Die Wohltätigkeitsanstalten, besonders die Nationalhospize

Eine Sehenswürdigkeit und zugleich einen Vorzug Roms, der namentlich von allen fremden Besuchern gerühmt wird, bildeten die zahlreichen und trefflich eingerichteten Wohltätigkeitsanstalten. Die Hauptstadt der Christenheit hatte von jeher durch die Blüte der Caritas lebendiges Zeugnis abgelegt von der befruchtenden Kraft des katholischen Glaubens. Wie im Mittelalter, so waren auch in der Renaissancezeit Päpste, Kardinäle, Prälaten und Laien aller Stände in edlem Wetteifer bemüht, der Not der Kranken, Elenden und Armen abzuhelfen. An Alter und Umfang nahm unter den caritativen Anstalten das von Sixtus IV. reorganisierte Spital zum Heiligen Geist den ersten Rang ein. Großen Ruf genossen auch die Krankenhäuser S. Salvatore beim Lateran und S. Giacomo in Augusta, welche von Kardinälen aus dem Hause Colonna gestiftet worden waren. Diese Häuser wie die Spitäler bei S. Maria della Consolazione, S. Antonio und S. Rocco, welche die Päpste durch Unterstützungen und Privilegien in jeder Weise förderten, lagen derart durch die Stadt verteilt, dass für die Bedürfnisse der verschiedenen Viertel gut gesorgt war.

Eine besondere Art von Wohltätigkeitsanstalten bildeten die Nationalhospize, welche die in Rom ansässigen, so überaus zahlreichen Fremden für ihre Landsleute bei den Nationalkirchen errichtet hatten. Durch sie kam der katholische Charakter Roms als Hauptstadt der Weltkirche in sehr bezeichnender Weise zum Ausdruck. Die Deutschen erfreuten sich ihrer Zahl entsprechend der meisten solcher Anstalten; den ersten Rang unter ihnen nahmen seit dem 14. Jahrhundert die Anima und der Campo Santo ein. An sie reihten sich kleinere Häuser für die Flamländer und Wallonen, die Böhmen und Ungarn. Die Spanier, nächst den Deutschen am zahlreichsten in Rom vertreten, hatten bei S. Giacomo an der Piazza Navona und bei S. Maria in Monserrato Häuser zur Unterkunft und Pflege ihrer armen und kranken Pilger. In ähnlicher Weise besaßen die Portugiesen, Franzosen, Engländer, Schotten, Irländer, Polen, Ungarn, Schweden, Dalmatiner und Südslawen, aber auch die Lombarden, Genuesen, Florentiner, Sienesen und Bergamasken ihre eigenen Kirchen und damit verbunden Nationalhospize und meist auch Bruderschaften.


Mehreren dieser Anstalten wurde durch die Glaubensspaltung der Lebensnerv abgeschnitten; indes bewahrte auch in dieser kritischen Zeit die ewige Stadt ihren alten Ruhm hochherzigster Nächstenliebe. In engster Verbindung mit der im stillen heranwachsenden Bewegung der katholischen Reformation trieb die christliche Caritas wie in den übrigen Städten Italiens so auch in Rom neue herrliche Blüten. Nachdem schon die Mitglieder des Oratoriums der göttlichen Liebe in dem alten Spital von S. Giacomo in Augusta eine eigene Abteilung für Unheilbare gestiftet hatten, gründete Kardinal Giulio de' Medici, der spätere Klemens II., im Jahre 1519 die Confraternità della Carità zur Unterstützung verschämter Armen, zur Tröstung der Gefangenen und zur Beerdigung von Mittellosen. Kardinal Medici war es auch, der Leo X. zur Bestätigung des Klosters für reuige Sünderinnen am Corso veranlasste, das von den Mitgliedern des Oratoriums der göttlichen Liebe gestiftet war. Einem andern römischen Prälaten verdankte das Waisenhaus bei S. Maria in Aquiro seinen Ursprung.

Unter Paul III. und von ihm gefördert sah Rom eine ganze Reihe von Anstalten emporwachsen, durch welche die erfinderische Nächstenliebe hochherziger und heiliger Männer die materiellen und moralischen Übel der Zeit mit Erfolg zu bekämpfen suchte. Der Minorit Giovanni da Calvi, der Kaufmann Crivelli und der Kardinal Quinones legten damals den Grund zum Monte di Pietà. Ein opferfreudiger Sohn Spaniens, der Kaplan Ferrante Ruiz, stiftete im Verein mit zwei Edelleuten aus Navarra an der Piazza Colonna ein Haus für Geisteskranke, deren Pflege bis dahin fast völlig vernachlässigt worden war. Durch den erleuchteten Eifer eines andern Spaniers, des Ignatius von Loyola, entstanden das Zufluchtshaus für bekehrte Sünderinnen bei S. Marta, das Hospiz für gefährdete arme Mädchen bei S. Caterina de' Funari, die Anstalt für Neubekehrte bei S. Giovanni del Mercatello am Fuße des Kapitols und ein Verein zur Unterstützung von verschämten Armen. Filippo Neri gründete unter Julius III. zur Unterstützung bedürftiger Pilger die Compagnia della Trinitä, die als Protektor nur Christus hatte. Dazu kamen verschiedene neue Stiftungen für die Ausstattung armer Mädchen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance