In inneren Angelegenheiten waren die Städte völlig autonom

In innern Angelegenheiten waren die Städte, besonders seitdem die herzoglichen Stadtvögte oder Schultheißen an Bedeutung und Einfluss auf die Verwaltung eingebüßt hatten, völlig autonom. Hier entschieden allein Rat und Bürgerschaft. Die Beschlussfassung der Bürgerschaft geschah in mehreren jährlichen Bürgerversammlungen, doch wich diese Sitte bald anderen Einrichtungen, und bloß noch eine allgemeine Bürgerversammlung wurde alljährlich abgehalten, um derselben in der Bursprake die beliebten Polizeianordnungen und Willküren des Rats zu verkündigen. Eine Beschlussfassung und Kontrolle über die Verwaltung wohnte ihr nicht mehr bei. An ihre Stelle traten hierfür die Einzelberatungen der Zünfte. Den meisten Städten wurde schon gleich bei ihrer Gründung das Recht beigelegt, ihre Bürger in Zünfte zu gliedern. Unter diesen tritt als vornehmste Innung die der Gewandschneider hervor, nach ihr die der Krämer; beide bilden die Gilde der Kaufmannschaft. Ihnen zunächst an Ansehen standen die vier Gewerke der Fleischer, Bäcker, Schuster und Wollenweber, denen sich dann in bevorzugter Stellung noch die fünf Gewerke der Schneider. Schmiede, Böttcher, Kürschner und Riemer anschlossen. Diese vertraten zugleich die übrigen Zünfte mit. An der Spitze jeder Zunft standen die Alterleute, deren Anzahl nach Zunft und Städten verschieden war. In Stettin hatte die vereinigte Gilde der Kaufmannschaft 8 Alterleute, die Ämter der Fleischer, Bäcker und Schuster je 6, und die andern Zünfte je 4 Alterleute. Aus der Innung der Gewandschneider rekrutierte sich hauptsächlich der Rat, doch musste die Wählbarkeit zu Ratspersonen oft auch auf die Alterleute anderer bevorzugter Gewerke ausgedehnt werden. Auf die Stadtverwaltung erlangten die Alterleute des Gewandhauses schon im Anfange des XIV. Jahrhunderts Einfluss, später wurde auch den Alterleuten der vier Gewerke oder der elf Gewerke, worunter die beiden Kaufmannsgilden mitbegriffen sind, eine Mitwirkung zugestanden. Im XVI. Jahrhundert wurden die städtischen Rezesse in Stettin neben dem Rat und den Alterleuten der Kaufmannschaft auch von den Alterleuten der vier Gewerke mitvollzogen und besiegelt. Die eigentliche Regierungsgewalt in der Stadt ruhte in den Händen des Raths, einer Körperschaft, die gleich bei der Gründung der Städte eingesetzt wurde. Ob die erste Wahl von dem Fürsten oder wenigstens dem Erbauer ausging, oder ob die Wahlurne der Bürger mitwirkte, ist nicht ersichtlich. In der Folgezeit ergänzte sich der Rat selbst durch Kooptation, doch musste in einzelnen Städten früher oder später den Alterleuten der Kaufmannschaft und der Gewerke eine Mitbeteiligung an der Wahl der Ratspersonen zugestanden werden. Die Anzahl der Ratmänner war nicht zu allen Zeiten und nicht in allen Städten gleich, in den größeren Städten wurde sie im XIV. Jahrhundert auf 24 festgesetzt. Die Dauer der Amtsführung war eine lebenslängliche, indes befand sich, wenigstens während des XIV Jahrhunderts, nicht der ganze Rath in ständiger Funktion. Zu dieser Zeit war es Brauch, dass regelmäßig alle Jahr eine Anzahl seiner Mitglieder, in Stralsund, Greifswald, Anklam und Demmin ein Drittel, in Stettin die Hälfte, aus dem Rate ausschied und dafür eine gleiche Anzahl neu eintrat. Im folgenden Jahr traten die Ausgeschiedenen wieder ein, indem die andere Hälfte oder ein anderes Drittel ihnen den Platz räumte, sodass also in jenen Städten jedes Ratsmitglied zwei Jahre fungierte und das dritte Jahr außer Wirksamkeit stand, in Stettin dagegen dies ein Jahr um das andere geschah. Die fungierenden Mitglieder hießen die neuen oder auch die jährigen Ratmänner (consules praesentis anni), die ausgeschiedenen die alten. Bei wichtigen Verhandlungen wurden auch die alten Ratsmitglieder hinzugezogen, daher uns die consules novi et antiqui oder veteres et moderni sehr häufig in Urkunden jener Zeit begegnen. Dieser Brauch scheint im XV. Jahrhundert allmählich wieder verschwunden zu sein.

Die Leitung des Rats lag den Bürgermeistern ob, seitdem den Stadtvögten oder Schulzen der Einfluss auf die Verwaltung entschlüpfte. Auch ihre Anzahl wechselt nach den Städten; in Stralsund und Greifswald finden wir 4, in Stettin nur 3 Bürgermeister. Sie gingen aus der Mitte des Rats hervor und verwalteten ihr Amt lebenslänglich, ohne dem jährlichen Wechsel zu unterliegen. Wohl nicht in allen, aber in einigen Städten, wie Anklam, kam ihnen die Verteilung der Stadtämter unter die Ratspersonen zu; sie bestellten aus ihnen den Münzherrn, den Ziegelherrn, den Mühlenherrn, den Weinherrn u. s. w. Neben den Bürgermeistern waren noch die Kämmerer als ständige Beamte von Bedeutung.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern