Die Befugnisse der Landräte waren nicht zu allen Zeiten gleich

Die Befugnisse der Landräte waren nicht zu allen Zeiten gleich. In dem Landtagsabschiede vom 10. März 1614 erteilte Herzog Philipp Julius den Landräten des Wolgaster Orts das Recht, dass sie jährlich wenigstens einmal, am Bartholomäustage (24. August), und auch sonst, so oft es die Landesangelegenheiten erforderten*), auf Konvokation der beiden Landmarschälle aus den Familien von Maltzan und von Buggenhagen, zur Beratung sich versammeln durften. Dasselbe Recht erhielten die Landräte des Stettiner Orts, wo die Konvokation dem Landmarschall aus der Familie von Flemming zustand, im Jahr 1615**). Diese Befugnis wurde für Vorpommern durch die Königliche Schwedisch-Pommersche Regierungsform von 1663 in dem Maße bestätigt, dass der Landmarschall jedes mal zuvor die Erlaubnis zu einer solchen Konvokation bei der Regierung nachsuchen und dabei zugleich die zur Beratung zu stellenden Punkte anzeigen solle. Es dürften dann keine andern Sachen bei dem Konvent der Landräte verhandelt werden, als der Regierung notifiziert worden; auch müsse der Regierung, was beraten und per majora beschlossen, durch ausführliche Relation eröffnet werden, sodass die Regierung das conclusum bestätigen, und den Landmarschall zur Ausführung desselben bevollmächtigen könne. Endlich solle es der Regierung frei stehen, einen Kommissar zu dem Landratskonvent zu deputieren, der jederzeit gehört werden müsse***). Völlig gleich lauteten die Bedingungen, unter denen der große Kurfürst Friedrich Wilhelm in dem Landtags-Rezess vom 11. Juli 1654 auch für Hinterpommern diese Landrats-Konvente auf Konvokation der Landmarschälle zur Beratung der Landesangelegenheiten, „gestalt sie solches bey des Hertzogen zu Pommern Zeiten zu thun bemächtiget gewesen,“ den Hinterpommerschen Standen bestätigte:****)

*) Dähnert, Sammlung, I, p. 636. — **) Micrälius, IV. Buch, p. 66. — ***) Dähnert, a. a. O, p. 367. — ****) Auserlesene Sammlung, erste Ausfertigung, p. 94. — Dähnert, Supplem. I, p. 76.


„1) dass der Landmarschall die capita deliberanda vorhero der Pommerschen Regierung vortrage und hinterbringe;
2) dass auch derselbe allewege uns als ein Landrath gleich andern mit Eid und Pflicht verwandt sey;
3) dass die Zusammenkunft nicht angestellet werde, es habe denn vorbesagte unsere Regierung darein gewilliget, soll ihnen auch nach befundener Beschaffenheit nicht verweigert und abgeschlagen werden;
4) dass auch, da Sachen fürkommen, daran unsere Domainen oder andere Jura mit interessiret seien, alsdann von unseren Räthen jemand mit dazu verordnet werde, dabey es doch also zu halten, wie droben bey dem Incorporations-Punct Meldung geschehen;
5) dass die geschworne Landräthe, welche doch aus allen Districten constituiret seyn, alleine nur verschrieben werden, da aber etwa ein oder ander der Landräthe behindert würde, soll dem Landmarschalle jemand anders aus demselben Districte oder Stadt anstatt des Behinderten zu verschreiben unbenommen seyn.
6) dass auch der Schluss keine Kraft emiger Landes-Constitution habe, noch sonst gültig seyn solle, es sey denn dasjenige, so auf solche Versammlung ins Mittel kommen, debito more erörtert, und von uns approbiret worden.“

Diese Befugnis der Landräte zu jährlichen Konventen, welche sie in Vollmacht der allgemeinen Landstände abhielten, um auf einer Art Vorparlament zu beraten, was auf dem wirklichen Landtage vorzuschlagen und zur Beschlussfassung zu empfehlen sei, ist ihnen ungeschmälert geblieben. Unter der Preußischen Regierung, als der große Kurfürst und sein Sohn, der erste König von Preußen, Friedrich I. die allgemeinen Landstände immer seltener beriefen, und die Landtage endlich vollständig in Abgang kamen, traten die Landratskonvente sogar ganz in die Stelle der allgemeinen Landstände. Sie bildeten seitdem die beiden ständischen Kollegien der Vor- und Hinterpommerschen Landstube, und hatten in allgemeinen Angelegenheiten der Provinz, insbesondere bei Emanierung neuer Gesetze, eine beratende Stimme; Anlagen und Kontributionen auf die gesamte Provinz mit Zuziehung der landesherrlichen Verwaltung zu machen; für die gleichmäßige Verteilung solcher Anlagen zu sorgen und besonders darauf zu sehen, dass alle gemeinen Landeslasten von allen Ständen ohne Prägravation eines einzelnen mit gleichen Schultern getragen würden; über die richtige Verwendung der eingezogenen Anlagen zu wachen; den Verhandlungen über die verfassungsmäßige Einziehung der Landessteuern, sowie der Rechnungsabnahme über die Steuern und Abgaben, welche als gewöhnliche oder außerordentliche von den Korporationen der Provinz aufgebracht werden mussten, beizuwohnen; für die Kontrahierung von Landesschulden überhaupt und auch besonders von Anleihen auf die Staatsdomänen ihre Zustimmung zu geben, und für deren Abbürdung Sorge zu tragen*).

*) Zitelmann, a. a. O. p. 36.

In der Regel alljährlich einmal, im Spätherbst jeden Jahres, wurde der Landratskonvent in der Landstube jeder Provinz, Vor- und Hinterpommern, abgehalten, wobei ihm zugleich die Landesrechnungen zur Abnahme und die Etats der Landeskassen zur Prüfung übergeben wurden. Den Termin des Konvents bestimmte, später ohne Mitwirkung des Landmarschalls, dessen Tätigkeit allmählich in Abgang gekommen war, die Regierung selber, welche auch die Ausschreiben an die Landstube und die einzelnen Landräte erließ. Dasselbe geschah, wenn eine außerordentliche Zusammenkunft der Landräte nötig befunden ward. Für Gegenstände, wobei die Domänen interessierten, war ein Abgeordneter der Regierung bei den Sitzungen gegenwärtig**). Die Beschlüsse wurden durch Stimmenmehrheit gefasst, doch brauchten nicht alle Landräte persönlich gegenwärtig zu sein, sondern konnten mittelst Vollmacht durch einen andern Landrat ihre Stimme abgeben. Bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des vorsitzenden Landrats***), in der Hinterpommerschen Landstube des repräsentierenden Domherrn von Cammin, welcher dort das Direktorium führte****). Waren die Interessen der Ritterschaft und der Städte geteilt, so fand eine itio in partes statt, die ritterschaftlichen Landräte votierten für sich, und die städtischen Landräte auch für sich. Unter den letztern hatte in der Vorpommerschen Landstube Stettin, in der Hinterpommerschen Stargard für diesen Fall das Direktorium.

**) Ebendaselbst p. 38. — ***) Ebendaselbst p, 39. — ****) Ebendaselbst p. 32. —

Außer dieser Vertretung der allgemeinen Landstände und den daraus herfließenden Rechten standen den Landräten in früherer Zeit noch eigene gewichtige Befugnisse zur Mitwirkung bei der Landesverwaltung zu. Unter Schwedischer Hoheit wurden sie 1) bei allen Sachen, die das Deutsche Reich und den Sächsischen Kreis betrafen, zu Rate gezogen; 2) sollten sie zur Einrichtung der Hufenmatrikel, d. h. zur Vermessung und Steuer-Veranlagung des Landes, mitwirken, und zwar wurden dazu durch den Haupt-Kommissions-Rezess vom 12. April 1681 zwei Landräte aus der Ritterschaft und zwei Landräte aus den Städten bestimmt; 3) wurde ein Landrat aus der Ritterschaft und ein Landrat aus den Städten neben einem Regierungsrat zu Obereinnehmern des Landkastens bestellt; 4) waren sie befugt, den judiciis revisoriis, sowie den Visitationen des Tribunals zu Wismar beizuwohnen, und sollten sie dazu wohlerfahrene und der Rechte kundige Mitglieder aus ihrer Mitte erwählen; 5) sollten ebenso bei allen wichtigen Verhandlungen, sowie auch zu den Visitationen, des Consistorii und des Hofgerichts ein Landrat aus den Prälaten und der Ritterschaft und einer aus den Städten hinzugezogen werden, welche bei den Rechtstagen des Hofgerichts zugegen sein, den Relationen und der Publikation des Endurteils beiwohnen, und dabei Sitz und Stimme haben sollten. Noch im Jahr 1799 wurden die Landräte zu den Rechtstagen des Schwedisch-Pommerschen Hofgerichts berufen; 6) hatten sie die Aufsicht über das Kirchen- und Schulwesen. Bei den Kirchenvisitationen wurden neben dem Generalsuperintendenten in allen Orten, welche der Ritterschaft oder den Königlichen Ämtern angehörten, ein Landrat aus der Ritterschaft, in allen städtischen Ortschaften ein Landrat aus den Städten hinzugezogen. Für die Universität Greifswald wurde 1720 dem Generalstatthalter als Kanzler der Universität ein Landrat aus der Ritterschaft und ein Landrat aus den Städten, wie es schon 1681 projektiert worden, und außerdem der Generalsuperintendent zu Kuratoren adjungiert. Den Visitationen der Universität hatten schon früher je ein Landrat der beiden Stände beigewohnt. 1666 waren es der Landrat und Landmarschall Joachim Albrecht von Maltzan von Seiten der Ritterschaft, und der Landrat und Bürgermeister der Stadt Stralsund, Theodor Meyer, von Seiten der Städte; 1702 der Landrat und Landmarschall Hans Jacob von Maltzan Namens der Prälaten und Ritterschaft, und der Landrat und Bürgermeister von Greifswald, Bernhard Dieckmann, Namens gesamter Städte. Über die Jungfrauenklöster aber, welche der Ritterschaft allein vorbehalten waren, führten auch bloß die ritterschaftlichen Landräte die Aufsicht, wie solche 1731 für das neugestiftete Jungfrauenkloster zu Barth auch allein die drei Kuratoren erwählten; 7) sollten die Landräte endlich noch zu Gesandtschaften und Kommissionen bei den deutschen Reichs- und Kreistagen, sowie an den Höfen der Fürsten gebraucht werden.

Unter der Brandenburgisch-Preußischen Hoheit gerieten aber dergleichen Befugnisse der Landräte, soweit sie schon aus der älteren herzoglichen Zeit herstammten, bald in Vergessenheit, und nur bei dem Steuer- und Kontributionswesen wurde diese Mitwirkung der Landräte noch beibehalten, sodass jedes Jahr ein Landrat abwechselnd, das eine Jahr aus dem Prälatenstande, das zweite aus der Ritterschaft, das dritte aus den Städten, die ständische Verwaltung des Landkastens führte. In dem ehemaligen Stift Cammin, das 1654—1669 das inkorporierte Land hieß, auf dem Stargarder Landtage von 1669 aber vom großen Kurfürsten feierlich zum Fürstentum Cammin proklamiert wurde, und das noch fortwährend seinen eigenen Landkasten beibehielt, führte dies zu einem sechsjährigen Turnus zwischen Kolberg und Cöslin. Zu dieser Verwaltung des stiftischen Landkastens deputierte die Stadt Cöslin 1723—1737 ebenfalls einen Bürgermeister unter dem Titel Landrat, seitdem jedoch übertrug sie jenes Amt ihrem jedesmaligen Syndikus. In der Hinterpommerschen Landstube dagegen fand für die Verwaltung des Landkastens ein neunjähriger Turnus statt, da hier die drei Landräte der Städte Stargard, Stülp und Greifenberg alternierten.

Es bleibt nun noch ein Wort darüber zu sagen, wie der Titel Landrat, der allein den Repräsentanten der allgemeinen Landstände zukam, auf die landesherrlichen Kreisverwalter überging.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern
Stralsund, Semlowertor

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Stralsund, Rathaus

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Stralsund, Kniepertor

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Stralsund, Jakobiturmstraße und Jakobikirche

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Stralsund, alte Giebelhäuser

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Stralsund, Räucherbodenhaus im Johanniskloster

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Stralsund, im Hofe des Johannis-Klosters

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Stralsund, Gedenkstein, Ferdinand Schill, gefallen am 31. Mai 1809

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Stralsund, Frankenkaserne

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Stralsund, Am Kütertor

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Stralsund - Hafenpartie

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Greifswald Stadtansicht

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Wolgast, Rathaus

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Wolgast, Stadtmuseum

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Wolgast, Peene

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Wolgast, Wallensteinkeller

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Wolgast, St. Petri Innenansicht

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Wolgast, Rund um St. Petri 6

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Wolgast, Rund um St. Petri 4

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Wolgast, St. Petri

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Wolgast, Rathausplatz, Stadt-Apotheke

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