Lautet der Name Anklams wirklich irgendwo Naclam?

Obwohl die Burg Nadam oder Nieden jetzt nicht mehr, der Provinz Pommern angehört, so musste ich hier doch ihre Lage feststellen, einmal weil sie bisher in Pommern vergeblich gesucht worden, sodann weil ich noch einige Bemerkungen über einen Irrtum des Verfassers, der sie nach Anklam versetzt*), daran zu knüpfen habe. Die Meinung, dass Anklam die nach der Einnahme Stettins zerstörte Feste gewesen, ist nicht neu. Schon ein alter Pommerscher Bearbeiter einer Lebensbeschreibung des Bischofs Otto, dessen Handschrift zu Stavenhagens Zeit (1773) in der Nicolai-Kirchenbibliothek zu Greifswald aufbewahrt wurde, die aber nicht, wie der Verfasser tut, als Handschrift von Herbordi vita Ottonis, sondern als eine selbstständige Compilation aus derselben aufzufassen ist, setzt ohne Weiteres Tanglym statt Nadam. Spätere sind ihm darin gefolgt, wie Stavenhagen*) ausführlich meldet. Auch das hat schon Stavenhagen hervorgehoben, dass durch Lesefehler der späteren Abschreiber aus Naclam leicht Nadam entstehen konnte, wie umgekehrt Nactam aus Nadam wirklich entstanden ist. Der neueste Herausgeber von Herbordi vita Ottonis in Pertz Monumenta, hat mehrere Handschriften benutzt und verglichen. Von diesen lesen an der zweiten Stelle, wo jener Burg erwähnt wird, alle Nadam, an der ersten Stelle die meisten Nadam, die Bamberger Handschrift Nactam, eine Wiener Handschrift, die der Ausgabe des Canisius zum Grunde lag, Vadam. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Schreiber aller jener Handschriften das ursprüngliche Naclam verlesen hätten. Die Möglichkeit indes zugegeben, was würde dadurch für Anklam gewonnen? Lautet der Name Anklams wirklich irgendwo Naclam? Hierauf antwortet der Verfasser mit der Berghausschen Etymologie des Namens: na-ohlum, d. h. am Berge. Darnach soll der Name also ursprünglich Nachlum, dann Naclam, darauf durch Inversion Anklam gelautet haben, dem etwa, wie Stavenhagen meint**), „die Verfasser der alten Diplomata den harten Vorlauter ihrer Teutschen Allemannischen Mundart vorgesetzt“, bis er allmählich wieder verschwand. Aber auch abgesehen davon, dass der Wendische Dialekt Pommerns für Bergspitze, Kuppe, Kulm nicht die Wortform chlum, sondern golm hatte, und dass die flache Umgegend Anklams für die abgeleitete Bedeutung des Namens gar keinen Anhalt bietet, so leidet diese etymologische Deutung an dem einen Grundfehler, dass sie etwas erklärt, was gar nicht der Name Anklams ist. Der ursprüngliche alte Name war Tangglim, Tanglym, Tanchlim, Tanclem. So lautet er in allen alten in Pommern selbst ausgestellten Urkunden, so prägte ihn die Stadt selber auf ihre eigenen Münzen, und ihre Bracteaten bezeichnete sie mit dem Anfangsbuchstaben T. Das T war eben ein wesentlicher Bestandteil des Namens, dessen erste Silbe die Wurzel Tang die auch den Personennamen Tango-mir und Tanko-slaw und den Ortsnamen Tank-ow und Tang-nitz zum Grunde liegt, gebildet zu haben scheint. In der zweiten Silbe verbirgt sich vielleicht das wendische Wort glamb, d. h. Tiefe, sodass Tang-glamb*) etwa einen durch tiefes Wasser, Moor und Bruch geschützten Ort bedeuten könnte. Wie es sich aber auch damit verhalten mag, jedenfalls gehörte Tanglim zu denjenigen wendischen Worten, deren Anfangsbuchstabe T so verschluckt gesprochen sein muss, dass ihn ein fremdes Ohr nur schwer auffasste, und ein fremder Mund nicht wiedergab. Wir finden daher in den außerhalb Pommerns, wie z. B. in Wismar und in Dänemark, ausgestellten Urkunden auch schon im XIII. Jahrhundert die Form Anclem vorkommen. Gegen Ende des XV. Jahrhunderts wird sie auch in Pommern schon öfter gebraucht. Ganz verschwindet Tanglim doch erst im XVI. Jahrhundert. So wie Anklam aus Tanglim, so ist aus denselben Gründen auch Upost aus Tupurista, und Upatel aus Topadla geworden.

**) Quandt, Balt. Studien X, 2. p. 121, ff. Vergl. auch die Note des Verfassers, p. 355, Not. 2. —
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern