Boleslaw Angriffe auf die Odergegend und Stettin

Nachdem der Pole seinem dänischen Eidam die Tochter übergeben, trennten sich die Verbündeten. Die dänische Flotte segelte durch die Peene und den Gellen nach Dänemark heim, und das Polnische Heer kehrte auf demselben Wege, auf dem es gekommen, nach Polen zurück. Aber nicht lange rastete der Polenherzog. Es galt, Pommern noch in seinem Herzen zu treffen. Alle Angriffe Polens hatten sich bisher nur gegen die Ostseeküste gerichtet, jetzt gedachte Boleslaw auch die Odergegend heimzusuchen. Diese war damals durch einen breiten, unwegsamen Urwald von Polen getrennt. Insgeheim ließ Boleslaw von seiner Burg Uzda aus nach Pyritz zu einen Weg teils hindurchschlagen, teils durch Merkmale an den Bäumen bezeichnen. Auf diesem neuen, auch so noch an manchen Stellen der sumpfigen Beschaffenheit wegen für Rosse und Wagen schwer passierbaren Wege führte er dann im Winter 1120—1121 seine Streitmacht schnell gegen Stettin heran. Der Bischof Otto, welcher 1124 denselben Weg verfolgte, traf im Osten von Pyritz in zahlreichen Brandstätten die ersten Spuren jenes Kriegszuges. Der Winter hatte bereits alle Gewässer mit festem, haltbarem Eise belegt, als die Polen sich der Stadt näherten. Da bei Stettin die Oder selten schon im Dezember gefriert, so wird der Überfall wohl erst im Januar 1121*) ausgeführt sein. Augenscheinlich hatte der Polenherzog alle seine Bewegungen so berechnet, dass er von diesem, ihm günstigen Umstande Nutzen ziehen konnte. Stettin war auf der Ostseite wohl nur schwach befestigt, weil man sich hier auf die vorgelagerten breiten Ströme und sumpfigen Wiesen verließ, welche an sich schon jedem Feinde den Zugang wehrten. Darum fanden jetzt die Polen, begünstigt durch die feste Eisdecke, hier einen schnellen und leichten Eingang in die Stadt, um so mehr, als ihr Überfall ganz unvermutet kam, und die Bürger zum Widerstande kaum gerüstet waren. Dieser leichten Einnahme hatte es Stettin vielleicht zu danken, dass sie im Verhältnis dabei nur wenig litt, und durch das Versprechen der Annahme des Christentums und der Tributpflichtigkeit gegen Polen von größeren Schädigungen befreit blieb.

*) Auch die Rechnung der Biographen des Bischofs Otto von Bamberg deutet auf den Anfang des Jahres 1121.


Durch diesen Feldzug der Polen wurde der Nachwelt zum ersten Mal das Dasein der Stadt Stettin aufgedeckt, obgleich sie schon damals für die älteste Stadt Pommerns galt. Allerdings haben neuere Forscher in der Pommerschen Geschichte*) sie bereits in der Stadt Schinesghe erkennen wollen, welche mit ihrem Gebiet, worunter ersichtbar Polen begriffen ist, nach der Regeste einer ungefähr dem Jahre 995 angehörigen Römischen Urkunde vom Richter Dagome, seiner Gattin Ote und seinen Söhnen Misica und Lambertus dem päpstlichen Stuhle geschenkt sein soll. Allein alle Ausdrücke dieser Urkunde wohl erwogen, kann Schinesghe nur in Lithauen gesucht werden.

*) Giesebrecht, Wend. Geschichten I, p. 233; Kosegarten, Hasselbach und Quandt, Cod. dipl. Pom. I, p. XLVI-XLVIII und p. 1026-1028.... Giesebrecht hat unter Ote und Misica die Witwe des 992 verstorbenen Herzogs Miesco von Polen, Oda und deren Sohn Miseco nachgewiesen, die nach Ditmar von Merseburg von ihrem Stiefsohn und Bruder Boleslaw I. aus Polen vertrieben wurden. Nicht minder mag es begründet sein, dass Dagome der zweite Gemahl der Oda und der mutmaßliche Herrscher in Schinesghe an der Oder lag, nur soviel, dass die Grenze (noch eine Strecke weiter) an der Oder entlang zur Stadt Schinesghe zurückkehrte. Die Grenzbeschreibung des Gebiets, das als Zubehör dieser Stadt bezeichnet wird, beginnte und endigt bei ihr selbst. Sie beginnt aber an der Ostgrenze Preußens: ... und zwar bildete hier von Preußen bis Russland das weite Meer die Grenze. Die Auffassung dieser Stelle kann gar nicht zweifelhaft sein. Eine Deutung, wie sie Giesebrecht und Quandt beliebt, dass longum mare die Ostseeküste von der Oder bis zur Nogat bezeichne, und dass longum mare die Ostseeküste von der Oder bis zur Nogat bezeichne, und dass von da die Grenze Preußens bis Russland auch die beschriebene Grenze bilde, ist ganz unmöglich. Nach Analogie der Urkunde selber müsste dann stehen. ...
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern