Übersicht der 13 Rioni Roms. Der Rione di Ponte. Die von der Engelsbrücke ausgehenden Straßen. Der Canale di Ponte und die Tiberüberschwemmungen. Der Albergo dell' Orso

Welchen Charakter der sich hier nach beiden Seiten am Fluss hin ausbreitende Rione di Ponte hatte (vgl. Plan der 14 Rioni am Schlusse dieses Buches), deutete gleich der erste große Palast zur Rechten des vom Borgo Herkommenden an. Hier wohnte hart am Tiberufer der edle, kunstsinnige Bankier Bindo Altoviti, der Freund Raffaels und Michelangelos (Bild 19). Neben den Banken der Florentiner, worunter jene des Giovanni Gaddi hervorragte, gab es auch deutsche Häuser, von denen die bekanntesten den Fuggern und Welsern gehörten. Den Palast der Fugger hatte Perino del Vaga mit mythologischen Fresken geschmückt.

Strahlenförmig gingen, wie dies der Plan Bufalinis sehr gut zeigt, vom Ponte S. Angelo, dem Zugang zum Sitze des Oberhauptes der Kirche, die Straßen nach allen Seiten aus, die in das Herz der Stadt führten. Rechts von der Brücke gelangte man durch die neue Via Paola zu der von Jacopo Sansovino erbauten Nationalkirche der Florentiner, bei der sich die längste und schönste Straße im damaligen Rom, die unter Julius II. durch Bramante angelegte, von Paul III. verbesserte Via Giulia, dem Laufe des Flusses bis zum Ponte Sisto folgend anschloss. Zur Linken vermittelte die gleichfalls dem Tiber parallel laufende, nach dem dort liegenden Gefängnis Tor di Nona genannte Straße die Verbindung mit dem Corso ; sie teilte sich bei der am Ufer erbauten Kirche S. Maria in Posterula: rechts die in die Scrofa mündende Via Sistina oder dell' Orso, links die neue Via della Trinita (später Via di S. Lucia, Monte Brianzo, Piazza Nicosia, Fontanella di Borghese und Condotti), welche die Scrofa und den Corso durchschnitt und bei dem damals noch unbebauten Platz unterhalb des Klosters Trinita de' Monti endete. Zu diesem stieg man auf einem steilen, von Bäumen beschatteten Fußweg hinauf.


Mehr nach dem Kern der Stadt zu hatte Paul III. noch eine neue Verkehrsader, die Via di Panico, geöffnet, durch die man von der Engelsbrücke zur Orsinischen Palastburg auf Monte Giordano gelangte, die 1550 von dem Kardinal Ippolito d' Este bewohnt wurde. Von der genannten Straße zweigte die verkehrsreiche Via di Tor Sanguigna, später nach den Händlern mit Rosenkränzen Via dei Coronari genannt, ab. Dieser von Sixtus IV. angelegte Verkehrsweg führte zum Turm der Sanguigni und zur Piazza Navona. Er bietet noch heute mit seinen schönen, leider verwahrlosten Palästen und kleinen Quattrocentohäusern (Bild 20—21) aus der Zeit des ersten Roverepapstes eines der eigentümlichsten Straßenbilder Roms.

Nachdem so vieles zerstört worden ist, gehört jetzt ein Gang durch diese Gegend wie durch die Via Giulia und das Palastviertel am Fuße des Kapitols zu den interessantesten Wanderungen, die man in der ewigen Stadt machen kann. Nur hier kann man sich noch in jene Stimmung versetzen, welche die alten Romfreunde mit so begeisterten Worten geschildert haben.

Die wichtigste und vornehmste Verbindung der Stadt mit dem Vatikan war der berühmte Canale di Ponte, der seinen Namen dem Umstände verdankte, dass er bei den häufigen Tiberüberschwemmungen einem Kanal der Lagunenstadt glich. Eine Inschrift, die allen Wandel der Jahrhunderte überdauert hat, erinnert dort noch immer an die Überschwemmung des Jahres 1276; sie ist die älteste heute noch in Rom erhaltene dieser Art (Bild 22). Bis zu welcher Höhe der Tiber wiederholt in die Stadt eindrang, erhellt mit erschreckender Deutlichkeit auch aus den an der Minervakirche angebrachten Zeichen über die Wassernot, durch welche Rom so häufig heimgesucht wurde (Bild 23). Es waren nur die großen Überschwemmungen, die man durch solche Denksteine festhielt. Kleinere gab es fast alle paar Jahre, wie aus den Gesandtschaftsberichten zu ersehen ist.

Die ärmere Bevölkerung der am Tiber gelegenen Stadtteile litt unter dieser Kalamität außerordentlich.

Im Canale di Ponte lag das von Antonio da Sangallo errichtete päpstliche Münzgebäude, die Zecca, die von Paul V. in den Banco di S. Spirito umgewandelt wurde; daher der jetzige Name Via del Banco di S. Spirito, deren Fortsetzung die Via del Banchi Nuovi bildet. Eine dort angebrachte Inschrift aus der Zeit Julius' II. hat den Wechsel der Jahrhunderte überdauert (Bild 24). Sie nimmt Bezug auf die Vergrößerung des weltlichen Gebietes der Kirche und die Befreiung Italiens durch den Sturz der Franzosenherrschaft im Jahre 1512. Mit antikisierenden Reminiszenzen rühmt sie die Tätigkeit des Roverepapstes, dem Rom in der nach ihm benannten Via Giulia die erste groß angelegte monumentale Renaissancestraße verdankte, für die Verbesserung der Verkehrswege in dem mittelalterlichen Straßengewirr auch dieses Stadtteiles mit folgenden Worten: „Dem Papst Julius II, der nach Erweiterung der Grenzen des Kirchenstaates und der Befreiung Italiens die zu eng gebaute und der regelrechten Wege entbehrende Stadt Rom entsprechend dem Ansehen des Reiches durch Anlegung neuer Straßen schmückte. Gesetzt durch die Straßenmeister Domenico Massimo und Geronimo Pico. 1512.“

Bei der Zecca teilte sich der Canale di Ponte: links die Via de' Banchi Nuovi, die mit ihrer Fortsetzung an den Palästen der Massimi vorbei nach S. Marco führte und einen Teil der berühmten alten Via Papale bildete, die beim Lateran mündete und die beiden Hauptkirchen Roms verband. Rechts von der Zecca gelangte man durch die Via de' Banchi Vecchi und die von Sixtus IV. angelegte Via del Pellegrino *) zum Campo di Fiore und weiterhin zur Piazza Giudea, zu der in das Marcellustheater hineingebauten Savelliburg und zum Fuße des Kapitolinischen Hügels. Fichard sagt, diese mittlere Straße sei die berühmteste und verkehrsreichste von allen; ein Handelshaus reihe sich dort an das andere.

*) Beim Beginn der Via del Pellegrino zweigte rechts für den von der Engelsburg Kommenden eine sekundäre Verkehrsader, Via di Monserrato, ab, die über die Piazza Farnese und die Piazza Spada durch die Via della Regola und della Fiumara nach dem Ponte Quattro Capi führte (Bild 25).

Die Bemerkung des Frankfurter Reisenden wird durch den Plan des Bufalini und durch den einige Jahre später entstandenen des Ugo Pinardo bestätigt. Deutlich erkennt man hier, wie sich das ganze Leben der Stadt nach den Quartieren zusammendrängte, die der Engelsbrücke, dem Zugang zum Vatikan, am nächsten waren. Dort vor allem wohnten die reichen Kaufleute und Bankiers, hervorragende Prälaten, Hofbeamte und Künstler, aber auch zahlreiche „Cortegiane“, wie man damals die öffentlichen Buhlerinnen nannte. In dieser Gegend befand sich im Zeitalter der Renaissance der eigentliche Mittelpunkt des Lebens mit all seinem Glanz und seiner Korruption. Dort lagen auch vielbesuchte Gasthäuser, wie der Albergo del Leone in der Via Tor di Nona und an deren Fortsetzung der Albergo dell' Orso (Bild 26). Dieser mittelalterliche Ziegelbau, in dessen Rundbogen und Ornamenten sich schon ein antikisierendes Element geltend macht, ist, wenn auch verstümmelt und eingebaut, erhalten geblieben und dient noch immer als Gasthaus. Unweit des Albergo dell' Orso hatte der Maestro di Camera Julius' III., Giovan Battista Galletti, sein mit Antiken geschmücktes Haus.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
025 Bild 19 Palast des Bankiers Bindo Altoviti (zerstört 1888). Photographie Moscioni Nr 3490. Vgl. Pastor VI, I 4 383.

025 Bild 19 Palast des Bankiers Bindo Altoviti (zerstört 1888). Photographie Moscioni Nr 3490. Vgl. Pastor VI, I 4 383.

026 Bild 20 Haus aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts (Via de Coronari 157) Rekonstruktion von G. Giovannoni, Nuova Antologia Fascicolo 997 (I Luglio 1913), S. 60, Fig. I.

026 Bild 20 Haus aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts (Via de Coronari 157) Rekonstruktion von G. Giovannoni, Nuova Antologia Fascicolo 997 (I Luglio 1913), S. 60, Fig. I.

027 Bild 21 Renaissancehaus Via de Coronari 28. Rekonstruktion von G. Giovannoni a. a. O. 63, Fig. 3.

027 Bild 21 Renaissancehaus Via de Coronari 28. Rekonstruktion von G. Giovannoni a. a. O. 63, Fig. 3.

028 * Bild 22 Inschrift mit Angabe der Tiberhöhe im Jahre 1276 (Arco dei Banchi) Die Inschrift wurde zuerst von Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom V 147, publiziert.

028 * Bild 22 Inschrift mit Angabe der Tiberhöhe im Jahre 1276 (Arco dei Banchi) Die Inschrift wurde zuerst von Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom V 147, publiziert.

029 * Bild 23 Wasserstandmarken der Tiberüberschwemmungen von 1495, 1422, 1870, 1530, 1557 und 1598 an der Fassade der Minervakirche. Die Inschriften sind bei Forcella, Iscrizioni di Roma 1, und neuerdings auch bei Berthier, L Église de la Minerve à Rome 32 (Rom 1910), publiziert.

029 * Bild 23 Wasserstandmarken der Tiberüberschwemmungen von 1495, 1422, 1870, 1530, 1557 und 1598 an der Fassade der Minervakirche. Die Inschriften sind bei Forcella, Iscrizioni di Roma 1, und neuerdings auch bei Berthier, L Église de la Minerve à Rome 32 (Rom 1910), publiziert.

030 * Bild 24 Denkstein (Via de Banchi Nuovi 29 —30) zum Ruhm der Straßenanlagen Julius II. (1512). Die höchst interessante, bisher fast ganz unbeachtet gebliebene Inschrift befand sich bis vor wenigen Jahren in Via Banchi Vecchi 80. Ursprünglich war sie wohl durch ein Wappen Julius II. gekrönt.

030 * Bild 24 Denkstein (Via de Banchi Nuovi 29 —30) zum Ruhm der Straßenanlagen Julius II. (1512). Die höchst interessante, bisher fast ganz unbeachtet gebliebene Inschrift befand sich bis vor wenigen Jahren in Via Banchi Vecchi 80. Ursprünglich war sie wohl durch ein Wappen Julius II. gekrönt.

alle Kapitel sehen