Der Rostocker Landfrieden und seine Bedeutung

Die Stipulationen dieses Landfriedens sind nach mehr als einer Seite hin von hohem Interesse. Indem die Städte sich in dem mit ihren Landesfürsten eingegangenen Bündnisse zur Stellung einer bestimmten Kriegshilfe herbeiließen, zeigen sie, dass sie der Verpflichtung zur Kriegsfolge gegen ihre Landesherrn bereits nicht mehr unterlagen, obwohl sie speziell dahin lautende Privilegien erst später erlangten. Wie so oft, stellten sich auch hierin die tatsächlichen Verhältnisse viel früher fest, ehe man es für nötig fand, Briefe und Siegel darüber zu geben und zu nehmen. Ferner wurde in dem Rostocker Landfrieden das Bündnisrecht der Städte von ihren Landesherrn ausdrücklich anerkannt, und wenige Wochen später den Städten Wollin und Stargard der Eintritt in das Bündnis gestattet und alle damit verknüpften Rechte gewährleistet.

Wichtiger noch ist der Rostocker Landfriede dadurch, dass in ihm zum ersten Male den Städten landständische Rechte zugesprochen werden. Schon in der Wendenzeit gab es landständische Berechtigungen, aber sie wurden allein durch die Edlen des Landes ausgeübt. In ihre Stelle treten dann in der deutschen Zeit die Vasallen, deren Zustimmung fast regelmäßig in allen Urkunden hervorgehoben wird. Jetzt aber, nachdem die deutschen Städte Macht und Ansehen erlangt hatten, wurde auch ihnen bei der Beschlussfassung in innern Landesangelegenheiten eine entscheidende Stimme eingeräumt. Als Herzog Barnim I. mit dem Markgrafen Conrad von Brandenburg 1278 einen Dienstvertrag abschloss, setzte er zur Sicherung seines Versprechens die Städte Garz a. O., Greifenhagen, Pyritz und Stargard zum Pfande, unter dem Eide der Rathsmannen und unter der Bürgschaft der Kommunen, dass, falls Barnim sein Dienstgelöbnis nicht erfülle, jene Städte solange dem Markgrafen huldigen und untertan sein sollten, bis Barnim seiner Verpflichtung nachkommen würde. Hier haben wir die erste Andeutung, dass den Städten bereits eine Teilnahme an den Landesverhandlungen zugestanden war. Deutlich werden ihre landständischen Befugnisse aber schon in dem Rostocker Landfrieden ausgesprochen.


Der Rostocker Landfriede wurde auf zehn Jahre abgeschlossen. Eine Verlängerung desselben sollte nicht von dem Willen der Landesherrn, sondern allein von dem Antrage und der Bestimmung ihrer Mannen und Städte abhangen Es wurde damit also der Ritterschaft und den Städten eine landständische Beratung und Beschlussfassung unter einander eingeräumt. Ebenso waren die Landesherrn gehalten, die Rechte der beiden Stände zu achten; namentlich sollten den Städten ihre Zollprivilegien und andere Befreiungen, die sie mit Briefen belegen und nachweisen könnten, erneuert werden. Verginge sich einer der Landesherrn gegen den Rostocker Landfrieden, so sollten ihn nicht bloß die andern Verbündeten, sondern auch seine eigenen Vasallen und Städte zur Erfüllung des Bündnisses mahnen und den Widerstrebenden schließlich mit Gewalt der Waffen zwingen. Stürbe einer der Landesherrn, so sollte seinem Nachfolger nicht eher von den beiden Ständen der Mannen und Städte gehuldigt werden, bevor er nicht alle Artikel des Landfriedens angelobt habe. Endlich sollten zur Aufrechthaltung aller Satzungen des Landfriedens, sowie zur Schlichtung etwaiger Streitigkeiten unter den Verbündeten aus den Mannen und Städten der einzelnen Landesherrn Richter und Geschworene erwählt werden, welche sich viermal des Jahres, nämlich am Sonntage nach Ostern, acht Tage nach Johannis, acht Tage nach Michaelis und zu Neujahr, zur Abhaltung des Gerichts versammelten. Die Entscheidung streitiger Fälle stand bei Herzog Johann von Sachsen, den alle Fürsten, Vasallen und Städte zum obersten Richter erkoren.

Seitdem finden wir in Pommern die beiden Stände der Ritterschaft und Städte mit landständischen Befugnissen ausgestattet. 1292 erhielt Demmin das Privileg, dass kein Verbot der Kornausfuhr vom herzoglichen Vogt erlassen werden durfte ohne Zustimmung der Vasallen des Vogteibezirks und des Rats der Stadt Demmin. 1295 wurde die Pommersche Landesteilung durch Vermittlung der Landstände vollzogen. Schon am 27. Juni 1295 war auf dem Landtage zu Stettin in Gegenwart und auf den Rat der versammelten Vasallen und der Abgeordneten sämtlicher Städte die Teilung zwischen Bogislaw IV. und Otto I. verabredet, wobei jene Fürsten den beiden Ständen zugleich die Versicherung erteilen mussten, dass sie Ritterschaft und Städte bei allen ihren, durch Briefe und mündliche Zeugnisse beglaubigten, Rechten belassen wollten. Die Lehenmutung der Ritterschaft und die Huldigung der Städte sollte von beiden Fürsten gemeinschaftlich empfangen werden, indem darin jeder Stand für sich zur gesamten Hand verführe. Die während des Zwistes beider Brüder errichteten Befestigungen sollten abgebrochen werden, wenn nicht beide Fürsten nach dem Beirat ihrer Vasallen und Städte die Erhaltung einer oder der andern beschlössen. Wolle einer der beiden Fürsten einem seiner Vasallen oder einer seiner Städte Gewalt oder Unrecht antun, so seien die Vasallen und Städte berechtigt, sich im Bunde mit dem andern Bruder ihm zu widersetzen. Außerdem wurden die Teilungsgrundsätze verabredet, wonach 8 Ritter, je 4 von Seiten jedes Fürsten, als Vertreter derselben und 4 Bürger aus Stettin als unparteiische Schiedsrichter die Teilung des Landes vornehmen, und jedem Fürsten seinen Theil zuweisen sollten. Beide Fürsten gelobten dann mit Handschlag die gegenseitige Haltung des Vertrages unter Mitverbürgung der Vasallen und Städte, welche, falls einer der Fürsten dem Vertrage zuwider handeln wolle, solange dem andern beistehen sollten, bis der Widerstrebende zu seiner Pflicht zurückgekehrt sei, wie auch die Fürsten, Vasallen und Städte gemeinsam einzuschreiten hätten, wenn etwa Vasallen und Städte den Vertrag verletzen würden. Nach der Verabredung vom 27. Juni wurde dann durch den ständischen Ausschuss der 8 Ritter und 4 Bürger die Landesteilung zwischen den beiden Fürsten vorgenommen, und am 12. Juli zu Stettin jeder derselben in seinen Landesteil feierlich eingewiesen*). Es verdient hervorgehoben zu werden, wie sich der Einfluss der Städte auf die Teilungslinie dadurch dokumentiert hat, dass man die Städte Magdeburger Rechts allein in Einer Hand vereinigte, und die Städte Lübischen Rechts möglichst alle dem andern Fürsten beilegte. Man wich daher an mehreren Stellen von der einfachen Grenzscheide der Flüsse ab, um einerseits Golnow mit seinem Stadtgebiet an das Herzogtum Stettin zu bringen, andrerseits Demmin und Anklam mit ihren Stadtgebieten der Wolgaster Linie zuzuteilen.

Die definitive Teilung wurde ebenfalls auf einer Landtagsversammlung vollzogen, denn noch an demselben Tage oder wenig später (in die Margarthe, der nach von einander abweichenden Kalendarien auf den 12., 13., 15. oder 20. Juli fiel,) setzte Herzog Otto I. seinem Bruder Bogislaw IV. die Stadt Anklam mit Bewilligung aller seiner Vasallen und Städte zum Pfande, dass er den aufgerichteten Vertrag erfüllen wolle**). Seitdem erfahren wir ab und zu aus Urkunden auch von anderen abgehaltenen Landtagen. 1319 am 18. Juni (feria secunda ante Johannis baptiste***)übertrugen die Landstände des Herzogthums Stettin, in Folge gewisser Beschwerden gegen ihren Fürsten und seine Beamten die Regierung des Herzogtums und die Vormundschaft über Ottos Sohn, Barnim III., an den Herzog Wartislaw IV. von der Wolgaster Linie, bis ihr Landesherr das Unrecht gut gemacht hätte. Dies geschah durch eine Deputation der Stettiner Landstände, bei der alle Städte vertreten waren, zu Stormerswerder (Werder bei Pritter) auf der Insel Wollin, wo damals die Wolgaster Landstände versammelt waren, von denen die Städte Anklam und Greifswald die Bürgschaft für ihren Herzog Wartislaw IV. übernahmen, dass er den mit den Stettiner Landständen eingegangenen Vertrag pünktlich erfüllen würde. Nachdem Otto diesen Zwist mit seinen Landständen beigelegt hatte, schloss er 1320 den 2. März mit seinem Neffen Wartislaw IV. ein ewiges Bündnis ab, wobei seine Vasallen und die Ratsmannen aus seinen Städten als Zeugen fungierten, was also gleichfalls eine Landtagsversammlung voraussetzt. Als 1339 den 16. Juni die Städte Stettin, Greifenhagen und Golnow den Wolgaster Herzogen Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V, auf den unbeerbten Abgang ihrer Landesherrn, Ottos I. und Barnims III., die Eventualhuldigung leisteten, geschah dies nicht minder auf einem Landtage der Wolgaster Stände, welche zu Wollin versammelt waren. Als Zeugen jenes Gelöbnisses führt die Urkunde*) außer den Vasallen der Herzoge auf: zwei Ratsmannen der Stadt Stralsund, zwei von Greifswald, einen von Demmin, zwei von Anklam, zwei von Greifenberg, zwei von Stargard, zwei von Treptow a. R. und alle von Wollin.

*) Orig, im P. P. A.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern
Rostock, Rathaus

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Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

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Rostock - Kröpeliner Tor

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Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

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Rostock, Stadt-Theater (1895-1942)

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Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche

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Rostock vor dem Steintor

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Rostock. 013 Marienkirche, Giebel des südlichen Querschiffs

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Rostock. 017 St. Marien-Kirche

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Rostock. 073 St. Jacobi-Kirche

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Rostock. 102 St. Petri-Kirche

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Rostock. 128 St. Nicolai-Kirche

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Rostock. 237 St. Katharinen-Kloster

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Rostock. 255 Am Hopfenmarkt 28

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Rostock. 328 Wollmagazin

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