Der Rioni di Parione. Die Piazza Navona und die Pasquinostalue

War der Rione di Ponte vornehmlich der Sitz der Bankiers und Handelsherren, so der Rione di Parione der Stadtteil für die Prälaten, Hofleute, Notare, Buchhändler, Kopisten, Archäologen und Literaten. Dieses Viertel barg im Mittelalter drei große Plätze, von denen die Piazza Parione bei der Kirche S. Tommaso seit dem 14. Jahrhundert verbaut wurde, während die beiden andern, der Campo di Fiore und die Piazza Navona, erhalten blieben. Nach der Piazza Navona hatte Kardinal Estouteville im Jahre 1477 vom Kapitolsplatze den Markt verlegt. An jedem Mittwoch wurde hier, wie Fichard ausdrücklich bezeugt, der jetzt noch auf dem Campo di Fiore fortdauernde besondere Markt für Kleider, Tücher, Waffen und andere Gegenstände abgehalten. Zur Zeit des Karnevals war die einstige Domitianische Rennbahn der Schauplatz der glänzenden Lustbarkeiten und Aufzüge (festa di Agone), welche die Schaulustigen aus allen Kreisen der Gesellschaft hierherzogen.

An der einen Seite der Piazza Navona lag die spanische Nationalkirche S. Giacomo, an der andern erhob sich in der Nähe der deutschen Nationalkirche S. Maria dell' Anima (Bild 37) der in den Besitz des Kardinals Cupis übergegangene weitläufige Palast, in dem einst der mächtige und später so unglückliche Kardinal Ascanio Sforza residiert hatte (Bild 38 — 39)*).


*) Aus dem Plan des Bufalini (G) erhellt, dass Cupis nicht bloß den alten Palast des A. Sforza, Piazza Navona Nr 33 — 40 und Via dell' Anima Nr 1 — II, besaß, sondern auch das Eckhaus Via dell' Anima Nr 15— 18 und Piazza Navona Nr 28 — 29 sowie die beiden südlich anstoßenden Häuser Via dell Anima Nr 12 — 14 und Piazza Navona Nr 30 — 32, die bis 1545 der Anima gehört hatten.

Südlich von der Tor Millina (Bild 40), an deren mit feinen Sgraffiti geschmückter Spitze man noch immer den Namen der P'amilie liest, hatte Kardinal Oliviero Carafa die Pasquinostatue aufstellen lassen, die das bezeichnende Symbol dieses Rione ist. In der Nähe des Pasquino, der von den Künstlern als eines der vorzüglichsten Werke der Skulptur betrachtet wurde, erhob sich der Palast, den der Oheim Julius' III., der kunstsinnige Kardinal Antonio del Monte, sich hatte errichten lassen. Nach Bufalinis Stadtplan wohnte in jener Gegend auch der einflussreiche Kardinal Alvarez de Toledo. In der Via Parione befand sich das Geschäftshaus des Antoine Lafréry, das bis zur Zeit Gregors XIII. den Mittelpunkt des römischen Kupferstichhandels bildete. Südwestlich von Via in Parione lag der Weiße Brunnen (Puteus Albus), welcher der dortigen Marienkirche den Zunamen gab. Dieser Brunnen, der heute seinen Platz auf dem Janiculum bei der Tassoeiche gefunden hat, spielt ähnlich wie die Chiavica di S. Lucia als topographische Teilbezeichnung des Viertels in den Urkunden des 15. Jahrhunderts eine große Rolle. Die dortige Gegend erhielt später durch den Bau der neuen prächtigen Kirche des von Filippo Neri gestifteten Ordens der Oratorianer ein völlig verändertes Aussehen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance
044 * Bild 37 Vicolo della Volpe, bei der deutschen Nationalkirche S. Maria dell Anima

044 * Bild 37 Vicolo della Volpe, bei der deutschen Nationalkirche S. Maria dell Anima

045 * Bild 38 Palast des Kardinals Ascanio Sforza (Piazza Navona)

045 * Bild 38 Palast des Kardinals Ascanio Sforza (Piazza Navona)

046 * Bild 39 Rückseite des Palastes des Kardinals Ascanio Sforza (Via dell Anima)

046 * Bild 39 Rückseite des Palastes des Kardinals Ascanio Sforza (Via dell Anima)

 048 * Bild 40. Tor Millina (Via di Tor Millina)

048 * Bild 40. Tor Millina (Via di Tor Millina)

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