Parlamentarismus und Krieg.

Den Weg, den die Sozialdemokratie zur Erreichung ihres Zieles beschreiten muss, ist der Parlamentarismus. Sie will durch Beteiligung an den Wahlen den Volksgenossen ihre Ansichten unterbreiten und sie dadurch veranlassen, ihre Stimmen den sozialdemokratischen Kandidaten zu geben. Auf diese Weise glaubt sie schließlich die Mehrheit der Sitze in den verschiedenen Parlamenten mit ihren Parteigenossen zu besetzen, wodurch sie ausschlaggebend würde für die Gesetzgebung und sie dann, sind die wirtschaftlichen Vorbedingungen vorhanden, die Produktionsmittel in den Besitz, des Staates überführen kann. Wir haben hier uns weniger mit dem Parlamentarismus an sich zu beschäftigen, als wie mit seinem Einfluss auf die Haltung der Sozialdemokratie zum Krieg.

Bei der Wahlagitation dreht sich der Kampf zwischen den verschiedenen Parteien weniger um den ehrlichen Auftrag der eigenen Prinzipien, sondern der einfache Zweck ist, auf jede Art Wählerstimmen zu ergattern.


Es zählen bei dem Ergebnis der Wahl keine Überzeugungen, sondern papierne Zettel. Da müssen alle Parteien, auch die Sozialdemokratie, um möglichst viel Stimmen zu erlangen, den Wählern möglichst weit entgegen kommen. Nun wurzelt am gewöhnlichen Volke als Folge vererbter Anschauungen systematischer Erziehung im staatlich-kapitalistischen Sinne, unter andern freiheitsfeindlichen Ideen auch der Patriotismus. Es ist dies der Glaube, dass das Land, in dem man geboren ist, mehr wert sei, als andere Länder; dass die Regierung, unter der man lebt, ebenfalls besser sei, als die Regierungen anderer Staaten; dass die eigenen Volksgenossen, reiche und arme, einem näher stehen als die Menschen in anderen Staatsgebilden u. s. f., dass also der Volksgenosse die Pflicht habe, das Land, zu dem er gehört, sein „Vaterland“, zu verteidigen in jeder Gefahr, und für die Größe desselben sich aufzuopfern habe. Dieses patriotische Gefühl nutzen die Gegner in der Wahlagitation aus gegen die Sozialdemokratie. Diese aber kann nicht, wie wir vorhin sahen, in ehrlicher — prinzipieller Weise dem Patriotismus dadurch entgegen treten, dass sie die Falschheit desselben den Arbeitermassen aufzeigt. Sie muss also den anderen Parteien auf das schlüpfrige Gebiet des Patriotismus folgen. Daher resultieren dann die im Brustton der Überzeugung abgegebenen Erklärungen, dass auch die Sozialdemokratie das Vaterland nicht wehrlos machen will •sondern im Gegenteil ebenfalls in der Stunde der Gefahr dasselbe verteidigen werde. Diese Haltung zum Patriotismus hat zunächst die Folge, dass die Arbeiter, die durch die trüben Erfahrungen des Lebens den Glauben an die väterliche Fürsorge des Vaterlandes schon verloren hatten, dass diese wieder patriotisch vergiftet werden und einem kriegerischen Gelüst der Herrschenden keinen ernsthaften Widerstand entgegenstellen können. Die andere Folge aber ist die, dass die Sozialdemokratie sich selber festgelegt hat, nun für Heeresvorlagen u. s. w. eintreten muss, und, in der Stunde der Gefahr, ebenfalls für den Krieg sein muss.

Die Tätigkeit der Abgeordneten in den verschiedenen Parlamenten hat ähnliche Konsequenzen zur Folge. Die Angelegenheiten, die im Parlament behandelt werden, sind alles Fragen, die im Interesse des Staates liegen. Dabei nehmen nun die Fragen, die die dauernde Existenz und ruhige Sicherheit des Staates, also der heutigen Ordnung, behandeln, den weitesten Raum ein. Dies sind nun die Fragen des Militarismus und Marinismus. Wie wir ebenfalls schon gesehen haben, kann die Sozialdemokratie diese Einrichtungen nicht grundsätzlich verneinen. Sie wendet sich nur gegen das heute herrschende System, dem sie ein anderes System der Verteidigung der Grenzen entgegensetzt.

Solange aber das heutige Militärsystem vorhanden ist, muss sie an der Ausgestaltung desselben mitarbeiten. So sind im Laufe der Jahre von den sozialdemokratischen Abgeordneten in den Parlamenten aller Länder Verbesserungsvorschläge in verschiedenen Richtungen gemacht worden. So brachte Jaures, der nun tote Führer der französischen Sozialdemokratie, seine Reformvorschläge in seinem Buche über: »Die neue Armee« zum Ausdruck. So wurde von einem Teil der englischen Sozialdemokraten die Forderung auf Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in England, an Stelle des Söldnerheeres erhoben. So erklärte sich der Parteitag der britischen sozialistischen Partei in den letzten Jahren für die Notwendigkeit für England, eine starke Flotte und ein starkes Heer zu haben u. s. w.

Diese Reformtätigkeit an Heer und Marine, die doch nur den Zweck hat, diese Einrichtungen möglichst wirksam auszugestalten, hat, wie wir schon einmal gesagt haben, nur dann einen Sinn, wenn man diese Warfen einmal benutzen will. Ebenso wenig, wie ein Haus getraut wird, um nachher unbewohnt zu bleiben, ebenso wenig wird ein Heer, eine Flotte geschaffen und ausgestaltet mit großen Opfern, um nachher als Spielzeug beiseite geworfen zu werden.

Wenn wir also an Hand der sozialdemokratischen Parteianschauungen und der Parteitätigkeit die Frage der Haltung derselben zu dem Kriege nüchtern prüfen, so kann uns dieselbe nicht überraschen. Diese Haltung der Partei bedeutet kein Versagen der Führer, wie ebenso wenig ein Versagen der Parteiangehörigen, sondern eine mit Notwendigkeit sich ergebende Stellungnahme.

An ihrem eigenen Prinzip gemessen, hat die Sozialdemokratie ehrlich gehandelt. Wenn aber von den Arbeitern eine andere Haltung der Partei erwartet wurde, so werden wir dies im folgenden Abschnitt behandeln.

Es wäre unsinnig, von einem Konservativen zu verlangen, dass er wie ein Liberaler handle. Es wäre gleichfalls unbillig, von einem Christen zu verlangen, dass er wie ein Jude handle. Aber ebenso ist es ein Irrtum, von der Sozialdemokratie zu erwarten, dass sie anders handle, als ihre Parteiinteressen es erfordern. Diesen Irrtum muss die Arbeiterschaft nun mit bitteren Opfern bezahlen. Und dass dadurch eine Verzweiflung an dem Wert der Arbeiterbewegung überhaupt in den Herzen so mancher Proletarier aufkeimt, ist deshalb nur zu verständlich.

Gewiss, trotz dieser Notwendigkeit, die die kriegsfreundliche Haltung der Partei verursachte, war es nicht nötig, in dem Sinne widerlich — chauvinistisch zu werden, wie es die Parteipresse teilweise geworden ist. Aber auch dies ist erklärlich, es gilt auch hier das Sprichwort: „Gibst du dem Teufel (Patriotismus) den Finger, so nimmt er die ganze Hand (Chauvinismus)“.
1-016 Beispiele der ungeheuren Wirkung eines einzigen Geschosses der 42 cm Haubitze auf das Panzerfort Loncin der Festung Lüttich

1-016 Beispiele der ungeheuren Wirkung eines einzigen Geschosses der 42 cm Haubitze auf das Panzerfort Loncin der Festung Lüttich

1-017 Zerstörte Drahtverhaue und Barrikaden vor dem Fort Loncin der Festung Lüttich

1-017 Zerstörte Drahtverhaue und Barrikaden vor dem Fort Loncin der Festung Lüttich

1-018 Die eroberten belgischen Festungsgeschütze der Zitadelle von Lüttich

1-018 Die eroberten belgischen Festungsgeschütze der Zitadelle von Lüttich

1-019 Durch die deutschen Geschosse gesprengte und in die Luft geworfene Decken und Panzertürme des Forts Loncin der Festung Lüttich

1-019 Durch die deutschen Geschosse gesprengte und in die Luft geworfene Decken und Panzertürme des Forts Loncin der Festung Lüttich

1-020 Die Umwallung eines Forts von Lüttich nach der Einnahme

1-020 Die Umwallung eines Forts von Lüttich nach der Einnahme

1-021 Die Zitadelle von Namur von der Beschießung

1-021 Die Zitadelle von Namur von der Beschießung

1-022 Aus dem zerstörten Teil der Stadt Löwen

1-022 Aus dem zerstörten Teil der Stadt Löwen

1-029 Aus Longwy. - Das französische Tor

1-029 Aus Longwy. - Das französische Tor

Wk1 Das britische Schiff -Gloucester Castle- sinkt nach einem Torpedotreffer durch ein deutsches U-Boot

Wk1 Das britische Schiff -Gloucester Castle- sinkt nach einem Torpedotreffer durch ein deutsches U-Boot

Wk1 Das Ende eines deutschen Kreuzers vor Jütland

Wk1 Das Ende eines deutschen Kreuzers vor Jütland

Wk1 Das ist keine Szene aus dem antiken Griechenland, sondern aus dem modernen Frankreich

Wk1 Das ist keine Szene aus dem antiken Griechenland, sondern aus dem modernen Frankreich

Wk1 Das war die französische Stadt Bapaume

Wk1 Das war die französische Stadt Bapaume

alle Kapitel sehen