahrt auf der untern Peene, soweit der Teilungsvertrag ihm hier Zollrechte zusprechen würde: ...


Solche Beschränkungen der Zollfreiheit nach der landesherrlichen Grenze führten dann öfter zu Gegenseitigkeitsverträgen. So schloss Greifswald 1274*) mit dem Bischof von Cammin einen Zollvertrag ab, wonach die Untertanen des Bischofs in Greifswald und die Greifswalder im ganzen Gebiet des Bischofs zollfrei sein sollten. Was den Stadtzoll selbst betrifft, so waren die Städte, obwohl ihre eigenen Bürger davon befreit waren, doch zu sehr dabei beteiligt, als dass sie nicht schon früh nach seiner Erwerbung hätten streben sollen. Einerseits musste ihnen daran liegen, dass der Stadtzoll auch für Fremde auf einer mäßigen Höhe erhalten bliebe, damit deren Verkehr nicht nach andern Städten verscheucht würde, andrerseits mussten sie selber darüber disponieren können, um sich nötigenfalls durch einen Nachlass an anderen Orten eine gleiche Begünstigung zu erkaufen. Wir finden daher feit den siebziger Jahren des XIII. Jahrhunderts das Bestreben in den Pommerschen Städten hervortreten, sich in den Besitz des Stadtzolles zu setzen. Schon 1272 pachtete Stralsund vom Fürsten Wizlaw II. den dortigen Stadtzoll. Zwei Jahre später erblicken wir auch Greifswald im Pfandbesitz des Stadtzolles, den sie 1275 völlig zu eigen erwarb. Ungefähr um dieselbe Zeit wird auch Stettin den Stadtzoll erlangt haben. Es liegt kein Grund vor, die Stettiner Zollrolle, welche bei dieser Gelegenheit**) vom Herzoge Barnim ausgefertigt wurde, älter anzusetzen. 1284 kaufte Anklam den Stadtzoll unter Zustimmung des Herzogs Bogislaw IV. vom Ritter Hermann Bröker, der ihn damals zu Lehn besaß. 1285 erhielt auch Stargard den Stadtzoll, und 1302 Garz a. O., beide mit besonderen Berechtigungen verbunden. Wer in Stargard den Zoll erlegte, sollte an allen andern fürstlichen Zollstätten bis zum Meere zollfrei sein. Zu Gunsten des Stadtzolls von Garz wurde die Handelsstraße von Schwedt nach Stettin, die bisher über Tantow und Reinkendorf ging, über Garz verlegt. 1328 erhielt Garz sogar ein Pfändungsrecht gegen alle Contravenienten, die ihren Stadtzoll auf der alten Handelsstraße umgehen würden.

*) Das Jahr 1274 ist nicht anzufechten. Gesterding, Beiträge zur Geschichte der Stadt Greifswald, I, p. 18, Anm. zu Nr. 25, will die Urkunde ins Jahr 1275 verlegen. Der Verfasser, S. 190, folgt ihm darin. Allein der Ausdruck ..., zeigt, dass der Zollvertrag abgeschlossen wurde, als Greifswald bloß noch im Pfandbesitz des Stadtzolles und bevor ihm noch das volle Eigentum daran verliehen war, was erst 1275 geschah. — **) Dass der Stadtzoll bei der Ausfertigung der Zollrolle zugleich an Stettin zum Eigentum übertragen worden, wird in der Urkunde (Cod. Nr. 451) allerdings nicht ausdrücklich gesagt, lag aber nach competentem Urteil implicite darin, da das älteste im rathäuslichen Archiv zu Stettin befindliche Dokument der Zollrolle auf der Rückseite von alter Hand die Aufschrift trägt: de donatione thelonei.

Durch solche Begünstigungen und andere Monopole, wie das Vorkaufsrecht, den Stapel und die Niederlagsgerechtigkeit, welche einzelnen Städten zugestanden wurden, nahmen die Pommerschen Städte einen so überraschend schnellen Aufschwung, dass sie schon vor Schluss des XIII. Jahrhunderts sowohl nach Außen hin in dem Hansebund, als auch in den innern Landesangelegenheiten durch Ausübung gewisser landständischer Befugnisse einen bestimmenden politischen Einfluss sich errangen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern