Warum Stargard vom Bischof Otto nicht auf der Reise besucht wurde

Es bliebe allerdings noch zu erklären, warum Stargard vom Bischof Otto weder auf seiner ersten, noch zweiten Reise besucht wurde. Vielleicht lagen hierfür dieselben Gründe vor, weshalb der Pommern-Apostel ebenfalls nicht nach Groswin kam, und diese Burg auch nicht einmal von seinen Biographen erwähnt wird, obwohl die Gefährten Ottos 1127 von Demmin aus auf der Peene hart an ihr vorüberschifften. Entweder waren bei den beiden Burgen zu unbedeutende oder gar keine Burgflecken vorhanden, und die Burgen selbst, im Frieden unbewohnt, wie noch später Garz und Arcona auf Rügen, dienten nur zu Kriegszwecken, mit dem nötigen Apparat der Landesverwaltung versehen, wenn auch gelegentlich sich außerdem noch Landtage in ihnen versammeln mochten. Urkundlich wurden 1140 die beiden Burgen Groswin und Stargard mit anderen schon bekannten Burgen dem in Wollin errichteten Pommerschen Bistum beigelegt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass sie zwischen 1127—1140 erst neu gegründet worden. Die ganze Kastellaneiverfassung Pommerns hat eine uralte Grundlage, in der Groswin und Stargard nicht fehlen konnten. Für die sehr frühe Existenz der Burg Groswin haben wir wenigstens ein indirektes Zeugnis, da bereits 946 das Land Groswin urkundlich genannt wird, und das Land ohne die dazu gehörige Burg, von der es seinen Namen führte, nicht sein konnte. Groswin lag nach Micrälius*) bei Neuhof an der Peene eine halbe Meile von Anklam entfernt. Diese Entfernung ist viel zu groß, als dass Anklam den Burgflecken von Groswin hätte bilden können, wie der Verfasser annimmt**). Burg und Burgflecken lagen immer der Natur der Sache nach in unmittelbarer Nähe bei einander. Die von Micräl beschriebene Lage von Groswin erklärt aber, warum hier kein Raum für eine handeltreibende Stadt war, trotzdem auch hier wie bei andern Burgen Markt und Krug bestanden, die schon Herzog Kasimir I. dem Kloster Stolpe verlieh. Das Stolper Plateau, auf dessen Rande der Burgwall sich erhob, tritt zu nahe an die Peene heran, um noch für eine Ansiedelung Platz zu lassen. Überhaupt möchte Micräls Beschreibung meine oben geäußerte Vermutung bestätigen, dass Groswin nur als Burgwall existierte. Auch das spricht dafür, dass in Groswin gar keine Kirche errichtet wurde, während alle bewohnten Burgflecken die ältesten Kirchen erhielten. Die erste Kirche des Landes Groswin war die Kapelle des Klosters Stolp. Anklam ist also weder als Teil, noch als Erbe der Bedeutung Groswins zu betrachten, noch auch durch oder von Groswin aus angesiedelt. Anklam entstand als neue deutsche Stadt unter Verhältnissen und zu einer Zeit, wo es zur Entstehung einer Stadt nicht mehr der Anlehnung an eine Burg bedurfte, wo vielmehr im Gegenteil die Entfernung und der Abbruch der Burg als erste Grundbedingung ihres Gedeihens angesehen wurde. Wahrscheinlich aber ist es, dass die Nähe der Marktstätte der Provinz die ersten deutschen Ansiedler und Kaufleute in das alte wendische Dorf Tanglim lockte. 1243 hatte diese deutsche Kolonie bereits einen Schulzen, und erhielt im Jahr 1244 ihren Stadtfreibrief.

*) A. u. N. Pommern, II. B. §. 17. - **) Siehe p. 1. Not. 4.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern