Die ersten Pommerschen Städte mit Lübischem Stadtrecht

Das Lübische Stadtrecht drang im Gefolge der vom Niederrhein, aus Westfalen, Holstein, Braunschweig und Mecklenburg zuströmenden Bevölkerung in die Ostseeküste Pommerns ein. Lübeck, mit dem westfälischen Rechte von Soest gegründet, Mutterstadt von Wismar und Rostock, hatte sich damals bereits zum Mittelpunkte des Ostseehandels gemacht. Zahlreiche Kaufleute aus Lübeck besuchten Pommern und erfüllten dessen Häfen und Küstenplätze, seit 1234 durch vollkommene Zollfreiheit begünstigt. Ihnen schloss sich die Handel treibende Bevölkerung der Tochterstädte und der verwandten Gebiete an, alle in dem Lübischen Rechte ihre hergebrachten Rechtsgewohnheiten erkennend. War nun die deutsche Einwohnerschaft der neu zu begründenden Stadt aus Einwanderern verschiedener Städte gemischt, so vereinigten sie sich natürlich in dem allen gemeinsamen Lübischen Recht, und die neue Stadt erhielt das Lübische Recht ohne weitere Vermittlung. Überwog aber die Zahl der aus einer bestimmten Stadt Eingewanderten, so veranlassten diese die Wahl des Rechts ihrer Mutterstadt, freilich kaum verschieden von dem Lübischen Rechte selber, nur dass in solchem Falle nicht Lübeck, sondern die Mutterstadt als Appellationsinstanz galt, und von dieser erst nach Lübeck rekurriert werden durfte.

Die ersten Pommerschen Städte mit Lübischem Rechte entstanden in dem Gebiete des Fürsten von Rügen, Stralsund 1234, wahrscheinlich um dieselbe Zeit auch schon Tribsees, beide von Rostock aus gegründet, und Barth, das ohne Vermittlung Lübisches Recht erhielt. Dem Beispiele Wizlaws I. folgte Herzog Wartislaw III. von Demmin. Die Zeitrichtung erforderte dergleichen Maßnahmen, und wir erblicken keinen Grund, warum Wartislaw darin zurückgeblieben sein sollte. Obgleich daher Demmin verhältnismäßig erst spät als deutsche Stadt urkundlich wird, so zwingt doch Alles zu der Annahme, dass Demmin schon gleich mit der Aufhebung der dortigen Kastellaneiverfassung, also ungefähr 1236, zur Stadt erhoben wurde. Nur in zweiter Stelle kann 1242 Loitz bewidmet sein, das der Ritter Detlef von Gadebusch als Lehn des Herzogs Wartislaw III. besaß. 1244 trat als dritter an der Peene abwärts gelegene Ort Anklam in die Reihe der deutschen Städte ein, durch Herzog Barnim dazu erhoben. Das Jahr 1244 gibt allerdings nur Kantzow für das Anklamer Stadtprivileg an, allein seine Nachricht ist nicht zu bezweifeln. Um dieselbe Zeit wird auch Treptow a. T. vom Herzog Wartislaw III. mit Lübischem Recht bewidmet sein. Sodann privilegierte er Greifswald 1250, etwas später aber noch vor 1257 Wolgast, und in Gemeinschaft mit Bischof Hermann von Cammin 1255 Kolberg, das von Greifswald aus seine vornehmste deutsche Bevölkerung empfing. 1258 ward Damgarten von Stralsund aus aufgelegt. Nicht lange darauf scheint Ueckermünde vom Herzoge Barnim kubisches Stadtrecht erhalten zu haben. Wir wissen freilich erst seit 1442 sicher, dass Ueckermünde Lübisches Recht hatte. Allein wir erkennen doch schon früh sehr innige Beziehungen zwischen Holstein und Ueckermünde, die uns an eine Bevölkerung Holsteiner und Kubischen Ursprungs in Ueckermünde glauben lassen. Hier fanden 1260 die Brüder vom Orden des heiligen Victor zu Paris Aufnahme, welche 1263—1265 von einem Holsteiner Edlen Otto von Barmstedt Schenkungen erwarben*), und sich 1284 der Aufsicht des Holsteiner Klosters Neumünster oder Bordesholm unterwarfen**). Da nun die Victoriner einem städtischen Kloster entstammten, und dies die Wahl ihres neuen Aufenthalts gleichfalls auf eine Stadt lenken musste, so wird auch Ueckermünde 1260 bereits eine deutsche Stadt gewesen sein, wahrscheinlich schon 1259 dazu erhoben, nachdem Barnim zum Austrage gegenseitiger Ansprüche vom Bischofe von Cammin mit ihr belehnt war. 1262 wurde Greifenberg durch Vermittlung Greifswalds vom Herzoge Wartislaw III. gegründet, und auch Wollin erhielt noch von ihm Stadtrechte, also jedenfalls vor 1264. Cöslin erstand 1266 im Bistum Cammin, durch den Bischof Hermann gewissen Unternehmern zur Besetzung übergeben. 1271 machte Wizlaw III. von Rügen einen vergeblichen Versuch zur Gründung der Stadt Rügenwalde, 1274 erhielt Cammin vom Herzoge Barnim, 1277 Plate von seinem Grundherrn, dem edlen Wenden Dubislaw de Wotich, Stammvater der Familie von Woedtke, und in demselben Jahr Treptow a. R. von den gemeinsamen Besitzern, dem Herzoge Barnim und dem Abt von Belbuck, das Lübische Recht.

Aber dies Stadtrecht beschränkte sich jetzt nicht mehr auf die neu gegründeten Städte an der Küste, sondern drang auch erobernd ins Binnenland in die schon zu Magdeburger Recht bestehenden Städte vor. 1286 nahm Massow und 1292 Stargard das Lübische Recht an, wie bei Stargard wahrzunehmen, durch die zuströmende Bevölkerung aus den Städten Lübischen Rechts und die mit diesen angeknüpften Handelsverbindungen veranlasst. Um dieselbe Zeit finden sich nämlich bei den Ratmännern Stargards Familiennamen, die wie Bremer auch in Anklam, und wie Siebenbrüder (Sevenbröder, Septem fratum) auch in Lübeck vorkommen, daher sich aus diesen Verhältnissen erklärt, dass nunmehr Anklam zur Appellationsinstanz für Stargard bestellt wurde. Selbst Damm rezipierte damals aus ähnlichen Gründen das Lübische Recht, musste es aber auf Anordnung des Herzogs Otto 1. von Stettin 1297 wieder mit dem Magdeburger Rechte vertauschen. Der Stadt Golnow wurde 1314, der Stadt Neuwarp 1556 die Annahme des Lübischen Rechts verstattet, Greifenhagen, Bahn, ja sogar die Lastadie, der auf der rechten Oderseite gelegene Teil Stettins, gebrauchte später ebenfalls Lübisches Recht.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern